Die Anfänge der Pharmaindustrie liegen, wie bei so vielen Erfolgsgeschichten der Schweizer Wirtschaft, im Ausland. Zu einem Entwicklungsschub führte das französische Patentgesetz von 1844. Ganze Scharen von erfindungsreichen Chemikern wichen deshalb ins nahe Basel aus, wo es vor allem in der Seidenbandindustrie Bedarf an synthetischen Farben gab. Dass die Schweiz bis 1888 kein Patentrecht kannte und die schweizerische chemische Industrie auf eigenen Wunsch sogar bis 1907 davon ausgeschlossen blieb, gab den Chemiefirmen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wichtige Impulse.
Früher Vorstoss Richtung Pharma
Doch das Umfeld wurde zunehmend widriger. Die Branche setzte sich nicht nur protektionistisch zur Wehr, sie passte sich auch an das schwierige Umfeld an ‒ und das bedeutete, den Export durch Produktion in den jeweiligen Märkten zu ersetzen. So beschäftigte die Basler chemische Industrie 1925 bereits mehr als die Hälfte ihrer Belegschaft im Ausland. Diese frühe Globalisierung ging einher mit dem Ausbau des Pharmageschäfts, wo Ciba und Sandoz bereits ab Ende der Achtzigerjahre des 19. Jahrhunderts mit der Diversifikation begonnen hatten.
Bei der Neustrukturierung ihrer Branche mittels Fusionen waren die Basler Pharmaunternehmen geradezu pionierhaft ‒ mit zwei der spektakulärsten Zusammenschlüsse der Schweizer Wirtschaftsgeschichte.
Schon die Fusion von Ciba und Geigy zu Ciba-Geigy am 20. Oktober 1970 sorgte für Empörung, die beträchtliche Zeit anhielt. Noch weit entscheidender für die Entwicklung der Pharmaindustrie in der Schweiz war aber am 7. März 1996 die Fusion von Ciba (wie sich Ciba-Geigy ab 1992 nannte) und Sandoz zu Novartis.
Auch bei diesem Schritt herrschten weitherum grosse Sorgen – vor allem um den Basler Arbeitsmarkt. Dass die Börse jubelte, überraschte nicht, doch entscheidend war, was der Schritt strategisch bedeutete, nicht nur für die beiden Firmen, sondern für die ganze Schweizer Pharmaindustrie. Grossen Anteil an der Erfolgsgeschichte hatte Daniel Vasella, der durch die Fusion zum Konzernchef wurde und wenige Jahre später zusätzlich das Präsidium des Verwaltungsrats übernahm.
Wachstums- und Exportmotor
Die Pharmaindustrie baute in der Schweiz trotz der Fusionen und des Strukturwandels Arbeitsplätze auf, teils sogar durch Verlagerungen aus dem Ausland. Zwischen den Jahren 1995 und 2015 wuchs die Zahl der direkt Beschäftigten um jährlich 3,6 Prozent von 21’000 auf 43’000; mit den Angestellten der Zulieferer arbeiteten 2014 insgesamt rund 172’000 Menschen in der Schweiz für die Pharmaindustrie.
Und sowohl Novartis als auch Roche, der zweite Basler Pharmariese, scheinen weiter auf ihr Stammland zu setzen. Das findet in Basel mit dem Bau des Novartis Campus und des kürzlich fertiggestellten Roche-Hochhauses einen weithin sichtbaren Ausdruck und führte auch am Zugersee zu einem Pharmacluster.
Noch beeindruckender als die Entwicklung der Arbeitsplätze ist jene der Wertschöpfung und damit der Exporte. In den vergangenen 20 Jahren wuchs die Pharmaindustrie zur mit Abstand wichtigsten Exportbranche der Schweiz heran. Noch 1990 hatte sie «nur» einen Anteil von 10 Prozent an den Exporten, 2014 waren es 34 Prozent. Und wertmässig verneunfachten sich die Schweizer Pharmaexporte in diesem Zeitraum auf mehr als 70 Milliarden Franken.Im Zentrum der Pharmaforschung steht heute die Biotechnologie. Die Schweiz war zwar in deren Anfängen an der Spitze mit dabei, erkannte zunächst aber zu wenig, welches Potenzial die Biotechnologie auf dem Markt und auch an der Börse hat. Die Erfolge der letzten Jahre zeigen aber, dass die Schweizer in der Grundlagenforschung mithielten und beim Geschäftssinn aufholten. Die Schweiz bleibt ein wichtiger Forschungsstandort.
Richtiger Entscheid
Ausschlaggebend für die gelungene Aufholjagd und die Bewahrung des Forschungsstandorts war zweifelsohne die Entstehung von Novartis aus den Firmen Ciba und Sandoz, die sich dieses Jahr zum zwanzigsten Mal jährt. Damals kommentierte ich in der NZZ: «Die am Donnerstag angekündigte Fusion von Ciba und Sandoz zur Novartis stellt das bedeutendste industriepolitische Ereignis der jüngeren Wirtschaftsgeschichte der Schweiz dar. Die Führungskräfte der beiden Unternehmen haben damit den Mut aufgebracht, zur Erhaltung der weltweiten Konkurrenzfähigkeit <ihrer> Konzerne aus eingefahrenen Traditionen auszubrechen, Besitzstände aufzugeben und Ballast abzuwerfen. Und sie haben zugleich die Weitsicht bewiesen, dies aus einer Position der Stärke heraus zu tun.»
Die letzten 20 Jahre stellen dieses Urteil keineswegs infrage ‒ im Gegenteil.
Dieser Beitrag ist am 23. Februar 2016 in der «Basler Zeitung» erschienen.