«Was man sieht, und was man nicht sieht»: Der französische Ökonom Frédéric Bastiat hat im 19. Jahrhundert ein didaktisches Instrument entwickelt, das uns heute noch hilft, die Staatstätigkeit besser zu verstehen – und letztlich besser zu gestalten. Leicht gerät nämlich aus dem Blick, dass jede staatliche Ausgabe «unsichtbare» Kosten hat.

Opportunitätskosten mitdenken

So kann man jeden Franken nur einmal ausgeben. Wenn man den Tourismus fördert («das, was man sieht»), fehlt dieses Geld anderswo – entweder für andere Staatsaufgaben oder den Bürgern im Portemonnaie («das, was man nicht sieht»). Ökonomen sprechen von Opportunitätskosten.

Aus liberaler Sicht muss der Staat deshalb seine Tätigkeit immer begründen können. Denn der einzelne Bürger, die einzelne Bürgerin weiss am besten, wofür sie ihr erarbeitetes Geld einsetzen möchte. Gelder des Bundes sollten deshalb sparsam eingesetzt werden. Avenir Suisse hat in der diesjährigen Sommerserie aufgezeigt, dass im Bundeshaushalt sehr wohl Sparpotenzial schlummert.

Wenn der Staat private Firmen konkurrenziert

Doch der Staat ist heute viel mehr, als der Staatshaushalt vermuten liesse. Fragwürdig ist besonders seine Rolle als Unternehmer. Die Post, die vollständig in Staatsbesitz steht, hat 2023 eine Dividende von 50 Millionen Franken nach Bern überwiesen. Dies ist das, was man sieht.

Gleichzeitig steht der gelbe Riese im traditionellen Briefgeschäft unter Druck. Daher expandiert er zunehmend in fremde Gebiete. So hat die Post Dutzende Firmen im Digitalbereich gekauft. Mit dem Staat als Eigentümer besteht nun die Gefahr, dass private Wettbewerber gegenüber der Post benachteiligt werden. Der gelbe Riese kann sich zum Beispiel günstiger finanzieren als die private Konkurrenz – das ist das, was man nicht sieht.

Hohe volkswirtschaftliche Kosten hat neben solchen Wettbewerbsverzerrungen auch eine schlechte Regulierung. Hier ist das Potenzial für Verbesserungen riesig. So beklagen sich 60 Prozent von 1500 befragten Firmen im Bürokratiemonitor des Staatsekretariats für Wirtschaft, dass nur schon in den letzten fünf Jahren die administrative Belastung zugenommen habe. Der Staat erweitert seinen Aktionsradius also ständig, auch wenn sich dies nicht unmittelbar in einer höheren Staatsquote spiegelt – für mögliche Lösungsansätze hierzu sei beispielsweise auf die Avenir-Suisse-Idee einer «Löschwoche» verwiesen.

Klare Rollen für Bund und Kantone

Schliesslich haben unsere Sparvorschläge für den Bund verschiedene Bereiche identifiziert, in denen eigentlich die Kantone in der Pflicht stehen sollten. So wendet der Bund Hunderte Millionen Franken für den Agglomerationsverkehr oder Regionallinien auf.

Unsere Vorschläge folgen hier dem Prinzip «wer zahlt, befiehlt» oder «wer profitiert, soll auch zahlen». Nur dann sind die Anreize richtig gesetzt, nur dann überlegt sich eine Region zwei Mal, ob sie eine Bahnstrecke weiterbetreibt oder auf einen günstigeren Bus umstellt. Auch hier bildet das, was man sieht, nämlich die Bundesbeiträge, ein unvollständiges Bild: Verborgen bleiben die Doppelspurigkeiten und Ineffizienzen, die durch unklare Verantwortlichkeiten entstehen.

Rosarotes Sparschwein in einem Bergbach, wo das Wasser spritzt. (KI-Bild)

Bundesfinanzen in Schieflage: Über die verborgenen Kosten sprechen. (Ernie Ernst, Avenir Suisse, mit KI-Unterstützung)

Föderalismus funktioniert nur, wenn die Zuständigkeiten zwischen Bund und Kantonen klar zugeteilt sind. Immerhin: Kurz vor der Sommerpause hat der Bundesrat das Projekt «Entflechtung 2027» angekündigt, mit dem die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen in 21 Gebieten überprüft wird. Ende 2027 soll ein konkreter Plan vorliegen. Dies ist löblich, denn die letzte grosse solche Übung liegt mittlerweile fast 20 Jahre zurück.

Die grösste Verzerrung von allen

Was man nicht sieht, ist also häufig mindestens so wichtig wie das, was man sieht. Entsprechend wird die Diskussion um den Bundeshaushalt derzeit stark mit dem Taschenrechner geführt. Die Politik sollte nicht aus den Augen verlieren, dass auch eine klare Aufgabenteilung zwischen den Staatsebenen, ein Durchforsten des Regulierungsdickichtes sowie die Behebung von Wettbewerbsverzerrungen wichtig sind – hier wartet überall viel Arbeit.

Die Kürzung von Ausgaben auf Ebene des Bundes ist immerhin ein erster, wichtiger Schritt. Denn diese erlaubt es, die Steuern konstant zu halten, wenn nicht sogar zu senken. Und dieser Punkt deutet auf eine der grössten Verzerrungen von allen hin: Jede Staatsausgabe muss letztlich mit einer Staatseinnahme finanziert werden. Die dafür erhobenen Steuern wirken demotivierend für Arbeitnehmende, Investorinnen und Sparer. Genau vor solchen, erst mit der Zeit sichtbaren Folgen hat der Franzose Bastiat gewarnt – doch viele wollen diese partout nicht sehen.

Sämtliche publizierten Beiträge zur «Sommerserie Bundesfinanzen» finden Sie hier