Aus volkswirtschaftlicher Perspektive bezahlen die Bahnkunden in der Schweiz nur 41% der Kosten, die sie verursachen. Für den Rest kommt die Allgemeinheit auf. Für die Schweizer Eisenbahnen sieht die Rechnung hingegen anders aus. Aus ihrer Sicht weisen sie einen Kostendeckungsgrad von über 100% aus. Die massive Abweichung entsteht durch die unterschiedliche Berechnung des Kostendeckungsgrades.
Einnahmen versus Ausgaben: 104% Kostendeckung
Die gängige Statistik für den Kostendeckungsgrad auf der Schiene, die Schweizerische Eisenbahnrechnung, wird jedes Jahr durch das Bundesamt für Statistik erhoben. Sie gliedert sich in eine betriebswirtschaftliche und in eine volkswirtschaftliche Berechnung. Die betriebswirtschaftliche Rechnung basiert auf den Einnahmen und den Ausgaben der Bahngesellschaften. Demzufolge kommen die Eisenbahnen 2011 auf einen Eigenfinanzierungsgrad von 104%, den sogenannten «betriebswirtschaftlichen Kostendeckungsgrad II» (vgl. Abb.).
Berichtigung der Einnahmen um Subventionen: 70% Kostendeckung
Nur auf den ersten Blick finanzieren sich die Bahnen aus eigenen Einnahmen. In der betriebswirtschaftlichen Rechnung werden Abgeltungen der öffentlichen Hand für das von Bund und Kantonen bestellte Regionalverkehrsangebot sowie Beiträge für die Infrastruktur als Einnahmen verbucht. Für den Steuerzahler jedoch sind das Kosten. Zieht man diese Subventionen (2011: 3,35 Mrd. Fr.) von den Erträgen ab, sinkt der Kostendeckungsgrad auf 70% («betriebswirtschaftlicher Kostendeckungsgrad I»).
Berücksichtigung theoretischer Zinskosten: 44% Kostendeckung
Im Kostendeckungsgrad I verstecken sich noch weitere Subventionen: Dass der Bund bei den angehäuften Defiziten der Bahnen auf Zinszahlungen verzichtet, hat den Steuerzahler 2011 5,3 Mrd. Fr. gekostet. Da die Bahnunternehmen darüber hinaus von der öffentlichen Hand Eigenkapital und zinslose Darlehen erhalten, werden anstelle der tatsächlichen Zinsausgaben der Bahnen höhere, kalkulatorische Zinsen angesetzt (1 Mrd. Fr. statt 0,4 Mrd. Fr.). Auch wenn es sich bei diesen Zinskosten nicht um effektive Geldflüsse handelt, werden sie als volkswirtschaftliche Kosten verbucht – denn für den Steuerzahler sind es entgangene Einnahmen. Der «volkswirtschaftliche Kostendeckungsgrad I» beläuft sich auf 44%.
Inkl. Spezialfinanzierungen und Pensionskassenkosten: 41% Kostendeckung
Das war noch nicht alles. Berücksichtigt man zusätzlich die Schuldzinsen auf Kredite für Spezialfinanzierungen (1,26 Mrd. Fr.), etwa die NEAT oder die Sanierung der SBB-Pensionskasse, sinkt der Eigenfinanzierungsgrad auf schmächtige 41% («volkswirtschaftlicher Kostendeckungsgrad II»).
Mit ihren Einnahmen decken die Bahnen bei dieser umfassenderen Betrachtung also nur gut zwei Fünftel ihrer Kosten. Aber selbst in dieser Kostenberechnung verbergen sich noch Sondereffekte, die den Eigenfinanzierungsgrad höher erscheinen lassen, als er tatsächlich ist. Die SBB etwa generiert einen Teil ihrer Einnahmen aus ihrem Immobiliengeschäft und subventioniert damit ihr Kerngeschäft, den Personenverkehr, quer. Hinzu kommt der Pendlerabzug bei der Steuer, der die Mobilitätsnachfrage künstlich erhöht und die Eigenfinanzierung von Strasse und Schiene um weitere 1,8 Mrd. Fr. pro Jahr reduziert.
Bei Berücksichtigung sämtlicher verkehrsbedingter Kosten: 66% Kostendeckung
Zu einem ganz anderen Eigenfinanzierungsgrad im Schienenverkehr kommt – aus methodischen Gründen – die «Transportrechnung des Bundes». Berücksichtigt man hier die Abgeltungen der öffentlichen Hand für das bestellte Verkehrsangebot und für Infrastrukturbeiträge, resultiert ein Kostendeckungsgrad von 93%. Ohne diese Zahlungen ergibt sich eine Eigenfinanzierungsquote von 66%. Für den Vergleich von Schiene und Strasse berücksichtigt die Transportrechnung sämtliche verkehrsbedingten Kosten: Anschaffung und Unterhalt von Fahrzeugen, Infrastruktur, aber auch externe Unfall- und Umweltkosten (etwa Luft- und Lärmbelastung). Die theoretischen Zinsen auf die angesammelten Defizite werden hingegen ausgeklammert.