Kann der bilaterale Weg nicht auf eine rechtssichere Vertragsgrundlage gestellt werden, werden sich nicht nur politische, sondern auch ökonomische Erosionserscheinungen zeigen. Ohne Aktualisierung des Abkommens über die technischen Handelshemmnisse (MRA) können allein für die drei von Avenir Suisse untersuchten Branchen Medtech, Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie sowie Chemie und Pharma Kosten einmalig bis zu 1,7 Mrd. Fr. und jährlich wiederkehrend bis zu 1,3 Mrd. Fr. anfallen. Schweizer Unternehmen dürften aufgrund ihrer starken Stellung und internationalen Ausrichtung weiterhin wettbewerbsfähig sein, nur würden sie ihre Tätigkeiten künftig wohl weniger vom Heimmarkt aus verfolgen. Bereits heute entwickeln sich mehrere Indikatoren der wirtschaftlichen Attraktivität unseres Landes negativ, weil die politische Schweiz weder die Kraft für europapolitische Entscheide noch für entschiedene inländische Reformen aufbringt.
Der Bundesrat tut sich seit Jahren schwer mit seinem Entscheid über die zukünftige Ausgestaltung des bilateralen Verhältnisses unseres Landes mit der EU, der mit Abstand wichtigsten Handelspartnerin. Mit den bilateralen Verträgen wurde eine rechtliche Grundlage geschaffen, die für die EU eine Zwischenlösung darstellen – mehr als Freihandelsabkommen, aber weniger als eine EWR-Mitgliedschaft – und aus Sicht der Schweiz möglichst dauerhaft die Beziehungen regeln soll. Damit dies möglich ist, gilt es die dynamische Weiterentwicklung des Bilateralismus zu ermöglichen. Das dafür notwendige Abkommen (Wording EU-Kommission) bzw. der Entwurf (Wording Bundesrat) liegt in Form des institutionellen Abkommens (InstA) seit dem 23. November 2018 auf dem Tisch.
Gemäss den offiziellen Verlautbarungen der EU würden ohne den Abschluss des InstA die laufenden bilateralen Verträge nicht mehr aktualisiert; auch neue sektorielle Marktteilnahmeabkommen könnten nicht mehr abgeschlossen werden. Befürworter des InstA warnen vor einer Erosion der bilateralen Beziehungen, da in Zukunft ohne dynamische Rechtsharmonisierung neue rechtliche Hürden für Schweizer Unternehmen für den Zugang zum EU-Binnenmarkt entstehen würden. Wirtschaftsakteure aus der Schweiz müssten dann den administrativ-aufwändigen Nachweis erbringen, dass sie beim grenzüberschreitenden Handel die relevanten EU-Vorgaben einhalten (sofern dies von den EU-Behörden als gleichwertig anerkannt wird). Da sich das EU-Recht nur schrittweise ändert, dürften sich die Nachteile dieser Entwicklung für den Schweizer Unternehmensstandort erst sukzessive zeigen.
Der Prozess der Entkoppelung hat aber bereits eingesetzt. Seit Mitte 2019 erkennt die EU die Gleichwertigkeit des Schweizer Rechts- und Aufsichtsrahmens für die Börse nicht mehr an. 2021 dürfte gleiches den Medizintechnik-Richtlinien widerfahren, und voraussichtlich 2023 den Normen für Maschinen. Weitere mögliche Bereiche betreffen die zukünftige Forschungszusammenarbeit, den sich abzeichnenden sukzessiven Ausschluss aus dem EU-Strommarkt, das fehlende Finanzdienstleistungsabkommen oder die Nicht-Anerkennung der Äquivalenz des Datenschutzes beim boomenden Online-Handel. Das «jüngste Opfer» der fehlenden Fortschritte beim InstA ist die SBB: Die Beteiligung der Schweizerischen Bundesbahnen an der neuen EU-Initiative für Innovation im Schienenverkehr wurde sistiert.
