Politiker tendieren dazu, einen vermeintlich optimalen Energieversorgungsmix nach ihrem Gusto zu definieren. Während die einen die vermeintlichen volkswirtschaftlichen Vorzüge der Förderung erneuerbarer Energien sowie der Energieeffizienz preisen, betonen andere die Notwendigkeit einer energetischen Unabhängigkeit vom Ausland, vor allem durch den Bau neuer Kernkraftwerke. Die Meinungen sind meist gemacht – man ist für oder gegen die Energiewende.

Interessant ist die Tatsache, dass in allen Lagern der Markt eine Nebenrolle spielt. Das ist umso erstaunlicher, als die Wirtschaftlichkeit neuer Kraftwerke letztlich von der Marktentwicklung in Europa abhängt. Und diese lässt auf absehbare Zeit Überkapazitäten und tiefe Preise erwarten. Der Bundesrat setzt in seiner Strategie mitunter auf Gaskraftwerke im Inland. Aber wer baut diese, wenn sie nicht rentabel sind – selbst wenn sie ihr CO2 mit europäischen Zertifikaten kompensieren könnten? Ähnliches gilt übrigens für neue Kernkraftwerke. Betroffen sind aber auch neue erneuerbare Energien: Je tiefer die Preise am Markt, desto höher sind die nötigen Subventionen. Ordnungspolitisch sind solche ohnehin kritisch. Zudem stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, erneuerbare Energien ausschliesslich innerhalb der Schweiz zu fördern, wo das Potenzial beschränkt und die Kosten hoch sind. Man hätte sich vom Bundesrat eine konsequente Abkehr vom ineffizienten System der kostendeckenden Einspeisevergütung gewünscht.

Auch auf der Verbraucherseite wird dem Thema Markt und Wettbewerb wenig Gewicht eingeräumt. Dabei ist die vollständige Liberalisierung eine zentrale Voraussetzung dafür, dass bei den Verbrauchern endlich sinnvolle Preissignale ankommen, welche auch kurzfristig Knappheit oder Überschuss am Markt signalisieren. Bei wachsender stochastischer Stromproduktion werden solche Preissignale immer wichtiger. Doch nach wie vor verzerrt die faktische Preisregulierung auf Basis gewagt kalkulierter und von der Elcom regulierter Gestehungskosten das Verhalten der Konsumenten.

Ein Smart-Grid-System setzt gleichzeitig smarte Tarife voraus

Während in einigen Regionen die Herstellkosten längst weit über dem Preisniveau am Markt liegen, besteht anderswo eine faktische Subventionierung über besonders günstige Tarife. Gleichzeitig nehmen auf Seiten der Verbraucher die technischen Möglichkeiten zu, flexibler auf die Situation am Markt zu reagieren, etwa mit Smart-Metering- respektive Smart-Grid-Technologien. Das Zauberwort heisst Lastverschiebung: Strom wird vor allem dann verbraucht, wenn er zur Genüge vorhanden und günstig ist. Ein derart smartes System setzt aber gleichzeitig smarte Tarife voraus, die sich eng am Markt orientieren.

Der Bundesrat setzt eher auf die Reduktion des Verbrauchs. Zur Förderung der Energieeffizienz und des Sparens schlägt er sogenannte «Weisse Zertifikate» vor. Stromversorger sollen über die Vorgabe eines Einsparziels dazu angehalten werden, den Verbrauch ihrer Kunden zu senken – bei Übererfüllung der Vorgaben können Zertifikate an Dritte verkauft werden. Die Kosten der Massnahmen können die Versorger über einen Zuschlag auf dem Energietarif an ihre Kunden überwälzen.

Doch auch dieses Instrument setzt eine konsequente Marktöffnung voraus. Denn ohne funktionierenden Wettbewerb zwischen den Versorgern bestehen für diese kaum Anreize, die Energiesparmassnahmen effizient umzusetzen. Weil die Kunden nicht einfach ihren Anbieter wechseln können, braucht es eine zusätzliche Regulierung des Tarifzuschlags. Damit besteht die Gefahr, dass dieses Instrument nicht nur administrativ aufwendig wird, sondern wegen der verzerrten, regional unterschiedlichen Preise und dem fehlenden Wettbewerb seine Wirkung verfehlt. Anstelle politischer Feinsteuerung bräuchte der Schweizer Elektrizitätsmarkt vor allem mehr Markt.

 

Dieser Artikel erschien in der «Handelszeitung» vom 04. Oktober 2012.