Eine gesamtschweizerische Befragung sämtlicher Gemeinderäte und -präsidenten im Jahr 2011 (damals rund 15 000) erlaubt es, erstmals ein umfassendes Profil der Milizpolitiker in der Schweiz zu zeichnen.
Wenig junge Milizpolitiker, wachsender Frauenanteil
Bekanntlich beteiligen sich junge Leute weniger stark am politischen Leben. Dies zeigen zumindest die Studien über das Wahl- und Abstimmungsverhalten. Dasselbe gilt auch für die Mitglieder der Gemeinde exekutiven. Das Durchschnittsalter liegt bei 51 Jahren. In den kleinsten Gemeinden ist das Durchschnittsalter etwas tiefer, und dort finden sich auch die grössten Anteile der unter 45- beziehungsweise unter 35-Jährigen, während in den grossen Gemeinden und Städten die Exekutivmitglieder etwas älter sind, vor allem die Männer. Interessant ist schliesslich, dass mit dem Ausscheiden aus dem Berufsleben auch ein Ausscheiden aus der politischen Miliztätigkeit einherzugehen scheint. Exekutivmitglieder im Pensionsalter sind fast ebenso selten vor wie Exekutivmitglieder unter 35 Jahren.
Die Umfrage zeigt, dass der Frauenanteil in den Exekutiven in den letzten zwei Jahrzehnten markant gestiegen ist: 1988 lag der Frauenanteil in den Gemeinderäten der Schweiz noch deutlich unter 10%, und mehr als 60% der Gemeinden hatten keine Frau in ihrem Gemeinderat. 2009 lag der Frauenanteil bei 23,4%, und nur noch etwas mehr als 15% der Gemeinden haben keine Frauen in ihrer Exekutive. Allerdings fiel der grosse Anstieg des Frauenanteils in die 1990er-Jahre, seither ist der Zuwachs eher wieder abgeflacht. Besonders häufig vertreten sind die Frauen unter den Exekutivmitgliedern der SP und der Grünen, während die SVP den tiefsten Frauenanteil unter den grossen Parteien aufweist. Und was die Ämter anbelangt, fallen den Frauen vor allem die Ressorts Soziales, Gesundheit und Bildung zu.
Überdurchschnittlich gebildet und berufstätig
Bei den Milizpolitikern handelt es sich, auch was Bildung und beruflichen Hintergrund betrifft, nicht um einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung. Das Ausbildungsniveau der Gemeinderatsmitglieder liegt klar über dem Durchschnitt, und die sozioökonomisch besser gestellten Schichten sind übervertreten. Allerdings spiegelt sich auch die Struktur der Gemeinde in der Zusammensetzung der Exekutive, und die amtsspezifischen Anforderungen führen zu einer gewissen Selektion. So erstaunt es wenig, dass in kleinen ländlichen Gemeinden die Bauern besonders stark vertreten sind oder dass vor allem in mittelgrossen Gemeinden die selbständig Erwerbenden einen wichtigen Platz einnehmen, da sie die Anforderungen Flexibilität und zeitliche Verfügbarkeit klar besser erfüllen als Angestellte. Häufig geäusserte Klagen sind, dass es in den letzten Jahren deutlich schwieriger geworden sei, neben einem stark fordernden Beruf noch Platz für politisches Engagement zu finden, dies umso mehr, wenn man die Arbeitszeit nicht selbst bestimmen kann. Fachliche Herausforderungen und steigende Komplexität der Aufgaben dürften dafür verantwortlich sein, dass in den ganz grossen Gemeinden der Anteil der Mitglieder mit Universitätsabschluss bei gegen 50% liegt. Interessant ist schliesslich, dass die weiblichen Exekutivmitglieder lediglich zu 20% zusätzlich zum Exekutivamt einer vollen Erwerbstätigkeit nachgehen, während dieser Wert bei den Männern bei 80% liegt.
Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in dem Buch «Bürgerstaat und Staatsbürger – Milizpolitik zwischen Mythos und Moderne» (Kapitel Andreas Ladner: S. 105-24).