Die Schweizer Medienpolitik wurde über die vergangenen Jahre kontrovers diskutiert. Anschauungsunterricht liefern etwa die Debatten rund um die «No Billag»-Initiative, die Einführung einer «Lex-Netflix» oder das Referendum zum Massnahmenpaket zugunsten der Medien. Dabei werden immer wieder auch Narrative bemüht, die sich kaum in den Daten spiegeln. Das Ziel der vorliegenden Blog-Serie ist daher, einen datenbasierten Diskussionsbeitrag zu leisten.
Drei Themen werden aufgegriffen:
- In diesem ersten Teil geht es um die Medienunternehmen, also wie deren wirtschaftliche Situation sich jüngst verändert hat.
- Im zweiten Teil geht es um die Medienschaffenden, also wie sich die Zahl der Erwerbstätigen im Journalismus entwickelt hat.
- Im dritten Teil geht es um die Rolle des Staates, also wie die Medienbranche subventioniert wird.
Eine Branche im Strukturwandel
Wie hat die Digitalisierung die Medienbranche über die vergangenen Jahre verändert? Im Prinzip wirkt sie sich sowohl auf der Ertrags- als auch auf der Kostenseite aus. Bei der Ertragsseite ist jeweils viel die Rede davon, dass die Werbeeinnahmen von traditionellen Medien zurückgegangen sind. Die folgende Abbildung zeigt genau das. Das Pandemie-Jahr 2020 ist jedoch mit Vorsicht zu interpretieren, so soll sich bereits 2021 die Situation auf dem Werbemarkt wieder erholt haben.
Während Radio und Fernsehen bis vor kurzem beim Werbeumsatz sogar noch zulegen konnten, mussten die Printmedien einen starken Rückgang hinnehmen. Der Rückgang fiel umso stärker aus, nachdem die Printmedien bis in die Nullerjahre hinein in einem Boom steckten, der unter anderem mit der Lancierung neuer Produkte – etwa Sonntags- oder Pendlerzeitschriften – einherging. Nach 2008 ging es aber rapide bergab.
Die Auflagen der Zeitungen sind in den vergangenen Jahren stark gesunken. Immer mehr Leute bevorzugten offenbar die Zeitungslektüre zu reduzieren oder ganz aufzugeben. Stattdessen wurde mehr und mehr Zeit in den Konsum von Online-Inhalten gesteckt. Wie zu erwarten, wurde denn auch online über die vergangenen Jahre mehr Werbung geschaltet – und das auch ausserhalb der Suchmaschinen und sozialen Medien.
Der Trend hin zum Online-Bereich wurde durch eine technologische Entwicklung im Werbemarkt verstärkt: Dem «Targeted Advertising». Statt in einer Zeitung ein teures Inserat zu platzieren und ungerichtet 200’000 Lesern anzuzeigen, kann im Internet Werbung gezielter jenen Personen angezeigt werden, die der Werbetreibende erreichen will.
Eine Kompensation auf dem Nutzermarkt…
Wie haben die Printmedien auf das wegbrechende Werbegeschäft reagiert? Unter anderem, indem die Preise für gedruckte Medieninhalte massiv erhöht wurden: Der Preisindex für Zeitungen und Zeitschriften ist seit dem Jahr 2000 rund sieben Mal stärker gestiegen als der allgemeine Landesindex der Konsumentenpreise.
Mit dieser Preissteigerung konnte zum Teil der Umsatzrückgang im Werbemarkt ausgeglichen werden. So hat beispielsweise die NZZ-Gruppe den Anteil der Nutzererträge an den Umsätzen von um die 20% Anfang der 2000er Jahre auf heute gegen 50% gesteigert – ein Effekt, der nur teilweise auf den Rückgang des Gesamtumsatzes sowie Konzernrestrukturierungen zurückzuführen ist.
… und bei den Kosten
Vor dem Hintergrund dieses Strukturwandels der Printmedien bringt der Blick auf die Profitabilität Überraschendes zu Tage. Ein bekanntes Mass für die Profitabilität ist die Ebitda-Marge – diese bezeichnet das Verhältnis des Betriebsgewinnes vor Steuern, Zinszahlungen und Abschreibungen zum Umsatz. Die Abbildung unten zeigt diesen Indikator für die grossen Schweizer Medienfirmen. Neben konjunkturell bedingten Einbrüchen in den Jahren 2001/02 sowie 2008/09 scheint die Profitabilität insgesamt keinem klar negativen Trend zu folgen.
Hinter der Profitabilitätsentwicklung dürfte unter anderem eine Reduktion auf der Aufwandseite stehen. Inwiefern es in der Medienbranche als Ganzes zu einem Stellenabbau gekommen ist, soll im nächsten Beitrag dieser Blog-Serie untersucht werden. Bei den Kosten fallen jedoch nicht nur die Gehälter ins Gewicht, sondern auch andere Posten. Und auch hier spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle.