Objektivierung der europapolitischen Diskussion auf Basis von Daten notwendig
Da die genaue Ex-ante-Quantifizierung der Kosten eines ausbleibenden InstA aufgrund der heutigen Datenlage kaum umfassend möglich ist, wird die öffentliche Diskussion pro und contra InstA vorab mit qualitativen und nicht quantitativen Grössen geführt. Je nach Emotionalität der Debatte gleiten solche «qualitativen» Argumenten in subjektiv geprägte Annahmen oder gar Behauptungen ab. Zur Objektivierung der Diskussion wären Datengrundlagen hilfreich. Erstaunlicherweise stellt der Bundesrat kaum solche Daten bereit, die zur Versachlichung der europapolitischen Diskussion beitragen könnten.
Anlass genug für uns, dies zu tun. Neben der Übersicht der Kostenfaktoren im Falle einer Erosion der Bilateralen haben wir als Fallbeispiel die kostenmässigen Auswirkungen des Ausbleibens des MRA (Abkommen über die technischen Handelshemmnisse) anhand von drei ausgewählten Branchen untersucht.
Kostenfaktoren im Falle einer Erosion der Bilateralen
Die Folgen einer Erosion der Bilateralen (im Fall der fehlenden Aktualisierung laufender bilateraler Verträge und dem ausbleibenden Abschluss neuer sektorieller Abkommen) werden nicht von einem Tag auf den anderen sichtbar, sondern die wirtschaftlichen Nachteile werden sich langsam summieren. Die Kosten einer solchen Erosion setzen sich für die Unternehmen und den Standort Schweiz vor allem aus drei Faktoren zusammen:
- Einmalige Anpassungskosten
- Aufbau oder Ausbau komplementärer Niederlassungen von Schweizer Unternehmen im EU-Raum.
- Auf- oder Ausbau substitutiver Kapazitäten im EU-Binnenmarkt, d.h. beispielsweise Verlagerung Forschung und Produktion aus der Schweiz verbunden mit einem Abbau hierzulande.
- Wiederkehrende zusätzliche Kosten
- Aufrechterhaltung der neuen, komplementären Strukturen, die aufgrund des fehlenden InstA aufgebaut wurden.
- Entgangenes Wachstumspotenzial
- Geschäfte, die bei einer gleichbleibenden Marktteilnahme (vor einer Erosion der Bilateralen) hätten abgeschlossen werden können – nun aber nicht mehr möglich sind, z.B. aufgrund höherer Kosten.
- Geschäfte, die bei weiteren, sektoriellen Markteilnahme-Abkommen (dafür ist das InstA eine Voraussetzung) hätten abgeschlossen werden können, z.B. Finanz- oder Strombranche.
- Erweiterungsinvestitionen, die im EU-Raum statt in der Schweiz getätigt werden, weil der Zugang zum EU-Binnenmarkt so einfacher wird.
Fallbeispiel Erosion MRA: Zusatzkosten für drei ausgewählte Branchen
Dank der bilateralen Verträge sichert sich die Schweiz als Drittland eine weitgehend gleichberechtigte Marktteilnahme – und nicht nur einen präferenziellen Zugang über ein Wirtschaftsabkommen (wie das Vereinigte Königreich nach dem Brexit). Ein Hauptunterschied liegt in der bisher gegenseitig anerkannten Äquivalenz der relevanten Gesetze und Normen, die auf der Basis des Abkommens über die technischen Handelshemmnisse (MRA) stattgefunden hatten. Dies hat den Austausch von Waren und Dienstleistungen, letztlich aber auch von Kapital und Arbeitskräften stark erleichtert. Im grenzüberschreitenden Warenverkehr sind heute nicht mehr Zölle das grösste Handelshemmnis, sondern technische Vorschriften. Das MRA zwischen der Schweiz und der EU führte zu einer Harmonisierung der Anforderungen, es deckt insgesamt 20 für den Export relevante Produktsektoren ab, etwa Pharmazeutika, Chemikalien, Maschinen, Medtech, elektronische Geräte, Baumaschinen und -materialien, Aufzüge oder Seilbahnen.
