Die Rundfunkförderung kann heute nicht mehr mit technischen Aspekten wie z.B. Frequenzknappheit begründet werden. Im Vordergrund steht vielmehr die Sicherstellung einer Produktion von medialen Inhalten mit nationalem, identitätsstiftendem Bezug. Das gilt vor allem für kleine Länder und Regionen, in denen der heimische Markt ein zu geringes Ertragspotenzial (z.B. via Werbung oder Pay-TV) bietet, um aufwändige fixkostenintensive Sendeformate zu finanzieren. Das gilt generell für die Schweiz, aber besonders für das Tessin und die französischsprachige Westschweiz. Erfahrungen aus Neuseeland (das sich mit ca. 4,5 Mio. Einwohnern mit dem Deutschschweizer Medienmarkt vergleichen lässt) illustrieren, dass sich beim TV etwa beim Genre Drama / Comedy erfolgreiche nationale Produktionen lediglich zu etwa 25% bis 35% über Werbeerlöse finanzieren lassen.
Zweifellos gibt es anekdotische Evidenz dafür, dass die heute existierenden Sendeformate der SRG vermehrt kommerziellen Charakter aufweisen (ausländische Spielfilme, Seifenopern, Talkshows, Fussball etc.). Auch wenn die Bundesverfassung (Art. 93) und die geltende SRG-Konzession Unterhaltung als Service public vorsehen, sollte sich das Engagement der SRG auf komplementäre Inhalte beschränken, die aufgrund mangelnder Marktfähigkeit eben nicht von Privaten erbracht würden. Dazu aber kann auch Unterhaltung zählen, sofern diese identitätsstiftend ist und – wegen des fehlenden marktlichen Ertragspotenzials – nicht von privaten Akteuren gesendet würde. Umgekehrt ist es wegen relativ tiefer Kosten keineswegs so, dass reine Informationssendungen (News, Polittalk etc.) im Markt gar nicht entstehen würden.
Ex-ante-Prüfverfahren
In diesem Kontext ist es weder möglich noch sinnvoll, einen abschliessenden Leistungs- bzw. Programmkatalog für die SRG zu definieren – zu gross wäre der Interpretationsspielraum. Eine Begrenzung des SRG-Engagements kann dagegen fallweise erfolgen. Eine Art Bewilligungsprozess könnte sich an den in Europa etablierten Mechanismen zur Einhaltung des «Beihilferechts» (Verbot marktverzerrender Subventionen) orientieren. Medienspezifische Ex-ante-Prüfverfahren wurden vor allem mit Bezug auf die Online-Expansion öffentlicher Sendeanstalten etabliert. Dazu gehören etwa der «Public Value Test» (GB) sowie der «Dreistufentest» (D). Die beiden Verfahren dienten zudem als Vorbild bei der Definition europaweiter Regelungen zur Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (sog. Amsterdam Test).
Der Public Value Test prüft, ob (neue) Angebote der BBC dem öffentlichen Auftrag entsprechen (etwa als Beitrag zur meritorischen Vielfalt) und inwiefern sich diese auf den privaten Wirtschaftssektor auswirken (Existenz von Wettbewerbsverzerrungen). Die beiden Prüfverfahren werden von unterschiedlichen Gremien durchgeführt. Die inhaltliche Prüfung erfolgt durch BBC Trust (ein 12-köpfiges, von der BBC unabhängiges Expertengremium), die wettbewerbliche Begutachtung durch Ofcom (Kommunikations-Regulierungsbehörde). Der BBC Trust fällt die finale Entscheidung: Er kann der BBC Leistungen untersagen, oder – was in der Praxis häufiger ist – Leistungen mit Auflagen zulassen.
Grenzen des Public Value Test
Ein analoges Verfahren wäre auch in der Schweiz nützlich und möglich – obschon das Land kein Beihilferecht kennt. Allerdings illustrieren die europäischen Erfahrungen auch die Grenzen der Wirksamkeit. Der Public Value Test ist ein aufwändiger Prozess, vor allem wenn er auch einzelne Sendeformate beurteilen soll. Die Verfahren dauern drei bis sechs Monate, bis zur finalen Entscheidung vergehen häufig weitere Monate. Zudem gilt der wettbewerbliche Teil des Tests wegen schwieriger Marktabgrenzungen als komplex (z.B. Medien versus Suchmaschinen oder Telekomanbieter).
Gerade wegen der beschränkten (isolierten) Wirkung des Public Value Test hat Avenir Suisse in der Studie «Medienförderung im digitalen Zeitalter» eine Beschränkung der SRG-Erträge (Cap) als nötiges ergänzendes Instrument vorgeschlagen. Dieser Ansatz ist umso relevanter, als die realen Gebühreneinnahmen seit 1990 nicht nur wegen höherer Tarife stiegen, sondern auch aufgrund der Bevölkerungszunahme. Und die stetig wachsenden finanziellen Mittel sind letztlich die Grundlage für die Expansion der SRG und damit verbundene (wachsende) Wettbewerbsverzerrungen. Gerade weil der Ertrags-Cap global formuliert ist und keine detaillierte Diskussion um Service-public-Inhalte voraussetzt, wirkt er in der Praxis effektiver gegen eine marktverzerrende Expansion der SRG.