Arbeiten im Alter liegt im Trend, und dies nicht nur bei Rockbands. In vielen europäischen Ländern hat in den letzten Jahren die Erwerbsbeteiligung jenseits des Rentenalters stark zugenommen, wenn auch oft mit reduziertem Pensum. In der Schweiz liegt die Erwerbsquote der Ü65 bei fast 13%; das ist ein Drittel mehr als im Jahr 2005. Ähnliches gilt für die 55- bis 64-Jährigen: hier hat die Partizipation am Arbeitsmarkt von 64% im Jahr 1996 auf 75% zugenommen (siehe Grafik).
Blickt man jedoch weiter zurück, stellt man fest, dass früher die Altersarbeit deutlich häufiger auftrat. Um 1900 war sie sogar die Norm: In Frankreich waren 54% der Ü65 erwerbstätig, in Deutschland 58% (für die Schweiz sind keine entsprechenden Daten vorhanden). Langfristig betrachtet folgte also die Erwerbsquote in Europa einen U-förmigen Verlauf. Der Tiefpunkt fand Mitte der 1990er Jahre statt. Seitdem nimmt die Erwerbsquote der älteren Semester stetig zu.
Wie lässt sich dieser Anstieg erklären? Gerade in der historischen Perspektive erweisen sich zwei oft gehörte Thesen als wenig stichhaltig:
- Der Gesundheitszustand der älteren Bevölkerung hat sich zwar laufend verbessert, allerdings findet diese Entwicklung bereits seit mehr als 100 Jahren statt, nicht erst in den letzten drei Jahrzehnten. Die Trendwende lässt sich damit nicht erklären.
- Ähnliches gilt für das steigende Bildungsniveau: Immer wieder wird behauptet, dass nur hochqualifizierte ältere Mitarbeiter eine Chance auf dem Arbeitsmarkt hätten. Bei den erwerbstätigen Ü65 sind Akademiker mit 44% tatsächlich stark überrepräsentiert, obwohl in dieser Altersklasse nur 23% über einen Abschluss auf Tertiärstufe verfügen. Doch das Bildungsniveau der Bevölkerung hat nicht erst seit der Mitte der 1990er zugenommen.
Stichhaltigere Gründe für die höhere Erwerbsquote der älteren Semester liefert eine kürzlich erschienene Studie von internationalen Sozialversicherungsexperten.
Zum ersten weisen die Experten auf die Reformen der Altersvorsorge hin, die in vielen Ländern in den 1990er Jahren stattgefunden haben. In Italien beispielsweise wurde 1996 ein Mindestrentenalter von 52 Jahren (sic) eingeführt, das schrittweise auf 63 erhöht wurde. Daraufhin stellte man einen starken Anstieg der Beschäftigung in diesen Altersklassen fest. Ähnliches lässt sich in Japan, Deutschland und in den nordischen Ländern beobachten. Sogar in der Schweiz, wo eine strukturelle Reform noch aussteht, hat die schrittweise Erhöhung des Rentenalters der Frauen von 62 auf 64 Jahre zu einem unmittelbaren Anstieg ihrer Erwerbsbeteiligung geführt.
Ausschlaggebend für den Anstieg der Erwerbsquote dürfte aber die zunehmende Arbeitsmarktpartizipation der Frauen gewesen sein. Früher schieden viele Frauen nach der Geburt des ersten Kindes vom Arbeitsmarkt aus. Seit den 1990er Jahren ist das seltener der Fall. Dies wirkt sich nun auch auf die Beschäftigung der inzwischen älteren Frauen aus. Der geschlechtsspezifische Gap in der Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen konnte in den letzten 30 Jahren halbiert werden: heute beträgt er nur 14 Prozentpunkte (statt 31 im Jahr 1996).
Interessanterweise übte dies auch einen Effekt auf die Arbeitsmarktpartizipation der Männer aus. Womöglich ziehen es Paare vor, gleichzeitig in den Ruhestand zu treten. Da die Frauen länger arbeiten, bleiben ihre Partner ebenfalls länger erwerbstätig. Der Effekt ist erheblich: Die Studie schätzt, dass rund ein Drittel der Zunahme der Arbeitsmarktpartizipation der älteren Männer auf die längere Erwerbsbiografie der Frauen zurückzuführen ist.
Zugegeben, Korrelationen lassen nicht auf Kausalzusammenhänge schliessen. Dafür sind eingehendere Studien notwendig. Dennoch dürfte nebst dem gesetzlichen Rentenalter und den weiteren Parametern der Altersvorsorge auch das veränderte Erwerbsverhalten der Frauen eine entscheidende Rolle bei der Zukunft der Altersarbeit spielen. Mit einer weiteren Tour der Rolling Stones ist auf jeden Fall zu rechnen.