MRA-Nutzen von jährlich rund 2 Mrd. Franken
Diese Rechtsharmonisierung ermöglicht, dass in Bereichen, in denen zuvor aufgrund unterschiedlicher Rechtsvorschriften zwei unterschiedliche Produktausführungen (für die Schweiz und die EU) nötig waren, nur noch eine Produktausführung für beide Märkte erforderlich ist. Damit liegen die Produktions- und Bürokratiekosten tiefer als ohne MRA. Mit dem MRA kann eine doppelte Konformitätsprüfung vermieden werden, d.h. dass schweizerische Produkte bei ihrem Export in den EU-Binnenmarkt nicht noch einmal durch eine von der EU benannten Stelle auf Konformität geprüft werden müssen. Der Nachweis einer Schweizer Prüfung genügt.
Technische Vorschriften entwickeln sich laufend weiter. Um das ordnungsgemässe Funktionieren und die Aktualität des MRA zu gewährleisten, wurde aus Vertretern beider Vertragsparteien ein gemischter Ausschuss gebildet. Er kann durch eine gemeinsame Entscheidung das Abkommen aktualisieren. Stimmt eine Partei nicht zu, steht ihr das Beschreiten des Rechtswegs nicht offen, stattdessen muss auf politischer Ebene eine Lösung gefunden werden.
Das InstA würde hier mit einem Instanzenzug sowie der Möglichkeit von Ausgleichsmassnahmen einen klaren juristischen Weg vorgeben. Der heutige, letztlich machtbasierte Ansatz würde einem regelbasierten System weichen, das aufgrund des asymmetrischen wirtschaftlichen und politischen Kräfteverhältnisses ein Vorteil für die Schweiz wäre.
Ein Viertel aller Schweizer Exporte profitiert vom Abkommen über die technischen Handelshemmnisse, 2019 waren dies Waren im Wert von über 76 Mrd. Fr. (69 % der Industriegüterexporte in die EU-27). Zum Vergleich: Beim präferenziellen Marktzugang über das Freihandelsabkommen Schweiz–Japan beträgt die Nutzungsrate nur ungefähr die Hälfte.
Der jährliche Nutzen des MRA für die Schweizer Volkswirtschaft wird auf knapp 2 Mrd. Fr. geschätzt. Die ausbleibende Anpassung des MRA wird unmittelbar – bereits am 26. Mai 2021 – die Schweizer Medizintechnikbranche treffen: Ab diesem Datum werden die Schweizer Medtech-Regelungen (Stand anfangs Mai 2021) von der EU nicht mehr als gleichwertig anerkannt, und Schweizer Hersteller müssen ihre Produkte fortan im EU-Raum zertifizieren lassen.
Die Forderung der Medtech-Unternehmen nach «verlässlichen politischen Rahmenbedingungen» hat gegenüber 2018 deutlich zugenommen – dies als direkte Folge des unsicheren zukünftigen Zutritts zum EU-Binnenmarkt. Zwei Drittel der Schweizer Medtech-Unternehmen benennen die politischen Rahmenbedingungen in der Schweiz als zweitgrösste Herausforderung, nach dem Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften (mit 71%).
Die stark exportorientierte Branche hat bereits begonnen, darauf zu reagieren. Laut einer Umfrage des Branchenverbandes ist der Anteil der Unternehmen, die nur im Ausland produzieren, zwischen 2017 und 2019 von 7% auf 17% sprunghaft gestiegen. Umgekehrt produzierten 2019 noch 35% der Medtech-Unternehmen ausschliesslich in der Schweiz – gegenüber 63% im Jahr 2011.
Zwar wird weiterhin in der Schweiz investiert, doch das grössere Wachstum scheint im Ausland stattzufinden. Einzelne Unternehmen haben gar damit begonnen, Arbeitsplätze in die EU auszulagern.
Auch bei den Importen zeichnen sich Veränderungen ab: Sollte das MRA bis zum erwähnten Datum nicht aktualisiert sein, will der Bundesrat die Änderung der Medizinprodukteverordnung (Eventual-MepV) in Kraft setzen. Diese erschwert gegenüber heute den Import von Medtech-Produkten in die Schweiz. EU-Hersteller erhalten allerdings (über den 26. Mai 2021 hinausgehend) etwas mehr Zeit, um einen rechtlich Bevollmächtigten in der Schweiz zu ernennen und ihre Produkte in der Schweiz zu registrieren.
