Die flankierenden Massnahmen (FlaM) wurden 2004 als Begleitmassnahme zur Personenfreizügigkeit eingeführt. Die Angst vor Lohndruck aus dem Ausland hat sich jedoch als weitgehend unbegründet erwiesen. Vielmehr haben die FlaM selbst negative Auswirkungen: Sie erschweren die Integration von Berufs- und Quereinsteigern, Tiefqualifizierten, Älteren und Flüchtlingen. Sie verteuern die Arbeit und leisten so Automatisierung und Auslagerung Vorschub. Und sie zementieren die Hochpreisinsel, weil sie teilweise den Wettbewerb ausschalten. Die FlaM haben damit kontraproduktive Wirkungen zum ursprünglich angedachten Zweck. Ein Rückbau der FlaM liegt im Interesse eines liberalen Arbeitsmarktes und derjenigen, die neu in den Arbeitsmarkt einsteigen wollen.
Die Personenfreizügigkeit hat zur verstärkten Zuwanderung von hochqualifizierten Erwerbspersonen geführt, die auf dem Schweizer Arbeitsmarkt fehlten (hier geht’s zur Aufzeichnung der Pressekonferenz).
Die Ergänzung des einheimischen Arbeitskräftepools war eine entscheidende Grundlage für die Schaffung neuer Stellen auf den unteren und mittleren Qualifikationsstufen. Die Effekte der Zuwanderung auf die Beschäftigungschancen von Inländern sind daher überwiegend positiv, wie zahlreiche Studien unabhängig voneinander belegen. Auch die Lohnentwicklung und die Lohnverteilung wurden durch die Personenfreizügigkeit im Allgemeinen nicht negativ beeinflusst. Profitiert haben also besonders tiefqualifizierte inländische Arbeitnehmer.
Anders als die Personenfreizügigkeit wirken sich die FlaM negativ auf den Arbeitsmarkt aus, weil ihnen ein grundlegender Irrtum zugrunde liegt. Das politische Ziel besteht darin, die Inländer vor der Arbeitsmarktöffnung zu schützen. Das mit den FlaM eingeführte System von Mindestlöhnen schützt aber primär die Insider, d.h. all jene, die bereits in den Arbeitsmarkt integriert sind. Für Berufs- oder Quereinsteiger erschweren Mindestlöhne hingegen den Einstieg in den Arbeitsmarkt oder den Berufswechsel. Dies führt zu einem Anstieg der strukturellen Arbeitslosigkeit, vor allem bei Jugendlichen. Zudem wird tiefqualifizierte Arbeit durch die Mindestlöhne verteuert, was die Automatisierung oder Verlagerung ins Ausland verstärkt und das Jobwachstum hemmt.
Dazu kommt die Zweckentfremdung der FlaM in einzelnen Branchen, die sich vor ausländischer Konkurrenz schützen, indem sie den Preiswettbewerb mittels Mindestlöhnen unterbinden, beispielsweise im Baugewerbe oder bei den privaten Sicherheitsdienstleistungen.
In der neuen Studie «Risiken und Nebenwirkungen der Flankierenden» zeigt Avenir Suisse den Reformbedarf auf, um die negativen Auswirkungen auf den Schweizer Arbeitsmarkt zu reduzieren:
- Die im Rahmen der FlaM eingeführte erleichterte Allgemeinverbindlichkeit von Gesamtarbeitsverträgen sollte gestrichen werden, weil sie zu einer deutlich steigenden Zahl von Mindestlöhnen geführt hat. Diese Massnahme würde neue Jobs schaffen und bei der Integration von Neu- und Wiedereinsteigern in den Arbeitsmarkt helfen.
- Die FlaM sollen nur noch in Branchen zur Anwendung kommen, in denen ökonomische Indikatoren – etwa die Verdrängung bisher Beschäftigter, sinkende Reallöhne oder eine steigende Diskrepanz zwischen Löhnen von Neuangestellten und bereits Beschäftigten –negative Veränderungen des Arbeitsmarkts klar belegen. In Branchen ohne negative Auswirkungen ist die Flankierung des Arbeitsmarktes hingegen überflüssig.
- Die weiteren Massnahmen FlaM (z.B. Kontrolltätigkeiten, Subunternehmerhaftung usw.) sollen schrittweise auf ein normales Mass reduziert werden. In der Zeit seit Einführung der Personenfreizügigkeit hatten die Akteure die Möglichkeit, sich an die neuen Verhältnisse anzupassen. Der Arbeitsmarkt muss nun schrittweise wieder den Marktmechanismen unterstellt werden.
Der flexible Arbeitsmarkt ist einer der grössten Trümpfe des Wirtschaftsstandortes Schweiz und eine zentrale Grundlage unseres Wohlstandes. Die Liberalisierung des Arbeitsmarktes für tiefere Qualifikationen ist deshalb eine Investition in die Zukunft. Sie hilft, Berufs- und Quereinsteiger, ältere Arbeitslose und letztlich auch Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren und verhindert künftige (Langzeit-)Arbeitslosigkeit. Ausserdem bleibt die inländische Arbeit als Produktionsfaktor attraktiv, was Auslagerungen ins Ausland und Automatisierungen entgegenwirkt.