Sind die Schweizer Mieten und Immobilienpreise in den letzten 20 Jahren vorwiegend wegen der Zuwanderung gestiegen? Diese Frage gewinnt in der hiesigen politischen Debatte an Bedeutung. Während viele rasch eine Antwort parat haben – auch ohne fundierte Datengrundlage und sorgfältige Analyse – gestaltet sich die wissenschaftliche Untersuchung wesentlich komplexer.

Zahlreiche Faktoren können die Immobilienpreise beeinflussen, darunter die aktuelle und erwartete Einkommensentwicklung, Zinssätze, Baukosten, die Alterung der Bevölkerung, Raumplanung, Bewilligungspraxis und vieles mehr. Zudem ist die Bestimmung kausaler Zusammenhänge schwierig: Eine florierende Wirtschaft führt sowohl zu steigenden Immobilienpreisen als auch zu erhöhter Zuwanderung. Kann der isolierte Effekt der Migration eindeutig gemessen werden?

Die Frage der Kausalität

Die wohl ausführlichste akademische Studie zu diesem Thema stammt von Forscherinnen und Forschern der Universität Fribourg (Helfer et al., 2023). Sie wurden vor einigen Wochen von der Schweizerischen Gesellschaft für Volkswirtschaft und Statistik mit dem Preis für den besten Forschungsbeitrag des Jahres ausgezeichnet. Die Autoren stützen methodologisch auf einen Ansatz des US-Ökonomen (und Nobelpreisträgers) David Card: Historisch haben sich Zuwanderer aus verschiedenen Nationalitäten in unterschiedlichen Regionen der Schweiz niedergelassen, oft aus sprachlicher oder kultureller Affinität. Beispielsweise konzentrierte sich die portugiesische und spanische Migration auf die Westschweiz, während sich Deutsche eher in deutschsprachigen Grossstädten wie Zürich niederliessen.

Diese Muster gelten heute noch. Wenn die Zuwanderung auf nationaler Ebene zunimmt, wird sie sich – je nach Herkunft der Migranten – auf ihre jeweiligen «Hochburgen» konzentrieren. Die regionale Verteilung der Migranten ist dabei unabhängig davon, wie sich die übrigen preisbestimmenden Faktoren (z. B. Wirtschaftslage und Wohnungsleerstand) in diesen Regionen entwickelt haben. So lassen sich Aussagen über den kausalen Beitrag der Zuwanderung auf die Mieten und Immobilienpreise treffen.

In dieser Untersuchung vergleichen die Autoren die Veränderungen der Immobilienpreise in Regionen mit historisch hohem und niedrigem Anteil an zugezogenen Ausländern aus dem EU-15-Raum vor und nach der Einführung der Personenfreizügigkeit mit der EU (PFZ). Die Grafik fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen. Die graue Linie zeigt die jährlichen Preissteigerungen (in Prozent) für Einfamilienhäuser und Stockwerkeigentum in Gebieten mit dem historisch höchsten Ausländeranteil, vorwiegend in den Schweizer Grossstädten, in der Genferseeregion und im Tessin. Die rote Linie hingegen repräsentiert die entsprechenden Effekte in Regionen mit mittlerer Zuwanderung. Diese Preissteigerungen sind relativ zu den übrigen Regionen gemessen, in denen die Zuwanderung gering war. Den stärksten Einfluss auf die Preise hatte die Migration in Gebieten mit bereits hohem Ausländeranteil, unmittelbar nachdem die PFZ 2002 in Kraft getreten war.

Ein Fünftel aufs Konto der PFZ

Kumuliert man die Wachstumsraten zwischen 2002 und 2012, ergibt die obige Schätzung eine PFZ-bedingte Zunahme der Eigenheimpreise von bis zu 20 Prozent. Ist das viel? In den betrachteten zehn Jahren nahmen die Einfamilienhauspreise schweizweit um 45 Prozent, jene für Stockwerkeigentum um 75 Prozent zu. In den Regionen mit traditionell hohem Ausländeranteil – etwa am Genfersee – verdoppelten sie sich. Gemäss der Analyse der Universität Fribourg geht somit rund ein Fünftel des Preisanstieges auf das Konto der Personenfreizügigkeit. Der Grossteil des Preisanstieges war hausgemacht: Die gute Konjunktur, die fallenden Zinsen trugen entscheidend dazu bei. Zudem flachte der Preiseffekt der PFZ mit der Zeit ab, weil das Wohnungsangebot  reagierte. In den Regionen mit hohem Migrantenanteil war der Effekt nur noch bis 2012 spürbar.

Aufgrund der mangelhaften Datengrundlage kann diese Analyse für den Mietwohnungsmarkt nicht unverändert übernommen werden. Die Autoren verwenden eine methodologisch ähnliche Schätzung, die eine stärkere Wirkung der Zuwanderung auf die Neumieten nachweist. Bei einem jährlichen Zuzug von Einwanderern in der Höhe von 1 Prozent der Bevölkerung einer Region nahmen die Neumieten um 7 Prozent zu. Allerdings betrifft der gemessene Effekt nur die Neuvermietungen, die ja einen geringeren Teil des Mietwohnungsmarktes ausmachen.

Zuwanderung regt Investitionen an

Dass eine unterwartet starke Migration die Eigenheimpreise und die Mieten bewegen kann, wird niemanden überraschen. Immobilien lassen sich nicht über Nacht planen, bewilligen, bauen und vermarkten; in der Schweiz wohl noch weniger als anderswo.

Zudem ist die Nachfrage nach Wohnraum wenig preissensitiv: Die Mieter sind nicht beliebig mobil und passen ihren Wohnkonsum nur verzögert an. Steigen die Mieten und Eigenheimpreise, ziehen sie nicht deshalb in eine kleinere Wohnung um – sie zahlen einfach mehr. Diese Preiserhöhungen regen aber mittel- bis langfristig die Bautätigkeit an. Wie die oben wiedergegebene Analyse nahelegt, war die induzierte Angebotserweiterung – wenn auch mit Verzögerung – insgesamt wirksam. Zehn Jahre nach der  Einführung der PFZ gingen keine messbaren Effekte dieser Arbeitsmarktöffnung auf die Eigenheimpreise mehr aus.

Zuwanderung kann somit kurzfristig zu einer Überlastung des Wohnungsmarktes beitragen, die höhere Kosten für die Einheimischen verursacht und die Lebensqualität beeinträchtigt. Doch man darf bei einer Güterabwägung die Vorteile der PFZ nicht aus den Augen verlieren: Einwanderer bringen oft Innovationen ins Land, und auch die Einheimischen profitieren von steigenden Einkommen. Um noch besser von diesen Vorteilen zu profitieren, muss also auch möglich sein, mit geringeren bürokratischen Hürden neue Wohnungen zu bauen.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie in der Avenir-Suisse-Studie «Mieten und Mythen».