Da die Fristen (teilweise nur bis Ende 2021) jedoch knapp bemessen sind, könnten ausländische Hersteller ihre Strategie überprüfen und zum Schluss kommen, dass sich der Zusatzaufwand für den Schweizer Markt – gegeben seine Grösse – nicht auszahlt. So werden die Kosten ausländischer Hersteller bei Exporten in die Schweiz auf einmalig 50 Mio. Fr. und 30 Mio. Fr. jährlich wiederkehrend geschätzt. Spitäler und Patientenorganisationen befürchten bereits Versorgungsengpässe, während der Bund aufgrund der gewährten Übergangsfristen keine negativen Konsequenzen erwartet.
Bis zu 1,7 Mrd.Fr. einmalige Anpassungs- und 1,3 Mrd. Fr. jährliche Mehrkosten
Schweizer Unternehmen müssen, wollen Sie neben der EU auch weiterhin den heimischen Markt bedienen, ebenfalls eine doppelte Konformitätsbewertung vornehmen. Für die Schweizer Medtech-Branche werden die einmaligen Anpassungskosten auf rund 110 Mio. Fr. geschätzt, die meisten davon dürften bereits angefallen sein: Die Verordnung über Medizinprodukte trat bereits 2017 in Kraft, mit einer Übergangsfrist von drei Jahren für Hersteller von bereits zugelassenen Produkten. Diese Frist wurde aufgrund der Pandemie um ein Jahr verlängert. Die Branche rechnet künftig mit rund 75 Mio. Fr. zusätzlichen administrativen Kosten, um die erodierende Marktteilnahme auszugleichen.
Weil der Anteil der von Drittstellen zertifizierten Produkte in der MEM-Industrie geringer als in der Medtech-Branche ist und die Selbstdeklaration stärker verbreitet, fallen die Kosten für die Maschinenindustrie im Vergleich zur Medtech-Branche – gemessen am Exportvolumen in die EU – voraussichtlich geringer aus. Der obere Wert der Bandbreite in Tabelle 1 zeigt den Wert für die Maschinenindustrie, wenn die gleichen Relationen wie bei der Medtech-Branche angewandt werden (vgl. Erklärungen zur Methodik in der Tabelle), als unterer Wert wird die Hälfte der Medtech-Relation angenommen.
Die pharmazeutische Industrie schätzt für die Konformitätsanerkennung jährlich wiederkehrende Mehrkosten von 150 Mio. bis 300 Mio. Fr., dies inkludiert noch nicht die Zahlen für die chemische Industrie. Als unterer Wert werden konservativ gerechnet 250 Mio. Fr. angenommen, der obere Wert leitet sich wiederum aus der Medtech-Relation ab. Für die chemisch-pharmazeutische Industrie ökonomisch ins Gewicht fallen vor allem Verzögerungen, die «Time-to-market-Prozesse» werden länger.
Anpassungskosten in Mio. Fr. | Mehrkosten in Mio. Fr. |
|
Medtech-Branche | ||
Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie | ||
Chemisch-Pharmazeutische Industrie | ||
Total | ||
Quellen : Eigene Berechnungen basierend auf Eidgenössische Zollverwaltung, Swiss Medtech, Swissmem |
---|
Methodik
Die von der Branche erhobenen einmaligen und wiederkehrenden MRA-Kosten für die Schweizer Medtech-Industrie wurden in einem ersten Schritt ins Verhältnis gesetzt zum Export der Branche in den EU-Binnenmarkt. In einem zweiten Schritt wurden die errechneten Relationen für die Kosten auf die Exportvolumina weiterer Branchen angewandt. Die so errechneten Werte werden – in einem dritten Schritt – als maximale oder obere Werte einer Kosten-Bandbreite betrachtet. Wo keine branchenspezifischen Zahlen erhältlich waren, wurden – in einem vierten Schritt – als untere Werte die Hälfte der errechneten Kosten angenommen. Dies soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die Branchen unterschiedlich hohe Anforderungen für die Konformität erfüllen müssen. In einem fünften und letzten Schritt wurden die Zahlen mit anderen relevanten Branchen abgeglichen. Bedingt durch die Datengrundlage und die angewandte Methodik handelt es sich in allen Fällen stets um Näherungswerte, die nur einen Teil der MRA-Kosten eines InstA-Neins darstellen.
