Die Schweiz wird, wie andere europäische Länder auch, durch zunehmende räumliche Disparitäten geprägt: Das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum konzentriert sich in den grossen Städten und deren Ballungsräumen. Die urbanen Zentren befinden sich alle im Mittelland bzw. südlich des Alpenbogens.
Zentrumsferne Regionen des Berggebietes hingegen – die Seitentäler – haben mit Abwanderung und wirtschaftlichem Strukturwandel zu kämpfen. Dies wirft die Frage auf, wie sich entlegene Talschaften und höhergelegene Regionen des Alpen- aber auch des Jurabogens wirtschaftlich und demografisch stabilisieren lassen. Die vorliegende Studie entwirft hierfür einen konzeptionellen Rahmen. Dabei geht es im Kern um die Rolle der alpinen Haupttäler als bandförmige («axiale») Ballungsräume und die damit verbundenen Zentrumsfunktionen für ihre Seitentäler und das gebirgige Hinterland. Sie werden daher hier auch als Zentrumstäler bzw. als Backbonetäler bezeichnet. Die beiden bedeutendsten alpinen Haupttäler in der Schweiz sind das Alpenrheintal und das Rhonetal, aber auch die Gotthardachse weist aufgrund ihrer Transitfunktion gewisse Eigenschaften eines Zentrumstalsystems auf.
In abgeschwächter Form gilt dies auch für kleinere Haupttäler wie das Engadin. Für den Jurabogen erfüllt das Siedlungsband am Jurasüdfuss vergleichbare Funktionen wie die Haupttäler im Alpenraum. Zentrumstäler verfügen über die Bevölkerung und Wirtschaftskraft einer grösseren Stadt. Als axiale Ballungsräume unterscheiden sie sich aber von den polar-konzentrischen Ballungsräumen klassischer Städte in struktureller Hinsicht: Sie weisen eine geringere Dichte auf, und ihnen fehlt ein städtischer Kern, der als Integrationsmotor dient. Vielmehr sind sie polyzentrisch organisiert, politisch fragmentiert und oft durch kleinräumige Rivalitäten geprägt. Aufgrund dieser Besonderheiten fällt es ihnen schwer, effektive Zentrumsfunktionen für ihr Umland zu erfüllen. So mangelt es ihnen etwa an urbanen Qualitäten oder an dichten wirtschaftlichen Clusterstrukturen.
Aus standortpolitischer Sicht lautet die entscheidende Frage: Welche Rahmenbedingungen benötigen die Zentrumstäler, um ihr volles Potenzial zur wirtschaftlichen und demografischen Stabilisierung des Berggebietes zu entfalten? Im vorliegenden Papier werden hierfür strategische Stossrichtungen skizziert und konkrete Massnahmen vorgeschlagen. Dabei geht es darum, die Zentrumstäler in ihren Kernfunktionen zu stärken und weiterzuentwickeln: als Erschliessungskorridore (Verkehr), als bandförmige Cluster (Wirtschaft), als Innovationstäler (Bildung), als funktionale Räume (Raumplanung) und als Talstädte (Architektur, Städtebau). All dies macht sie zu Entwicklungsachsen des Berggebietes.
Kartenset als Beilage zu dieser Studie
Dieser Studie liegt ein separates Kartenset aus 18 Themenkarten mit Struktur- und Branchendaten bei. Die eigens für diese Studie erstellten Karten umfassen die drei grossen Zentrumstalsysteme des Schweizer Alpenbogens: Das Rhonetal im Westen, das Alpenrheintal im Osten und die Gotthardachse im Zentrum.