Im Hinblick auf die Finanzierung der Abfallentsorgung gibt es verschiedene Instrumente mit Vor- und Nachteilen. Grundsätzlich stehen zwei Ansätze im Vordergrund: Eine Finanzierung der Entsorgung ex post, also nach dem Konsum des entsprechenden Guts. Oder eine Gebührenerhebung ex ante, d.h. Mitbezahlung der Entsorgung direkt beim Kauf. Die ökonomische Inzidenz der Gebührenerhebung – d.h. die Frage, ob die Gebühr vom Produzenten (via tiefere Preise) oder vom Konsumenten bzw. von beiden gemeinsam getragen werden – ist bei beiden Systemen nicht eindeutig. Nachfolgend werden beide Systeme näher untersucht (vgl. auch eine Studie der OECD von 2002).

Ex-post-Finanzierung

Die Ex-post-Finanzierung der geordneten Entsorgung, also nach dem Konsum des betroffenen Guts, ist die naheliegende Form der geordneten Entsorgungsfinanzierung. Dies deshalb, weil Kauf und Entsorgung prinzipiell zwei voneinander getrennte ökonomische Prozesse darstellen. Das Ex-post-System ist aus dem Schweizer Alltag wohlbekannt, die heutige Entsorgung des Haushaltkehrichts funktioniert aus ökonomischer Sicht weitgehend nach diesem Prinzip. So wird die verbrauchsabhängige Sackgebühr faktisch erst bei der eigentlichen Entsorgung fällig (vgl. Box 1). Schweizer Gemeinden erheben in der Regel zusätzlich eine Grundgebühr für die Entsorgung des Haushaltkehrichts. Hierbei handelt es sich a priori jedoch nicht um eine Entsorgungsgebühr, sondern um einen Finanzierungsbeitrag an die Infrastrukturkosten der Abholung vor Ort. Auch sogenanntes Sperrgut wird nach dem Ex-post-Prinzip der Entsorgung zugeführt.

Box 1:

Die spezielle Rolle des Haushaltkehrichts in der Entsorgungsökonomik

Der Haushaltkehricht ist eine weitestgehend güterunabhängige Entsorgungsmöglichkeit und damit Referenzpunkt in Bezug auf Anreizkompatibilität und Kosten-Nutzen-Verhältnis im Vergleich zu anderen Entsorgungsmöglichkeiten (vgl. Umtec 2016). Für die Schweiz gilt dabei insbesondere – und dies ist nicht a priori auf andere Länder übertragbar –, dass die unmittelbare Umweltbelastung mit Schadstoffen etc. aufgrund der technisch hochstehenden Kehrichtverbrennungsanlagen relativ gering ist, egal welches Produkt über diesen Kanal entsorgt wird. Dies entspricht auch dem Willen des Regulators (Umweltschutzgesetz). Die entsprechende Externalität ist damit weitgehend internalisiert.

Allerdings besteht das Problem, dass Wertstoffe in Siedlungsabfällen dem Wirtschaftskreislauf entzogen sind. Ein neuerlicher Abbau der so verlorenen Rohstoffe ist wieder mit einer Umweltbelastung verbunden, was die stärkste wirtschaftspolitische Begründung ist, Anreize zur separaten Entsorgung gewisser Wertstoffe zu setzen. Daraus ergibt sich, dass eine Ex-ante-Finanzierung der Entsorgung des Haushaltkehrichts – wie sie die Schweiz mit der pauschalen Gebührenerhebung lange Zeit kannte – problematisch ist. Zwar wären damit die Anreize für eine illegale Entsorgung praktisch eliminiert, doch würden auch keine Anreize bestehen, Wertstoffe via Recycling wieder dem Wirtschaftskreislauf zuzuführen (Ecoplan 2015). Mit der verursachergerechten Ex-post-Finanzierung durch die Kehrichtsackgebühr wird dieses Problem entschärft. Dabei kann die Gebühr auch über den reinen Entsorgungsgrenzkosten angesetzt werden, um explizit im Sinne einer Lenkungsabgabe die oben genannte Externalität zu internalisieren (Fullerton und Kinnaman 1995).