In den Zahlen der Tabelle nicht berücksichtigt sind die dynamischen Effekte einer ausbleibenden Aktualisierung des MRA für alle drei betrachteten Branchen. Sollte die Zertifizierung in der Schweiz nicht mehr anerkannt werden und wird das Aufsuchen einer in der EU angesiedelten Zertifizierungsstelle notwendig, dann besteht das Risiko, dass weitere betriebliche Aktivitäten aus der Schweiz in die EU verlagert werden. Diese Kosten lassen sich jedoch zum heutigen Zeitpunkt kaum quantifizieren.
Es ist vorstellbar, dass Schweizer Unternehmen – wie das heute bereits bei Gasverbrauchseinrichtungen, Heizkesseln, Messmitteln und Fertigpackungen der Fall ist – ihre Produkte gemäss den technischen Vorschriften der EU herstellen. Die Schweiz könnte dann die EU-Vorgaben und Prüfung einseitig anerkennen; ein solcher Schritt müsste durch die Politik in Bern erfolgen. Ohne eine einseitige Anerkennung könnte die Situation eintreten, dass ein Unternehmen in der Schweiz Waren fertigt, die in der EU, aber nicht in der Schweiz zugelassen sind. Das Beharren auf eigenen technischen Vorschriften wäre überdies für viele Branchen (Investitionsgüter), Konsumenten und auch die öffentliche Hand nachteilig, da EU-Produkte technisch allenfalls auf den Schweizer Standard umgerüstet werden müssten, was die Schweizer Preise zusätzlich erhöhen würde.
Folgerung: Politische und ökonomische Erosionserscheinungen abwenden
Es ist offensichtlich: Die ökonomischen und kostenmässigen Auswirkungen (einmalig und wiederkehrend) bei einer Erosion der Bilateralen bzw. fehlenden rechtsvertraglichen Grundlage zur Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen sind nur schon am Fallbeispiel MRA hoch, obwohl diese Untersuchung allein auf drei Branchen fokussiert. Diese Analyse widerspiegelt damit nur einen Bruchteil der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen. So sind in diesem Beitrag die zu erwartenden Zusatzkosten infolge ausbleibender Strom- und Forschungsabkommen nicht berücksichtigt, ebenso wenig wurden die Opportunitätskosten für Finanzdienstleister infolge nicht realisierbarer Wachstumspotenziale einbezogen. Die Kostenfolgen einer bilateralen Erosion für die Schweiz sind über alle Branchen hinweg klar höher einzuschätzen.
Kann der bilaterale Weg zukünftig nicht auf eine rechtssichere Vertragsgrundlage gestellt werden, werden sich nicht nur politische, sondern auch ökonomische Erosionserscheinungen zeigen. Dessen muss sich die Bundespolitik in der europapolitischen Diskussion vermehrt bewusst werden. Das «Muddling through», die klassische helvetische Art der Regierungspolitik, ist keine valable Option mehr: Wenn die Rechtsunsicherheit über die zukünftige Ausgestaltung des bilateralen Wegs weiter wächst und die marktwirtschaftliche Erneuerung im Landesinnern ausbleibt, steigt das Risiko, dass Schweizer Unternehmen ihre Aktivitäten vermehrt in den EU-Binnenmarkt oder auch in Drittstaaten verlegen, um die entgangenen Chancen aufzufangen. Schweizer Unternehmen dürften aufgrund ihrer starken Stellung und internationalen Ausrichtung weiterhin wettbewerbsfähig sein, nur würden sie ihre Tätigkeiten künftig wohl weniger vom Heimmarkt Schweiz aus verfolgen. Bereits heute entwickeln sich mehrere Indikatoren der wirtschaftlichen Attraktivität unseres Landes negativ, weil die politische Schweiz weder die Kraft für europapolitische Entscheide noch für entschiedene inländische Reformen aufbringt. Doch weder das Negieren noch das Aussitzen dieser Entwicklung ist auf Dauer ein zielführender Ansatz.