Die Schweiz ist mit einer akuten Wachstumsschwäche konfrontiert. Immer mehr Wirtschaftsforschungsinstitute, die Nationalbank sowie Bankökonomen revidieren ihre Prognosen nach unten. Was ist zu tun? Die Geldpolitik hat ihr Pulver längst verschossen, der Schweizerfrankenkurs ist fixiert. Zur Fiskalpolitik müssen wir Sorge tragen – wollen wir nicht in ein paar Jahren mit riesigen Schuldenbergen dastehen wie einige EU-Länder.

Wir sollten bei der zunehmenden Regulierungsflut und den damit verbundenen Kosten für die Wirtschaft ansetzen. Das Regulierungsdickicht ist zum Grossteil hausgemacht: Parlament und Administration haben es in der Hand, diese für die Wirtschaft lähmende Entwicklung zu stoppen. Und die positiven Wirkungen einer regulatorischen Entschlackung auf Innovation und Wirtschaftswachstum sind offensichtlich – sie wurden in zahlreichen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen. Für die Schweizer Wirtschaft liegen je nach Schätzung Kostenreduktionen bis zu 50 Mrd. Fr. pro Jahr drin!

Vorschlag 1: «Quality Check»

Avenir Suisse hat erfolgversprechende Vorschläge für bessere resp. weniger Regulierungen in die Diskussion gebracht. Dazu gehört der Quality Check durch eine unabhängige Kontrollstelle. Bei neuen Regulierungen soll ein einfacher und praktikabler «Quality Check» durchgeführt werden, statt sich auf methodisch schwer zu fassende und aufwändige Methoden wie die Regulierungsfolgenabschätzung zu konzentrieren. Beim Quality Check wird eine geplante Regulierung anhand eines standardisierten Kriterienkataloges von einer unabhängigen Institution überprüft. Ihre Unabhängigkeit von politischen oder wirtschaftlichen Interessen ist zentral für die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz der Resultate. Nur so können Interessenkonflikte vermieden und eine möglichst objektive Einschätzung garantiert werden. Die direkt Betroffenen und die Experten werden von Anfang an einbezogen, da sie mit der Sache am besten vertraut sind und die Folgen einer vorgeschlagenen Regulierung am ehesten abschätzen können. Je relevanter für die Volkswirtschaft und je umfassender eine Regulierung ist, desto tiefer soll die Beurteilung der einzelnen Kriterien gehen. Ein wichtiger Vorteil des Quality Checks besteht darin, dass erste Resultate schnell vorliegen und deshalb früh im Regulierungsprozess verfügbar sind. Bereits die Botschaft des Bundesrates zu einer neuen Vorlage kann diese Resultate enthalten. Im weiteren Verlauf des Regulierungsprozesses kann und soll die Analyse nach Bedarf vertieft werden. Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass die Informationen aus standardisierten Quality Checks nicht nur zu besserer Regulierung führen, sondern auch einen positiven Einfluss auf die Rationalität und Kohärenz der Diskussion während des Regulierungsprozesses haben.

Regelmässige Überprüfung

Ein weiterer Vorschlag besagt, geltende Regulierungen periodisch – d. h. alle zehn Jahre – einem Quality Check zu unterziehen. Der Zeitpunkt kann sich aber auch nach der Lebensdauer der Regulierung bemessen, z.B. alle Regulierungen, die länger als 10 Jahre in Kraft sind, erfassen. Wenig effiziente Regulierungen sollen zügig entsorgt werden. Bereits in früheren Jahren wurde eine solche Initiative erfolgreich umgesetzt. Nach Interpellationen der Parlamentarier Peter Spuhler (2000) und Philipp Stähelin (2005 und 2007) wurde der gesamte Rechtsbestand einer systematischen Überprüfung unterzogen und hinfällig gewordene Erlasse aus der Rechtssammlung entfernt (189 Erlasse wurden aufgehoben, 235 revidiert).

«Regulierungsbremse»

Damit wird dem Bundesrat vorgeschlagen, eine «Regulierungsbremse» festzulegen. Analog dem Modell der Schuldenbremse wird ein Maximum an zusätzlicher Regulierung (z.B. im Umfang des BSP-Wachstums) sowie ein Maximum an tolerierbarer administrativer Belastung für Unternehmen festgelegt. Werden diese Ziele nicht eingehalten, werden neue Regulierungsprojekte gestoppt, bis Lösungen innerhalb der bestehenden Zielsetzungen gefunden werden.

Internationale Akzeptanz

Das blosse «Abschreiben» von internationaler, meist komplizierter Regulierung muss gestoppt werden. Erst recht gilt es zu verhindern, dass die Schweiz den Musterschüler spielt, indem sie EU-Recht vor den einzelnen Mitgliedstaaten umsetzt. Bei internationalen Fehlentwicklungen gilt es, ein Gegengewicht sicherzustellen und den Transfer fragwürdiger Regulierungen zu verhindern (Beispiel: Unisex-Tarife im Versicherungswesen der EU). Das Ziel muss die internationale Akzeptanz (Äquivalenz) der Schweizer Regulierung sein, nicht der «autonome Nachvollzug». Mit einem solchen Programm könnte die Schweizer Wirtschaft schnell zu besseren Regulierungen und einem weniger dichten Regulierungsdschungel kommen und ihre Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit verbessern.

Dieser Artikel erschien in der «Zürcher Wirtschaft» vom Oktober 2014.