«Standortförderung» hört sich für viele gut an. Was der Bund darunter versteht, dürfte allerdings einige überraschen. Denn im Vordergrund steht nicht primär die Verbesserung der Rahmenbedingungen, um die Schweiz wettbewerbsfähiger zu machen. Vielmehr kommt ein Grossteil der Fördergelder dem Tourismus und der Regionalentwicklung zugute. Für die Jahre 2024–27 hat das Parlament insgesamt 429 Mio. Franken gesprochen – ein Plus von 15 Prozent gegenüber den Förderbeiträgen in der vorangehenden Legislatur. Man fragt sich, nicht nur angesichts der Schieflage bei den Bundesfinanzen: Ist diese Förderung sinnvoll?

Trittbrettfahren auf Kosten der Öffentlichkeit

Zweifel, was die Effizienz und Effektivität der Fördergelder angeht, bestehen bei der 110 Mio. Fr. teuren Tourismuspolitik des Bundes.1Zusätzlich profitiert die (Para-) Hotellerie seit 1996 von einem reduzierten Mehrwertsteuersatz von 3,7%. Der Bundesrat schätzt diesen Vorteil auf jährlich rund 180 Mio. Franken. Fragwürdig sind dabei die Subventionen für die Marketingorganisation Schweiz Tourismus. Ursprünglich wurde diese Organisation gegründet, um den aufgrund des Ersten Weltkriegs angeschlagenen Fremdenverkehr zu stützen, tat dies doch auch die Konkurrenz aus Österreich und Frankreich. Aus dieser «Anschubfinanzierung» ist eine ewige Aufgabe geworden. Bis heute kommt der Bund mehrheitlich für das Budget von Schweiz Tourismus auf. Der jährliche Beitrag beläuft sich zurzeit auf 58 Mio. Franken.2Zum Vergleich: In Deutschland beläuft sich der Bundesbeitrag für die staatliche Vermarktungsorganisation auf 40,5 Mio., in Österreich auf 30 Mio. Euro.

Sparschwein vor dem Matterhorn an sonnigem Tag mit zwei Gleitschirmfliegern im Hintergrund. (KI-generiertes Bild)

Wo der Bund nicht tätig sein müsste. (Ernie Ernst, Avenir Suisse, mit KI-Unterstützung)

Gewiss, wenn jemand für Schweizer Tourismusorte wirbt, haben davon auch diejenigen etwas, die sich nicht an der Werbeaktion beteiligen. Trittbrettfahren ist also attraktiv. Allerdings ist die Vermarktung der Destination Schweiz höchstens ein branchenweites öffentliches Gut. Bewirbt der Branchenverband die Schweiz in einer Kampagne im Ausland erfolgreich als Reisedestination, profitieren davon die Akteure im Tourismussektor. Es spricht daher einiges gegen eine Finanzierung solcher Kampagnen aus allgemeinen Staatsmitteln – zumal gewisse viel beworbene Hotspots mittlerweile über «Overtourism» klagen. Wenn man schon allgemeine Werbung schalten will, sollte dies die Branche über ihre Verbände selbst bewerkstelligen.

Beträchtliche Mitnahmeeffekte

Beträchtliche Summen fliessen in zwei weitere Pfeiler der Standortförderung: Innotour und die Neue Regionalpolitik (NRP). Erstere war ursprünglich als fünfjähriges Innovationsprogramm konzipiert und sollte helfen, die Krise im Tourismus Ende der 1990er Jahre zu überwinden. Obwohl diese Anpassungskrise längst vorbei ist, investiert der Bund immer noch 11 Mio. Fr. pro Jahr in die touristische Innovationsförderung. Im Rahmen der NRP fördert der Bund besonders Projekte in Berggebieten, dem weiteren ländlichen Raum sowie in den Grenzregionen. Finanziert werden diese aus dem Fonds für Regionalentwicklung. Dieser war per Ende 2023 mit 1,1 Mrd. Fr. so üppig ausgestattet, dass die Frage erlaubt sein muss, ob die Äufnung des Fonds nicht längst hätte sistiert werden sollen. Damit würde der Bund immerhin 30 Mio. Fr. pro Jahr einsparen.

Aus dem Fonds sind jährlich Zuschüsse und Darlehen von je rund 50 Mio. Franken für NRP-Projekte reserviert. Diesen Förderbeiträgen wird oft grosse Hebelwirkung zugeschrieben. Durch jeden vom Bund investierten NRP-Franken würden rund vier zusätzliche Franken für die regionalwirtschaftliche Entwicklung mobilisiert, heisst es. Da die Co-Finanzierung der Projekte vielfach zur Auflage gemacht wird, lässt sich kaum abschliessend beantworten, ob die NRP-Gelder effizient und effektiv eingesetzt werden.

Wichtiger für die Beurteilung, ob die Subventionen mit volkswirtschaftlich schädlichen Effekten einhergehen, sind Mitnahmeeffekte: Werden private Projekte finanziert, die auch ohne öffentliche Gelder umgesetzt worden wären? Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) stellt der Tourismusförderung in dieser Frage in einer Untersuchung von 2022 kein gutes Zeugnis aus. So wären laut EFK rund 40 Prozent der im Rahmen der NRP geförderten Bergbahn- und Hotellerieprojekte auch ohne staatliche Subventionen durchgeführt worden. Zwei von fünf Steuerfranken flossen in der Vergangenheit somit direkt in die Taschen von Privaten, ohne dass die Förderung zusätzliche Projekte angestossen hätte.

Strukturwandel zulassen

Im Fall des Tourismus werden Fördergelder gerne mit Verweis auf die Bedeutung der Branche für die lokale Wertschöpfung und Arbeitsplätze gerechtfertigt. Kaum je wird aber gefragt, was passieren würde, wenn die Subventionen wegfielen.

Möglicherweise müssten die Unternehmen der Tourismusbranche ihre Preise etwas erhöhen oder ihre Strategie anpassen, um die zusätzlichen Marketingkosten oder Infrastrukturausgaben einzuspielen. Unternehmer und Unternehmerinnen, die schon heute um die Existenz kämpfen, müssten sich allenfalls eine andere Beschäftigung suchen. Dann sorgen sie an dem neuen Ort für Wertschöpfung. Diesen Strukturwandel in den Regionen sollte die Politik nicht aufhalten – so wie sie auch keine Stahlfirmen oder Glasproduzenten stützen sollte, die in Schwierigkeiten geraten sind.

Wie viele andere Förderbereiche krankt auch die Standortförderung daran, dass über die Jahre mehr und mehr Förderinstrumente eingeführt und diverse temporäre Massnahmen immer wieder verlängert wurden. Viel zu selten wird analysiert, ob die gesprochenen Subventionen langfristig sinnvoll und wie hoch die Mitnahmeeffekte sind. Würde die Standortförderung sich primär auf die Förderung der allgemeinen Rahmenbedingungen beschränken, käme das nicht nur dem Bundeshaushalt, sondern auch dem Gemeinwohl zugute.

Sparpotenzial im Bundeshaushalt: jährlich rund 100 Mio. Franken

 

Regionalentwicklung: jährlich bis zu 30 Mio. Fr.

Tourismus: jährlich bis zu 70 Mio. Fr.

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