Mit Schlagworten wie «Schweizer Wasserkraft», «Versorgungssicherheit» und «CO2-Einsparungen» machen zurzeit einzelne Stromkonzerne politisch Druck für vier Modelle der finanziellen Unterstützung. Um ihre Bilanzen zu sanieren, schrecken sie nicht davor zurück, in die Kassen der Kleinkunden zu greifen. In einem nur teilliberalisierten Strommarkt wie der Schweiz können kleinere Gewerbebetriebe und private Haushalte den Versorger nicht frei wählen und müssen bereits heute höhere Energiekosten tragen. Rund 50% der Strommenge wird in der Schweiz so abgesetzt.
Das neueste Modell stammt von der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (Urek-N): Gefangene Kunden sollen ausschliesslich Elektrizität aus erneuerbaren Energien von inländischen Kraftwerken erhalten. Das entspricht einer Abnahmegarantie für die Schweizer Wasserkraftwerke, die rund 60% der gesamten Elektrizität liefern.
Gefangene Kunden
Damit entledigt man sich eines weiteren «Problems»: Letztes Jahr hielt das Bundesgericht fest, dass es nicht zulässig ist, den günstiger auf dem europäischen Markt beschafften Strom einseitig nur den freien Kunden weiter zu verrechnen. Werden die Haushalte an die Wasserkraft gebunden, können sie gar nicht mehr vom tieferen europäischen Strompreis profitieren. Die Mehrkosten der Urek-Lösung werden auf 200 bis 400 Mio. Fr. geschätzt, pro Haushalt rund 40 Fr. jährlich.
Von einer solchen Lösung würden auch die Standortkantone und Standortgemeinden der Wasserkraftwerke profitieren. Denn mit dem vorgeschlagenen Modell nimmt der Druck auf eine Senkung des Wasserzinses ab. Kraftwerksbetreiber und Standorte könnten sich über die Köpfe der Kunden hinweg einigen, denn der Wasserzins wird als Kostenbestandteil den gefangenen Konsumenten weiterbelastet.
Ein zweites Modell ist die im Rahmen der Energiestrategie 2050 vorgesehene «Marktprämie» für die Wasserkraft. Stimmt das Volk zu, können die Betreiber der Werke 1 Rp./kWh zusätzlich verrechnen, um ihren Strom nicht unter den Gestehungskosten verkaufen zu müssen.
Ein drittes Modell propagieren Swisselectric (Alpiq, Axpo, CKW) sowie drei weitere Stromanbieter: Der Verband argumentiert, dass sich unter den gegebenen Marktbedingungen «Investitionen in den Substanzerhalt, die Erneuerung und den Ausbau des Kraftwerkparks» nicht rechnen, obwohl dies für die Versorgungssicherheit wichtig wäre. Es sei nötig, ab 2018 für fünf Jahre eine «Grundversorgungsprämie» einzuführen.
Das Modell zielt auf einen Ausgleich zwischen den kalkulatorischen Durchschnittskosten der Wasserkraft und den Marktpreisen. Letztlich handelt es sich um eine Aufstockung der «Marktprämie». Die Prämien würden zusammen zwischen 600 und 800 Mio. Fr. pro Jahr an Subventionen generieren – mit Mehrkosten für die Haushalte von rund 80 Fr. pro Jahr.
Nach Auslaufen der «Grundversorgungsprämie» fordert Swisselectric die Einführung eines «Versorgungs- und Klimamarktmodells», das heisst eine Abgabe auf dem CO2-Ausstoss der Stromproduktion. Da die Schweizer Stromerzeugung zu beinahe 100% CO2-frei ist, würde faktisch nur der importierte Strom belastet.
Von der Abgabe können sich Stromverbraucher nur befreien, wenn sie Herkunftsnachweise aus einheimischer, CO2-freier Produktion vorlegen. Daraus entstünde eine Mehrbelastung der Haushalte von etwa 60 Fr. pro Jahr, die Kraftwerksbetreiber würden eine zusätzliche Rente von 600 Mio. Fr. einstreichen. Profitieren würden auch die CO2-frei produzierenden Kernkraftwerke, darunter als Mehrheitseigner die Mitglieder von Swisselectric.
Die Beurteilung der vier Modelle fällt ernüchternd aus: Hinter allen Konzepten verstecken sich Subventionen und damit neue finanzielle Belastungen für die Haushalte. Die beiden letztgenannten Modelle können gar als Etikettenschwindel bezeichnet werden.
Mit der «Grundversorgungsprämie» soll die Versorgungssicherheit gestärkt werden. Doch kurzfristig werden Wasserkraftwerke bei mangelnder Rendite nicht einfach abgestellt. Da sie ohne variable Kosten operieren, erwirtschaften sie auch bei tiefen Marktpreisen Deckungsbeiträge. Langfristig könnten konstant niedrige Strompreise negative Auswirkungen auf die (Re-) Investitionen in den Kraftwerkspark haben. Ein Modell zur Unterstützung der Versorgungssicherheit müsste auf eine längerfristige Stimulierung der Investitionsanreize zielen. Die «Grundversorgungsprämie» ist aber zeitlich befristet, es entstehen keine Investitionsanreize. Ausserdem subventioniert sie neue Anlagen ohne Reinvestitionsbedarf stärker, da diese höhere kalkulatorische Kosten aufweisen.
Das «Versorgungs- und Klimamarktmodell» suggeriert, dass die Schweiz damit ihre CO2-Bilanz verbessere. Dies ist jedoch nicht der Fall – faktisch würde keine zusätzliche Tonne CO2 eingespart. Bei anhaltend tiefen Strommarktpreisen garantiert das Modell kaum (Re-) Investitionsanreize in saubere Produktionskapazitäten, bei stark steigenden Preisen bräuchten die Kraftwerksbetreiber den zusätzlichen Ertrag gar nicht – es bliebe ein reiner Mitnahmeeffekt. Es würde weiterhin grauer Strom aus dem Ausland importiert.
Gesucht ist ein Modell, das Investitions- bzw. Re-Investitionsanreize schafft – und das auf möglichst marktwirtschaftlicher Basis, etwa über Ausschreibungen. Davon zu unterscheiden ist die finanzielle Situation der Stromunternehmen. Es sollte diskutiert werden, ob es volkswirtschaftlich nicht sinnvoller wäre, Unternehmen in Konkurs gehen zu lassen, um die Anlagen auf null abzuschreiben.
Kantone sind gefordert
Für den Neustart sollten die bisherigen, öffentlichen Besitzer Verantwortung übernehmen. Viele Kantone haben über Jahrzehnte von den üppigen Gewinnen in einem regionalen Monopolmarkt zulasten der Stromkonsumenten profitiert. Es wäre unfair, über eine Bundeslösung auch die nicht beteiligten Kantone mit in die Verantwortung zu ziehen. Es ist an der Zeit, dass die Besitzerkantone mit einer Eventualplanung starten, etwa indem die rechtlichen Voraussetzungen für eine Re-Kapitalisierung und die allfällige Übernahme von Deckungslücken in den KKW-Fonds geschaffen werden.
In weiten Teilen erinnert die Energiepolitik an die Landwirtschaft: Ein hohes Mass an Stützung – und mit dem fehlenden Strommarktabkommen eine zunehmende Abschottung vom europäischen Markt. Hier wie dort sind die Konsumenten die Geprellten.
Dieser Beitrag ist am 3. Mai in der «Finanz und Wirtschaft» erschienen.