In der Debatte um die Überlebenschancen der Europäischen Währungsunion (EWU) in ihrer jetzigen Zusammensetzung wird zu Recht auf die ungenügende Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Mitgliedsländer hingewiesen. Griechenland könnte, so wird behauptet, nach dem Austritt aus der Währungsunion über Abwertungen der neuen Landeswährung seine internationale Konkurrenzfähigkeit verbessern und mittelfristig zu höherem Wachstum finden.
Damit wäre es aber nicht getan. Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in den wirtschaftlich schwächeren Euroländern setzt auch die Liberalisierung der verkrusteten und überregulierten Arbeitsmärkte voraus. Verkrustungen lähmen Dynamik und Innovationskraft, zwei Grundpfeiler der Wettbewerbsfähigkeit.
Das gestiegene Bildungsniveau der jungen Generation bleibt ungenutzt
Die OECD evaluiert von Zeit zu Zeit den Regulierungsgrad in den Arbeitsmärkten ihrer Mitglieder. Die letzte Erhebung stammt aus dem Jahr 2008. Obwohl die «Agenda 2010»-Reformen in Deutschland nur teilweise berücksichtigt werden konnten, dürften die Ergebnisse aufs Ganze gesehen immer noch relevant sein. Rigide Arbeitsmärkte prägen zwar zahlreiche EWU-Länder. In Spanien, Portugal und Griechenland sind sie aber überdurchschnittlich stark reguliert. Der Kündigungsschutz ist stark ausgebaut, und für die Teilzeitarbeit gelten zahlreiche Einschränkungen. Ausgerechnet in diesen drei Ländern sind die Zuschläge für Nachtarbeit im EU-Vergleich überdurchschnittlich hoch. Das zeigt der «Doing Business 2012»-Report der Weltbank und der International Finance Corporation. Er vermittelt eine Vielzahl arbeitsmarktrelevanter Daten, ohne diese in einem Gesamtindex zusammenzufassen.
Um Schwung in das Wirtschaftsleben zu bringen, sollte man auf den Leistungswillen und die Veränderungsbereitschaft der gut ausgebildeten jüngeren Generationen setzen können. Das Bildungsniveau ist im südlichen Teil Europas gestiegen, auch wenn die Ausbildung die Bedürfnisse der Wirtschaft noch zu wenig berücksichtigt. Der Integration in das Erwerbsleben ist dies nicht förderlich.
Dieser Einschränkung zum Trotz steht eine neue Generation bereit, um zur Auffrischung der Arbeitsmärkte beizutragen. Dieses Potenzial müsste eigentlich mit Handkuss willkommen geheissen werden. Die hohen Jugendarbeitslosenquoten sprechen aber eine ganz andere Sprache (siehe Grafik). In Griechenland und Spanien kann die Hälfte der 15- bis 24-Jährigen, die arbeiten möchten, dies nicht tun. Im Schnitt der EWU ist es jeder Fünfte. Die schwer kündbaren älteren Erwerbstätigen haben Anspruch auf vielfältige Privilegien, während jüngeren Generationen der Zugang zur Arbeitswelt erschwert oder gar verwehrt ist. Das Problem wird durch Mindestlohnvorschriften verschärft. Der «Doing Business 2012»-Report zeigt, dass 19-jährige Arbeitnehmende und Lernende im Süden der EWU Anrecht auf monatliche Mindestlöhne haben, die zum Teil deutlich höher als in den übrigen Mitgliedsländern der Eurozone sind.
Brain drain und Resignation
Vielen jungen Menschen ist es somit verwehrt, sich ihrer Ausbildung und ihren Aspirationen entsprechend im Arbeitsleben zu bewähren. Zwei Reaktionen sind denkbar. Sie können versuchen, in dynamischere Länder auszuwandern. Diese Welle ist bereits unterwegs – und es ist auch aus volkswirtschaftlicher Sicht besonders schade, dass mit ihr vor allem die Leistungswilligeren und Mutigeren ihre Heimatländer verlassen. Die Jungen können aber auch resignieren und sich mit privaten und öffentlichen Unterstützungsleistungen abfinden. Wenn sie diese ohne Aussicht auf eine Besserung ihrer Lage lange genug bezogen haben, werden sie letztlich ebenfalls Verfechter des Status quo. Aus Angst, noch mehr zu kurz zu kommen, lehnen sie Reformen im Sozialbereich ab. Auf diese Weise wird Potenzial verschleudert, und der Reformstau verstetigt sich.
In den wettbewerbsschwächeren Ländern der EWU führt also kein Weg an der Deregulierung der Arbeitsmärkte vorbei. Parallel dazu drängen sich Reformen im Ausbildungssystem auf, damit die Ausbildung besser mit den Anforderungen der Unternehmen in Einklang kommt.
Mit den Möglichkeiten der Integration junger Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt setzte sich unter anderem unsere Publikation «Die Zukunft der Lehre» auseinander.