Die Vorteile der Ex-post-Entsorgung liegen auf der Hand: Das System ist grundsätzlich schlank regulierbar, prinzipiell muss nur die Pflicht zur geordneten Entsorgung festgehalten werden. Private Entsorgungs- bzw. Recyclingunternehmen würden in der Folge um Aufträge konkurrieren. In der Regel würden die privatwirtschaftlichen Angebote in einem Ex-post-Entsorgungssystem wohl auch verursachergerecht ausgestaltet sein. Die unbedingte Notwendigkeit einer weiterführenden Marktregulierung ist nicht erkennbar.

Allerdings ist diese Art der Organisation einer geordneten Entsorgung nicht ohne Nachteile: Das Problem besteht darin, dass die Grenzkosten der Entsorgung (also die zusätzlichen Kosten nach dem Konsum) für den Konsumenten relativ hoch sind und damit trotz Entsorgungspflicht weiterhin ein Anreiz zur ungeordneten Entsorgung besteht. Die Grenzkosten setzen sich zusammen aus den eigentlichen Kosten der Entsorgung (z.B. der Gebühr des Recyclingunternehmens) und den Transaktionskosten, d.h. die Zeit und der Aufwand, um das Gut zum Entsorgungsunternehmen zu bringen oder dieses abholen zu lassen. Dem gegenüber steht der Nutzen für die Umwelt durch die geordnete Entsorgung, welcher der Konsument gerade in entwickelten Ländern als relativ hoch, d.h. sogar über dem eigenen Grenznutzen, gewichtet (WWF 2012).

Ob der Anreiz zur geordneten Entsorgung ex post gross genug ist, hängt von den Kosten einer möglichen Sanktion und der Eintretenswahrscheinlichkeit dieser Sanktion ab. Je höher diese beiden Faktoren sind, desto tiefer ist der Anreiz zur ungeordneten Entsorgung. Bezüglich Kosten der Sanktion liegt es am Gesetzgeber, diese festzulegen (Bussenhöhe oder andere Strafen). Allerdings setzt hier die Verhältnismässigkeit gewisse Grenzen. So kann beispielsweise das private Verbrennen von Haushaltkehricht nicht dieselben Strafen nach sich ziehen wie ein Delikt gegen Leib und Leben. Die Erhöhung der Eintretenswahrscheinlichkeit auf der anderen Seite kann durch vermehrte (polizeiliche) Anstrengungen vorgenommen werden. Allerdings ist dies wiederum mit Kosten für die Gesellschaft verbunden, die dem potenziellen Nutzen für die Umwelt entgegengestellt werden müssen.

Ex-ante-Finanzierung

Bei einer Ex-ante-Finanzierung bezahlt der Konsument gleichzeitig mit dem Kauf die Kosten der Entsorgung des entsprechenden Guts bzw. der dazugehörigen Verpackung. Die Gebühr wird also vorgezogen und auf den eigentlichen Kaufpreis draufgeschlagen. Darüber hinaus ist auch die Erhebung eines Pfandes möglich. Eine Möglichkeit, die Gebühr beim Kauf zu umgehen, besteht dabei per Definition nicht. Beispiele für dieses System gibt es in der Schweiz einige: Das Recycling von Glas, Batterien oder Elektronik ist nach diesem Prinzip finanziert. Auch die Entsorgung des Haushaltkehrichts in der Schweiz vor Einführung der Sackgebühr basierte auf dem Ex-ante-Prinzip, indem die entsprechenden Gebühren pauschal und unabhängig von der Nutzung durch die Gemeinden erhoben wurden.

Der grösste Vorteil eines solchen Systems ist offensichtlich: Die Grenzkosten der Entsorgung gehen für den Konsumenten in der Regel gegen Null oder sind bei Erhebung eines Depots sogar negativ (bei Rückgabe erhält man Geld zurück), wobei dies von den Transaktionskosten (also dem individuellen Aufwand, um ein Gut dem Entsorgungsunternehmen zu übergeben) abhängt.

Bei Erhebung eines Depots (Pflichtpfands) für PET-Getränkeflaschen wären die Transaktionskosten unter Umständen höher als mit dem heutigen, freiwilligen Sammelsystem der Branche. Denn für die Auszahlung des Pfandes müsste eine (technische) Infrastruktur geschaffen werden, die weniger Sammelpunkte bieten würde als das heutige System. Wie hoch diese Transaktionskosten sind, hängt beispielsweise davon ab, wie dicht das Netz an Entsorgungs- bzw. Rückgabestellen ist, wie deren Öffnungszeiten aussehen usw., oder alternativ wie hoch die Kosten der Abholung sind. Auch der rechtliche Anspruch des Konsumenten auf eine Entsorgung senkt die Transaktionskosten prinzipiell. In jedem Fall werden die Grenzkosten tiefer sein als in einem System mit Ex-post-Finanzierung, was den Anreiz zur Illegalität sowie die Kosten für deren Bekämpfung tief hält.