Während die digitale Transformation in gewissen Bereichen Mehrinvestitionen bedingt, erlaubt sie gleichzeitig auch, bestehende Prozesse effizienter und damit kostengünstiger zu gestalten. Beispiele dafür sind ePaper, bei denen komplett auf Druck sowie Versand einer Zeitung verzichtet werden kann, oder moderne Smartphones, mit denen zusammen mit einem externen Mikrophon hochwertige Audio- und Video-Aufnahmen produziert werden können. Die Digitalisierung ermöglicht also eine schlankere und günstigere Produktion von Medieninhalten.
Ein Kommen und Gehen
Idealerweise würde man nicht nur die finanzielle Situation der grossen Schweizer Medienhäuser untersuchen. Kleinere oder mittelgrosse Medienunternehmen wie Somedia, ESH Médias oder die Gruppo Corriere del Ticino veröffentlichen aber nicht die dafür benötigten Geschäftszahlen. Es gibt jedoch Anzeichen, dass auch kleinere Unternehmen mit dem sich wandelnden Umfeld umgehen können. Die WoZ hat etwa zwischen 2009 und 2020 ihre Auflage um 30% erhöht. Die Erträge exklusive Spenden stiegen gar um über 40% von 3,7 Mio. Fr. auf 5,2 Mio. Fr.
Natürlich haben nicht alle Medienunternehmen derart gut gewirtschaftet, gewisse werden geschrumpft sein, Verluste eingefahren oder gar den Betrieb eingestellt haben. Das ist nichts Aussergewöhnliches und betrifft alle Branchen. Wie eine Analyse von Avenir Suisse kürzlich gezeigt hat, scheiden vom gesamten Firmenbestand in der Schweiz jährlich rund 6% bis 7% aus und werden durch etwas mehr neue Firmen ersetzt.
Auch Unternehmen der Medienbranche sind einem solchen Wandel unterworfen. Bei den stark vom Strukturwandel getroffenen Printmedien dürfte auch eine Konsolidierung stattgefunden haben. Laut dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) sind seit 2003 über 70 Zeitungstitel verschwunden. Doch diese Zahl zeigt nur die eine Seite der Medaille. Wie viele Medienfirmen in diesen 18 Jahren neu entstanden sind, dazu hat das Uvek auf Nachfrage keine Zahlen, und die BFS-Statistik zur Unternehmensdemografie weist nur Daten für die weit gefasste Branche «Information und Kommunikation» aus. Gerade im digitalen Medienbereich dürften viele Blogs, Podcasts und sonstige Medienangebote neu entstanden sein (vgl. Box).
Neue Geschäftsmodelle für digitale Medienfirmen
Im Online-Bereich wurden in den vergangenen Jahren diverse neue Medienprojekte lanciert. Zwei der bekanntesten Beispiele in der Deutschschweiz sind das 2014 lancierte News-Portal «Watson» sowie das 2018 gestartete Online-Magazin «Republik». Die beiden Geschäftsmodelle sind dabei komplett unterschiedlich. Während «Watson» sich auf den Werbemarkt abstützt, finanziert sich die «Republik» vollständig über Leser- und Spendenbeiträge.
Hinter «Watson» stehen unter anderem die AZ Medien. Deren Geschäftsbericht 2020 kann entnommen werden, dass das News-Portal derzeit bestens läuft: Im Covid-19-bedingten rückläufigen Werbemarkt habe «Watson» um 50% zugelegt. Auch bei der «Republik» scheint es wenig Grund für Klagen zu geben. Ganz ohne Rückgriff auf den Werbemarkt können schwarze Zahlen geschrieben und rund 30 Vollzeitäquivalente sowie diverse Freelancer finanziert werden; gerade in den ersten Jahren spielten dabei Spendengelder und Gönnerbeiträge eine wichtige Rolle.
Das Geschäftsmodell der «Republik» weist somit gewisse Parallelen zum Mäzenatentum- oder Stiftungsansatz auf, der in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. So hat beispielsweise die Basler Stiftung für Medienvielfalt neben der «Republik» weitere Medienprojekte wie «Bajour» oder «Journal B» unterstützt sowie «Watson» ein Darlehen von 2,5 Mio. Fr. für die Expansion in die Romandie gewährt. In der Westschweiz wurden derweil die Titel «Le Temps» und «Heidi.news» von der Stiftung Aventinus übernommen, die zum Ziel hat, die Medienvielfalt im französischsprachigen Teil der Schweiz zu stärken.
Die Medienbranche steckt also einmal mehr in einem Strukturwandel, der sowohl traditionelle Firmen wie auch Startups dazu zwingt, etablierte Geschäftsmodelle zu überdenken. Dabei spielen neue Finanzierungsmodelle, aber auch Kosteneinsparungen eine Rolle. Inwiefern die Reduktion der Kosten auch mit einem Personalabbau im Journalismus einhergegangen ist, wird im nächsten Beitrag dieser Blog-Serie näher untersucht. Teil 3 befasst sich schliesslich mit dem Umfang der Subventionen für die gesamte Branche.