Avenir Suisse: In Österreich beginnen bald die Verhandlungen über den Finanzausgleich. Was nehmen Sie von Ihrem Besuch bei Avenir Suisse mit?
Hermann Schützenhofer: Vor allem, dass es hier einen völlig anderen Finanzausgleich gibt mit der weitgehenden Steuerautonomie der Kantone. Österreich hat keine vergleichbaren Strukturen. Wir diskutieren derzeit, ob die Bundesländer Steuerautonomie bekommen sollen. Ich war immer der Meinung, dass Österreich zu klein sei für zehn Steuersysteme (Bund und 9 Bundesländer, Anm. Red.). Nach den ersten Gesprächen hier sehe ich auch, dass ein solches System Vorteile haben kann.
Wo drückt der Schuh am meisten in Österreich, das heisst: Wo besteht aus Ihrer Sicht die grösste Chance für Reformen?
Da gibt es mehrere Bereiche. Zum einen wären da die ASVG-Pensionen (ähnlich AHV, Anm. Red.), wo der Staat mittlerweile pro Jahr 15 Mrd. € an Zuschüssen entrichtet. Schwierig ist auch die Gesundheits- und Spitalsfrage. Wir haben 278 Spitäler – also zu viele. Es wird nicht leicht sein, die Qualität der medizinischen Versorgung zu heben und dennoch die Kosten in den Griff zu bekommen. Auch in der Pflege fallen bald 5 Mrd. € für den Staat an, und es gibt bisher keine Vereinbarungen zwischen dem Bund und den Ländern im Sinne einer nachhaltigen Finanzierung.
Ausserdem ist es wichtig, dass wir in Österreich die Regulierungswut in den Griff bekommen. Sie bindet zu viele Ressourcen in den Unternehmen. Wir müssen dringend dafür sorgen, dass etwa die Verfahren für Betriebsansiedlungen und -erweiterungen weniger lange dauern. Es darf nicht sein, dass Unternehmen deshalb ins Ausland abwandern und nicht in Österreich investieren.
Welche Verbundausgaben würden Sie gerne an die Bundesländer delegieren?
Das wären insbesondere die Schulen. Mit der grösseren lokalen Schul-Autonomie sind wir bereits ein Stück weiter gekommen. Derzeit laufen – im Rahmen des Finanzausgleichs –Verhandlungen über die Auslagerung der Schulen an die Länder. Wir versprechen uns davon eine grössere Nähe zu den Bürgern und eine höhere Flexibilität.
Haben die Finanzausgleichsverhandlungen ein strategisches Ziel?
Österreich braucht einen völlig neuen Finanzausgleich, der aber bis zum 1. Januar des kommenden Jahres nicht umsetzbar ist. Wir müssen endlich aufhören mit der «Loch-auf-Loch-zu-Politik», die jeweils kurz vor Weihnachten einen Kompromiss zu Tage fördert. Unser seit 40 Jahren de facto konservierter Finanzausgleich braucht eine grundlegende Reform, und zwar ohne dass sich die Länder gegeneinander ausspielen. Wir müssen vielmehr gemeinsam mit dem Bund neue Wege gehen und neue Strukturen schaffen.