Allerdings ist ein System mit Ex-ante-Entsorgungsfinanzierung a priori regulierungsintensiver und bürokratischer. Die Wettbewerbsintensität gegenüber der Ex-post-Lösung ist in der Regel geringer, die Kosten der Entsorgung sind tendenziell höher. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass die Verantwortung über den Weg der Entsorgung vom Konsumenten an den Produzenten übergeht. In der Konsequenz sind es auch letztere, welche in einem Ex-ante-System von Innovationen im Bereich der Entsorgung profitieren (die Konsumenten haben die Gebühr basierend auf einer bestimmten Technologie ja schon bezahlt), im Ex-post-System sind es hingegen die Konsumenten.

Schliesslich existieren in einem Ex-ante-System unter Umständen Möglichkeiten und Anreize, die Entsorgungsgebühr legal zu umgehen. Ein Beispiel – mit spezieller Relevanz für eine kleine, offene Volkswirtschaft wie die der Schweiz – ist der Kauf eines Gutes im Ausland ohne die Schweizer Ex-ante-Gebühr. Es gibt zwar Wege, diese Umgehungsmöglichkeiten einzuschränken (vgl. Box 2), was aber die Gesamtkosten des Systems zusätzlich erhöht.

Box 2:

Möglicher Lösungsansatz bei Gebührenumgehung durch Auslandseinkäufe

Gerade in einem Ex-ante-Finanzierungssystem besteht ein gewisses Problem darin, dass Entsorgungsgebühren durch Auslandeinkäufe umgangen werden können. Zwar könnte das Problem dadurch gelöst werden, dass Produkte, auf denen die Entsorgungsgebühr gezahlt ist, speziell gekennzeichnet werden, doch ist dies bei Massenprodukten mit hohen administrativen Aufwänden verbunden und widerspricht eventuell auch den Zielvorgaben des Regulators.

Da die Schweiz in keine Zollunion (ausser mit Liechtenstein) eingebunden ist (wie z.B. die EU-Länder und die Türkei), bietet sich eine relativ einfache Lösung an: Schon heute sind Einfuhren ab einem Betrag von 300 Fr. in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig. Dabei könnte prinzipiell auch gleich die Entsorgungsgebühr mitverrechnet werden. Dem Zoll würde es dabei – basierend auf einer allenfalls zu schaffenden, gesetzlichen Grundlage – freistehen, entsprechende Abkommen mit Branchenorganisationen abzuschliessen. Entsorgungsgebühren werden bei Importen von Glas bereits entsprechend verrechnet. Zwar werden durch ein solches System Importe von Waren unterhalb der Mehrwertsteuerpflicht nicht erfasst, aber gemessen an den potenziellen administrativen Kosten ist dieser «Gebührenverlust» vertretbar.

Serie: Recycling

Die Schweiz gilt als Musterland im Umgang mit Siedlungsabfällen und Recycling – trotz jährlich 716 kg Abfall pro Kopf (Bafu). Die Infrastruktur genügt höchsten Ansprüchen, und was als Reststoffe anfällt, wird in hocheffizienten Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) entsorgt. Die entstehenden Schadstoffe werden grösstenteils herausgefiltert und die Abwärme entweder direkt als Fernwärme genutzt oder in Energie umgewandelt und wieder dem Wirtschaftsprozess zugeführt. Doch ein optimales Verhältnis von Kosten und Nutzen wird selten diskutiert. Das Ziel dieser Serie ist es, Ansätze für eine umfassende, volkswirtschaftlich fundierte Entsorgungs- und Recyclingpolitik zu liefern.

 

Links zu allen Blogs dieser Serie:

 

Recycling oder Entsorgung

Staatlicher Eingriff und optimale Recyclingquote

Varianten der Abfallfinanzierung

Trennung von Leistungserbringern und Bestellern

Grenzen des Wettbewerbs bei der Entsorgung

Ziele statt Methoden definieren

Ökologie und Ökonomie in Einklang bringen