Am vergangenen Freitag hat die Fussball-EM begonnen. Im Auftaktspiel gelang Deutschland gegen Schottland ein 5:1-Sieg. Doch gerade für das Gastgeberland geht es letztlich um mehr als Sport. Die Fussball-EM und die anstehende Sommer-Olympiade in Paris gehören zur Kategorie der Mega-Events, bei denen Milliarden im Spiel sind – und daher immer auch die Politik auf dem Platz steht. Fünf elementare Grundprinzipien der Ökonomie werden dabei mit Vorteil beachtet.

1. Fehlendes Wissen kostet. Die Zuschläge für Mega-Events werden oft in aufwändigen Bewerbungsverfahren vergeben. Auf der einen Seite steht jeweils ein internationaler Sportverband, auf der anderen Seite stehen die potenziellen Austragungsorte. Für letztere ist der ganze Prozess meist eine einmalige Angelegenheit, weshalb eine Informationsasymmetrie besteht: Die Austragungsorte haben weniger Wissen über die Rahmenbedingungen eines solchen Sportanlasses als die internationalen Sportverbände.

Unter anderem dieses fehlende Wissen führt dazu, dass die Austragungsorte die Kosten regelmässig zu niedrig kalkulieren und schliesslich hohe Defizite schreiben. So wurden etwa die Kosten für London Olympia 2012 bei der Bewerbung 2005 auf 2,4 Mrd. Pfund geschätzt, zwei Jahre später musste diese Zahl schon auf 9,3 Mrd. Pfund korrigiert werden. Dieses Problem ist schwer zu entschärfen. Am besten würde man sich als Austragungsort auf wiederkehrende Grossanlässe konzentrieren, so dass institutionelles Wissen aufgebaut werden kann – Beispiel dafür sind etwa der Ski-Weltcup in Adelboden oder das WEF in Davos.

2. Vor- und Nachteile sind schwer fassbar. Das Problem von fehlendem Wissen bei der Bewerbung um einen Mega-Event wird verschärft dadurch, dass die Vorteile meist wolkig sind. Die von Befürwortern von Grossanlässen ins Feld geführten Argumente sind aus ökonomischer Sicht in der Regel schwer zu quantifizieren. Es handelt sich um positive Externalitäten wie ein Image-Gewinn des Gastgeberlandes oder die Stärkung des nationalen Zusammenhalts. So ist bei einigen die Fussball-WM 2006 in Deutschland noch immer als «Sommermärchen» in Erinnerung, und die «Landi» 1939 gilt als Kulminationspunkt der seinerzeit ausgerufenen geistigen Landesverteidigung.

Beleuchtetes Fussballstadion mit johlneder Menge während eines Spiels

Aus ökonomischer Sicht vermögen Mega-Events nicht immer zu begeistern. (Symbolbild Adobe Stock)

Neben solchen schwer fassbaren Effekten gibt es auch handfeste Auswirkungen. Positiv sind Grossanlässe üblicherweise für die lokale Hotellerie, Gastronomie sowie Bauwirtschaft. Aber es gibt auch negative externe Effekte. In Zürich wird etwa hitzig über die Austragung der Rad-WM in diesem Herbst diskutiert – «Lärm, Gedränge und Gestank» titelte die NZZ einen Kommentar. Für Anwohner und Gewerbetreibende gehen Grossanlässe mit gewissen Einschränkungen einher. Ein Ausgleich der verschiedenen Interessen ist nötig, was uns zum nächsten Prinzip bringt.

3. Der Steuerzahler hat keine Lobby. Wie bei der Industriepolitik oder den Tourismus-Subventionen gilt auch bei den Mega-Events: Die Gewinner einer staatlichen Massnahme stellen eine kleinere Gruppe dar als die Gesamtheit der Steuerzahler. Dadurch können sie sich besser organisieren, was zu einer Asymmetrie im politischen Prozess führt. Die Folge sind ineffizient hohe Ausgaben der öffentlichen Hand. Ein Schutzmechanismus gegen solche Verzerrungen sind direktdemokratische Institutionen. Beim Stimmvolk haben dabei sehr teure Projekte einen schweren Stand – das haben die Abstimmungen 2013, 2017 und 2018 im Wallis und in Graubünden zur Austragung einer Olympiade gezeigt.

4. Einmalig ist teuer. Apropos Kosten: Richtig teuer sind jene «einmaligen» Anlässe, die eine neue Infrastruktur benötigen. Die eindrücklichsten Beispiele hierfür stellen Olympiaden dar. In Athen haben die Olympischen Spiele 2004 wohl mehr als das Doppelte der budgetierten 4,5 Mrd. Euro gekostet und zur Schuldenkrise Griechenlands beigetragen. Wenn ein solcher einmaliger Anlass ausgetragen wird, sollte deshalb möglichst bestehende Infrastruktur genutzt werden. Aus volkswirtschaftlicher Sicht noch besser ist es, einen Anlass wiederholt und mit der gleichen Infrastruktur auszutragen, um damit Skaleneffekte über die Zeit zu nutzen.

5. Alternativen prüfen: Wer all die bisherigen Prinzipen beachtet hat, sollte sich noch eine letzte Frage stellen: Könnten die öffentlichen Gelder für einen Mega-Event nicht anderweitig besser eingesetzt werden? Gerade in Zeiten angespannter Staatsfinanzen ist das Prinzip der Opportunitätskosten bedeutend. Die Ressourcen für die Fussball-EM und Sommer-Olympiade hätten auch für die Landesverteidigung, Steuersenkungen oder die Bildung eingesetzt werden können. Das gilt umso mehr, als dass verschiedene Studien den Mega-Events ein negatives Kosten-Nutzenverhältnis für die Gesamtwirtschaft attestieren. Letztlich ist damit klar: «Brot und Spiele» ist vielleicht ein politisches, aber sicher kein ökonomisches Prinzip.

Dieser Beitrag ist in der «NZZ am Sonntag» vom 16. Juni 2024 erschienen. Mehr zum Thema: «Die fünf ökonomischen Prinzipien von Megaevents».