Der Konzernchef der Münchener Rück, Nikolaus von Bomhard, gab sich an der letzten Semesterkonferenz des grössten Rückversicherers der Welt vom 7. August als Anhänger des Trennbankensystems zu erkennen. Er reihte sich damit in eine Reihe illustrer Persönlichkeiten, die mittlerweile vom ehemaligen US- Notenbankpräsident Paul Volcker über den früheren Chef der amerikanischen Citygroup Sandy Weill bis zum SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel reicht, und die alle das klassische Kundengeschäft der Banken vom riskanten Investmentbanking trennen möchten.
Dass sich jetzt auch noch ein prominenter Vertreter der Versicherungswirtschaft in diesem Sinne «outet», wäre somit nicht weiter erwähnenswert. Vielmehr überrascht seine Begründung. So sei von den als systemrelevant eingestuften Banken der «Beleg des volkswirtschaftlichen Nutzens» umstrittener Geschäftsbereiche einzufordern. Das wirft eine ganze Reihe grundsätzlicher theoretischer, organisatorischer und ordnungspolitischer Fragen auf.
Wer soll den Nutzen bestimmen?
Zunächst ist einmal zu fragen, wie dieser Test ausgestaltet sein und wer ihn durchführen soll. Vor allem würde interessieren, welche Banken als systemrelevant gelten und nach welchen Kriterien der volkswirtschaftliche Nutzen beurteilt werden soll. Leider wird darauf im Vorschlag von Nikolaus von Bomhard nicht weiter eingegangen. Zu fragen ist auch, warum die Versicherer, die bekanntlich zu den wichtigsten Finanzierern des Bankensystems gehören, diesen Test nicht einfach selbst durchführen und z.B. Obligationen und Aktien jener Institute, die den Test aus ihrer Sicht verfehlen, aus dem Anlagenportfolio verbannen.
Offensichtlich muss es um mehr gehen, als einfach die Wertpapiere von systemrelevanten Banken aus der strategischen Asset Allocation zu streichen, hat die Presse den Vorstoss kommentiert. Denn die Forderung nach einem Trennbankensystem ist heute weder besonders revolutionär noch originell, steht sie doch schon seit einiger Zeit auf der Wunschliste zahlreicher Politiker und Aufsichtsbehörden.
Sollte es nach Bomhards Vorschlag jedoch darum gehen, dass eine unabhängige öffentliche oder staatliche Stelle über den «volkswirtschaftlichen Nutzen» urteilt, so begäbe man sich auf ein abschüssiges und glitschiges Gelände. Zunächst ist der Begriff des «volkswirtschaftlichen Nutzens» alles andere als klar. Das ökonomische Nutzenkonzept ist nicht nur sehr breit, sondern auch inhaltlich ziemlich vage. Allein auf mikroökonomischer Ebene streiten sich die Ökonomen seit Jahrhunderten über die Frage, ob Nutzen überhaupt messbar und, wenn ja, wie und ob er auch interpersonell vergleichbar ist. Noch komplizierter wird es, wenn die individuellen Nutzen zu einer gesamtwirtschaftlichen Nutzenfunktion aggregiert werden sollen. Auch die Kosten-Nutzen-Analyse, die gerne als «Second-best»-Lösung zu Rate gezogen wird, hilft häufig nicht weiter. So überrascht es denn auch nicht, dass im Schlagwortverzeichnis des heute wohl verbreitetsten Lehrbuchs «Grundzüge der Volkswirtschaftslehre» von Gregory N. Mankiw der Begriff des volkswirtschaftlichen Nutzens gar nicht vorkommt.
Die Politik darf keine Geschäftsmodelle vorschreiben
Im marktwirtschaftlichen System ist nämlich die einzelne Wirtschaftseinheit – ob Unternehmen, Betrieb oder Haushalt – die oberste Legitimationsinstanz. Sie weiss im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen am besten, wie sie den grössten Nutzen erreicht. Voraussetzung dafür ist, dass genügend Wettbewerb besteht, damit die Wirtschaftseinheiten alle Informationen bekommen, die sie zur Bewertung ihrer verschiedenen Handlungsalternativen brauchen. Darauf beruht letztlich die Leistungsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Systems. Eine staatliche Nutzenkontrolle wäre gleichsam der Sargnagel dieser Ordnung.
So sehr man Verständnis dafür haben kann, das klassische Einlagen-und Kreditgeschäft von den Handelsrisiken abzuschotten: Es kann in einem liberalen Wirtschaftssystem nicht Aufgabe der Politik sein, Geschäftsmodelle vorzugeben und über gute und schlechte Bankgeschäfte zu richten. Die Politik hat ausschliesslich die geeigneten Rahmenbedingungen für ein stabiles Bankensystem, insbesondere die Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen, festzulegen und dafür zu sorgen, dass diese auch eingehalten werden. Es ist erfreulich, dass Thomas Jordan, der Präsident der Schweizerischen Nationalbank, am letzten «Capital Market Forum» vom 3. September 2012 diese Zusammenhänge wieder in Erinnerung gerufen hat.