In den letzten zwei Dekaden haben sich die globalen Handelsströme markant verschoben, das bisherige machtpolitische Gefüge ist im Umbruch.Die Zeit, in der es einen unbestrittenen Hegemonen gab, scheint langsam abzulaufen. Stattdessen zeichnet sich eine zukünftige, tripolare Welt mit drei zentralen wirtschaftlichen Akteuren ab:
- Um die USA formiert sich der Wirtschaftsraum US-Mexico-Canada Agreement (USMCA), das Nachfolgekonstrukt von Nafta. Gemeinsam vereinen die drei beteiligten Länder eine Wirtschaftsleistung von rund 23 Bio. $ (23’000 Mrd. $).
- Die Europäische Union (EU) mit ihren (noch) 28 Mitgliedsstaaten verfügt über eine Wirtschaftskraft von mehr als 18 Bio. $, davon vereint das Vereinigtes Königreich beinahe 3 Bio. $ auf sich.
- China alleine weist bereits eine Wirtschaftskraft von 13 Bio. $ aus. Das «Reich der Mitte» ist aber Teil des Asia-Pacific Trade Agreement (Apta), zu welchem noch Indien, Südkorea, Sri Lanka, Bangladesch, die Mongolei und Laos zählen. Dieses Bündnis vereint eine Wirtschaftsleistung von rund 18 Bio. $.
Insgesamt generieren die drei Wirtschaftsräume zusammen knapp zwei Drittel des weltweiten BIP. Zum Vergleich: die Europäische Freihandelsassoziation (Efta), zu der auch die Schweiz gehört, erreicht kumuliert gerade einmal knapp 1 Bio. % an Wirtschaftsleistung. Für einen kleinen Staat wie die Schweiz stellt sich die Frage nach der richtigen Positionierung in einer tripolaren Weltordnung.
Globale Handelsströme mit neuer Dynamik
Die Entwicklung der globalen Warenhandelsströme löst machtpolitische Verschiebungen aus. Während vor gut zwanzig Jahren noch eine Mehrheit der Länder mehr Warenhandel mit den USA als mit China betrieben haben, hat das Reich der Mitte (inkl. Hongkong) die Vereinigten Staaten mittlerweile überholt (vgl. Abbildung).
Ausgeprägt ist die Verschiebung der Handelsströme im asiatisch-pazifischen Raum, wo sich die handelspolitische Vormachtstellung der USA nur noch auf wenige Länder wie Kambodscha, Bangladesch und Bhutan beschränkt. Auch in Afrika und sogar Südamerika wurde die relative Überlegenheit der USA gebrochen. In Europa – politisch und wirtschaftlich traditionell aufs engste mit den Vereinigten Staaten verbunden – nimmt die Bedeutung Chinas im Aussenhandel ebenfalls massiv zu. Besonders augenfällig ist dies in den osteuropäischen Mitgliedsländern der EU, namentlich Estland, Lettland, Polen, Slowenien, Kroatien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien sowie Griechenland. Sie sind heute handelstechnisch stärker mit China verflochten als mit den USA. In reduziertem Mass gilt dies auch für Skandinavien, Deutschland, die Niederlande und Spanien. Einzig Irland – wohl auch aufgrund seiner Funktion als Brückenkopf für viele US-Unternehmen in die EU – weist noch ein substanziell grösseres Aussenhandelsvolumen mit den USA aus als mit China.
USA erfährt zunehmende Konkurrenz durch China
Die Stellung der USA als Motor des Welthandels und internationaler Handelsliberalisierungen wird zunehmend hinterfragt: Nicht nur hat China mit zwölf Ländern und den zehn Staaten des Verbands Südostasiatischer Nationen (Asean) Freihandelsabkommen (FHA) abgeschlossen, das Land ist auch Mitglied des Apta. Die USA spannten demgegenüber ein Netz von Abkommen mit 20 Ländern, darunter jedoch kein europäisches, während China bereits über FHA mit der Schweiz, Island und Georgien verfügt (Mofcom 2019 und USTR 2019). China stellt aber nicht nur auf ökonomischer Ebene eine zunehmende Konkurrenz für die USA dar. Die Vereinigten Staaten werden durch China auch zusehends (macht-)politisch herausgefordert. Diese Tatsache liefert auch eine Erklärung für das zuletzt getrübte Verhältnis zwischen beiden Akteuren, dass sich unter anderem im sich zuspitzenden Handelskrieg manifestiert.
Politisch-strategische Bedeutung eines FHA für die USA
Für die USA ist es in einer solchen Situation von besonderer Bedeutung, neue FHA mit marktwirtschaftlich orientierten Ländern wie der Schweiz abzuschliessen. Die Schweiz und die USA teilen gemeinsame Werte wie Freiheit, Demokratie, freie Märkte und Rechtsstaatlichkeit. Der Ausbau des Handels mit einem gleichgesinnten Land wie der Schweiz über ein FHA könnte für die US-Administration daher eine aussenwirtschaftspolitische Opportunität darstellen. Neben den ökonomischen Vorteilen, die ein Abkommen für die USA mit sich bringen würde (vgl. dazu die Studie «Win-win: Freihandel Schweiz-USA»), wäre ein FHA somit auch aus politisch-strategischen Überlegungen sinnvoll.
Politische Relevanz auch für die Schweiz
Auch für die Schweiz verfügt ein Abkommen mit den USA neben der ökonomischen über eine politische Komponente. Einerseits könnte ein Abkommen für die Schweizer Exportwirtschaft neben dem präferierten Marktzugang zur EU eine wertvolle Ergänzung darstellen. Andererseits richten sich die Zeiger im internationalen Handelssystem aufgrund des schwächelnden Multilateralismus immer mehr in Richtung machtbasiertes System aus. In einem System – in dem der Stärkere dominiert und kleine Länder wie die Schweiz mangels verbindlicher und sanktionierbarer Regeln wenig Möglichkeiten haben, gegen grössere Staaten vorzugehen – sind bilaterale FHA von besonderer Bedeutung. Die Schweiz hat deshalb insbesondere seit Mitte der 1990er Jahre ein dichtes Netz an FHA gewoben, das heute über 70 Länder abdeckt. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Schwächung des Multilateralismus ist es zentral, dieses Netz auch weiterhin zu erweitern. Aufgrund der schieren Marktgrösse der USA sollte ein Abkommen mit ihrer «sister republic» für die Schweiz hoch oben auf der Prioritätenliste liegen.
Fazit: Ökonomischer, aber auch politischer Win-win
Auf globaler Ebene stehen die USA und die Schweiz vor neuen Herausforderungen: während die USA gegen die zunehmende Konkurrenz durch China zu kämpfen hat, beschäftigt die Schweiz den geschwächten Multilateralismus sowie der Stillstand in der Beziehung mit der EU. Ein FHA zwischen den beiden Ländern stellt somit eine klassische Win-win-Situation dar – und dies gleich in doppelter Hinsicht: Es wäre nicht nur ein Gewinn für beide Länder, sondern auch ein Gewinn in zwei Dimensionen, nämlich sowohl wirtschaftlich als auch politisch.
Weiterführende Informationen: «Win-win: Freihandel Schweiz-USA».