Unlängst «entdeckte» ich als einer, der nicht mit dem Smartphone aufgewachsen ist, für mich die Online-Plattform Uber. Eine Reise in die USA war eine gute Gelegenheit, dieses neue Geschäftsmodell zu testen. Das Unternehmen aus San Francisco hat eine Technologie entwickelt, die es Nachfragern nach Personentransporten erlaubt, mittels einer App auf dem iPhone mit in der Nähe verfügbaren Fahrern in Kontakt zu treten. Der Kunde muss sich bei Uber mit seiner Kreditkarte registrieren. Die Fahrten werden jeweils der Kreditkarte belastet. Am bekanntesten ist die Vermittlung von Taxidienstleistungen (UberX), am strittigsten die Vermittlung des Mitfahrens bei nicht als Taxifahrer lizenzierten Personen (UberPop).
Meine Erfahrungen mit UberX in den USA und der Schweiz waren, mit Ausnahme des Abholens am Flughafen, hervorragend. Die Fahrten waren deutlich billiger als mit einem Taxi, das man vor dem Hotel oder auf der Strasse nimmt. Trotzdem waren die Autos in besserem Zustand und die Fahrer freundlicher, als ich es von Boston, das ich recht gut kenne, gewohnt war. Das mag damit zu tun haben, dass einem die App nach jeder Fahrt einlädt, die Fahrt zu bewerten. Erstaunlich war, dass die Wartezeit auf ein Auto selten mehr als wenige Minuten betrug, auch etwas ausserhalb der Zentren. Sie wird einem zudem dadurch verkürzt, dass man auf dem iPhone beobachten kann, wo sich der Fahrer gerade befindet und wie lange man voraussichtlich warten muss. Da einem mit der Bestellung Autotyp, Name des Fahrers und Handy-Nummer mitgeteilt werden, kann man ihn, wenn es länger dauert, anrufen, um zu fragen, wo er steckt. Umgekehrt kann der Fahrer mitteilen, wenn er in einen Stau gerät.
Faszinierendes Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage
Aber mich faszinierte vor allem, wie hier ein modernstes Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage praktiziert wird. Nach der Bestellung erhält man eine Schätzung des Fahrpreises. Akzeptiert man sie, wird die Fahrt gebucht. Gibt es einen Nachfrageüberhang, wie bei Regen oder in Stosszeiten, wird einem signalisiert, dass auf den «normalen» Fahrpreis ein Zuschlag erhoben wird, etwa 30 Prozent, gelegentlich auch 80 oder 100 Prozent. Das bewirkt zweierlei: Zum einen reagieren Fahrer, die eigentlich nicht arbeiten wollten, oft blitzschnell, um sich diesen Zusatzverdienst zu sichern. Zum andern überlegt sich mancher Kunde, ob er nicht doch lieber einen Kaffee trinkt und wartet, bis der Regen abflaut und die Taxifahrt wieder günstiger wird. Nach der Fahrt erhält man eine Aufstellung des Fahrpreises nach Grundgebühr, Distanz und Zeit. Das ist Marktwirtschaft pur.
Die Sharing Economy, unter der Unternehmen wie Uber oder Airbnb subsumiert werden, ist also nicht eine Verdrängung der «bösen Profitgier» durch uneigennütziges Teilen, im Gegenteil: Hier werden Kleinstunternehmer, die Fahrer, und Kunden zusammengeführt und können auf Anreize reagieren. Die einen wollen gut verdienen und eine Reputation aufbauen, die anderen wollen rasch und kostengünstig an ihr Ziel kommen. Zugleich geht es um Ressourcenschonung: Mit tiefen Preisen bei schwacher und hohen Preisen bei starker Nachfrage werden die Kapazitäten besser ausgelastet. Und dank der neuen Technologie müssen Taxis nicht mehr stundenlang – auf Kosten der Nutzer – am Standplatz warten.
Unternehmer, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen
Die Einwände, die man hören kann und die in alle möglichen Versuche münden, Uber regulatorisch an die Kandare zu nehmen oder gar zu verbieten, sind nicht überzeugend. Uber-Fahrer sind Unternehmer, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Ist das schlecht? Sie finden ihre Fahrtziele dank «Navi» oft besser als klassische Taxifahrer. Wenn ein Kompetenzgefälle zwischen beiden Angeboten besteht, dann eher zugunsten der modernen Vermittlungsform. Zudem schafft die ausgeprägte Transparenz zusätzliche Sicherheit. Wer merkt sich schon immer Name und Nummer des Taxifahrers? Hier hat der Kunde diese Angaben von Beginn weg auf seinem Telefon. Aber klar ist: Uber mischt einen abgeschotteten Markt auf, ist unbequem für ein verkrustetes Gewerbe und ein Paradebeispiel dafür, dass Wettbewerb zwar keine paradiesischen Verhältnisse schafft, aber jede Art von Konsumentenschutz und Regulierung schlägt. Konsumentenfreundliche Behörden müssten den Wettbewerb zulassen.
Dieser Artikel erschien in der Aargauer Zeitung vom 09. Juli 2015.