Der folgende Beitrag stammt aus der Web-Publikation «CH 1995 2035 – Globale Trends, nationale Herausforderungen, liberale Lösungen»
Im Mai 2011 verkündete der Bundesrat seine «Energiestrategie 2050». Er markierte damit den Versuch einer Wende in der schweizerischen Strompolitik. Zuvor galt der historisch gewachsene Mix aus 60% Wasser- und 40% Kernkraft als Garant einer sicheren, wirtschaftlichen und umweltverträglichen Stromversorgung, die durch den Ersatz der alten durch neue Kernkraftwerke auch hätte fortgesetzt werden sollen. Unter dem Eindruck der Havarie von Fukushima zweifelte der Bundesrat an der Akzeptanz der Kernenergie im Volk und schlug deshalb den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie, einen massiven, stark subventionierten Ausbau der erneuerbaren Energien sowie einschneidende Energiesparmassnahmen vor. Das Parlament folgte bis heute diesem Plan – das Stimmvolk wurde nie befragt.
Um das Jahr 2035 müssten gemäss dem bundesrätlichen Plan alle Kernkraftwerke abgeschaltet sein. Die bis dahin zugebauten erneuerbaren Energiequellen, schwergewichtig Photovoltaik- und Windkraftanlagen, könnten aber dannzumal selbst im günstigsten Fall nur rund einen Drittel des Nuklearstroms ersetzen. Zur Sicherstellung der Versorgung müssten – in weit grösserem Ausmass als heute – Stromimporte und vermutlich auch inländische Gaskraftwerke herbeigezogen werden. Die CO2-Bilanz des im Inland konsumierten Stroms würde sich verschlechtern, was mit Blick auf die Emissionsziele der Schweiz durch weitere Lenkungsmassnahmen in anderen Energiebereichen aufgefangen werden müsste.
Geringe Aussicht auf Subventionsabbau
Da die Produktionskosten von Sonnen- und Windstrom in den vergangenen Jahren stark gesunken sind, hoffen viele Beobachter, dass künftige Zubauten mit deutlich geringeren oder gar ganz ohne Subventionen zu bewerkstelligen wären. Doch damit ist nicht zu rechnen, da sich der Zubau der witterungs- statt bedarfsabhängigen Produktion auch in ständig sinkenden Erlösen niederschlägt. Die in Europa und besonders in Deutschland verbreiteten Subventionen für erneuerbare Energien haben generell zu einem künstlich tiefen Preisniveau im Grosshandel geführt. Ungenügende Rentabilität vieler konventioneller Kraftwerke und schwindende Investitionsanreize sind fatale Folgen dieser Entwicklung. Es droht ein Teufelskreis der Subventionen; selbst Beihilfen für Wasserkraftwerke sind in der Schweiz bereits aufgegleist.
Staatlich verordnete «Technologiewenden» sind besonders in infrastrukturlastigen Sektoren riskante und potenziell sehr kostspielige Wissensanmassungen. Das gilt auch für den Stromsektor, dessen Netzinfrastruktur heute auf eine geringe Zahl von Grosskraftwerken ausgerichtet ist. Aus der immer stärkeren Dezentralisierung der Stromproduktion durch kleine erneuerbare Quellen ergeben sich Anforderungen an Netzausbau und -erweiterung, deren Kosten noch nicht verlässlich abgeschätzt worden sind. Gleiches gilt für die Kosten der Zwischenspeicherung des nicht bedarfsgerecht anfallenden Sonnen- und Windstroms. In beiderlei Hinsicht geht die «Energiestrategie 2050» – analog zur Wirtschaftlichkeitsentwicklung von erneuerbaren Energien – von optimistischen Annahmen aus.
Optionen offenhalten
Schwer prognostizierbare technische, ökonomische sowie nationale und internationale institutionelle Entwicklungen machen die Definition der optimalen Energiestrategie schwierig. Im aktuellen Umfeld mag wenig für den Neubau von Kernkraftwerken in der Schweiz sprechen, doch selbst dies könnte sich wieder ändern. Bei der derzeitigen Unsicherheit lautet das wichtigste strategische Gebot, so lange wie möglich keine valablen Optionen über Bord zu werfen. Genau dieses Gebot wird aber mit der «Energiestrategie 2050» verletzt. Sie will die Stromversorgung ohne dringlichen Bedarf in eine bestimmte Richtung staatlich verordnen.
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