Spätestens seit dem Volks-Ja zur 13. AHV-Rente ist klar: Der Bund hat Finanzprobleme. Ohne Kurskorrektur rutscht der Staatshaushalt in die roten Zahlen. Das ist umso problematischer, als die Verteidigungsausgaben angesichts der geopolitischen Lage in den kommenden Jahren erhöht werden sollen. Was also ist zu tun?
Keine Tricks mit der Schuldenbremse
Der erste Reflex der Politik war, mit einer Trickserei die Schuldenbremse auszuhebeln. Dabei ging das Ausland mit schlechtem Beispiel voraus: So wurde in Deutschland kurzerhand ein «Sondervermögen» für Verteidigungsausgaben gebildet. In der Schweiz hat das so kurzfristig und im grossen Stil bisher nicht funktioniert – die hiesige Politik scheint sich gerade noch rechtzeitig zu erinnern, welch starken Rückhalt ein ausgeglichener Staatshaushalt beim Souverän geniesst.
Ohne Erhöhung der Verschuldung bleibt somit die Frage: mehr einnehmen oder weniger ausgeben? Die Forschung des Ökonomen Alberto Alesina gibt uns eine Antwort darauf. Erfolgreiche Stabilisierungen unterscheiden sich von nichterfolgreichen dadurch, dass erstere vor allem die Ausgaben kürzen. Nicht die Einnahmen weiter zu erhöhen, dafür spricht auch, dass der Bund bei den Einnahmen über die Jahre stark von der «warmen Progression» profitiert hat: Die Steuerbelastung steigt infolge Wirtschaftswachstums überproportional, denn eine produktivere Gesellschaft rutscht als Ganzes über die Zeit in eine höhere Progressionsstufe.
Effektivere und effizientere kantonale Lösungen
Vieles spricht also dafür, nicht die Steuerbelastung weiter zu erhöhen, sondern die Ausgaben zu reduzieren. Die gute Nachricht dabei ist, dass der Bund durchaus Sparpotenzial aufweist. Vielen ist bewusst, dass sich beim Staat – wie auch im Privaten – über die Zeit kleinere und grössere Fettpolster aufbauen, die beseitigt werden sollten. Weniger bewusst dürfte den meisten sein, dass der Bund über die vergangenen Jahrzehnte immer grössere Ausgabenpositionen aufgebaut hat, die eigentlich in den Bereich der Kantone gehören.
Die Kantone verfügen im Schweizer Föderalismus über umfassende Kompetenzen – zu Recht. Probleme können so möglichst nah an deren Ursache angepackt werden; lokale Lösungen sind in der Regel effektiver und effizienter. So schön das in der Theorie klingt, in der politischen Praxis missachten die Kantone dieses sogenannte Subsidiaritätsprinzip regelmässig. Nur allzu gerne geben sie Kompetenzen an den Bund ab, wenn dieser nur zahlt. Beispiele dafür gibt es viele.
So übernimmt der Bund etwa beim Regionalverkehr diverse Kosten, die er nicht tragen sollte. Ebenso bei der Kita-Finanzierung oder den Verbilligungen der Krankenkassenprämien. Obschon nicht auf der Ebene des Bundes angesiedelt, finanziert dieser hier seit langem kräftig mit. Und auch beim Finanzausgleich unter den Kantonen kennen die Bundesbeiträge seit Jahren nur eine Richtung: nach oben. Das liegt primär daran, dass sich die Kantone politische Kompromisse jeweils mit Ausgleichzahlungen «versüssen» lassen.
Gewaltige Summen
All diese problematischen Aufgaben- und Finanzierungsverflechtungen sind der breiten Bevölkerung kaum bekannt. Die Summen, um die es geht, sind jedoch gewaltig. Für den Bund dürfte mit einer klaren Aufgabentrennung ein Sparpotenzial von über 4 Milliarden Franken verbunden sein.
Wer nun meint, dass das Finanzierungsproblem damit einfach eine Staatsebene weitergeschoben wird, verkennt die Kraft des Föderalismus. In der Tat würden die Kantone gewisse dieser Ausgabenposten übernehmen. Schliesslich fällt der Nutzen bei den erwähnten Beispielen ja gerade bei den Kantonen an. Doch es handelt sich dabei eben gerade nicht um ein Nullsummenspiel. Wird dem Motto «Wer profitiert, soll auch zahlen» wieder konsequent Folge geleistet, werden weniger Ressourcen verschwendet.
Es würde wieder auf kantonaler Ebene über Sinn und Unsinn einer regionalen Staatsaufgabe diskutiert werden: Braucht es wirklich noch eine Bahnverbindung mehr, oder könnte man die Strecke nicht auch mit einem Bus bedienen? Heute hingegen haben die Kantone einen Anreiz, sich vor solchen inhaltlichen Fragen zu drücken, und stattdessen in Bern um möglichst viel Geld aus der Bundeskasse zu lobbyieren.
Das Argument, dass sich die Kantone diese Ausgaben nicht leisten können, ist schliesslich schlicht falsch. Die Kantone geniessen eine umfassende Steuer- und Ausgabenautonomie: Sie können selbst bestimmen, welche öffentlichen Angebote sie sich leisten wollen. Hinzu kommt, dass diverse Kantone derzeit finanziell besser dastehen als der Bund. Das an sich soll kein Grund darstellen, Aufgaben an die Kantone abzuwälzen. Aber es wäre der ideale Anlass, die föderale Aufgabenteilung in der Schweiz wieder ins Lot zu bringen. Das Ziel dabei ist klar: Die Kantone sollen dem Bund bei den ihnen zugeteilten Aufgaben künftig nicht mehr auf der Tasche liegen.
Dieser Beitrag ist in der «NZZ am Sonntag» vom 14. Juli 2024 erschienen.