Vor kurzem endete die Vernehmlassungsfrist für vier wichtige Vorhaben auf dem Gebiet der Finanzmarktregulierung, die schwergewichtig auf die Stärkung der Eigenmittel der Banken und die Erhöhung der Systemstabilität des Finanzsystems abzielen. Konkret ging es um die Umsetzung der «Too-big-to-fail»-Vorlage, die schweizerische Einführung von Basel III, einen antizyklischen Eigenkapital-Puffer und die Eigenmittelunterlegung im Hypothekarmarkt.
Strengere Eigenkapital-und Liquiditätsanforderungen und eine bessere Erfassung von Risikopositionen sind ohne Zweifel der zentrale Ansatzpunkt, um riskanten Geschäftsmodellen von Banken entgegenzuwirken. Insofern gehen die regulatorischen Vorhaben in der Schweiz in die richtige Richtung. Betrachtet man jedoch deren Komplexität, so kann man sich gleichwohl fragen, ob die Finanzmarktregulierung auf dem richtigen Weg ist, wenn sie das Heil in einer immer komplexeren Feinsteuerung des Risikomanagements sucht.
Wie definiert man Stabilität?
Grundsätzlich braucht jede hoheitliche Regulierung ein klares Ziel-Mittel-System , eine unabhängige Aufsicht mit klaren Kompetenzen und einem guten Informationsstand – damit die Regulatoren auch prompt auf Fehlentwicklungen reagieren können.
Ausgangspunkt ist deshalb die Frage, wie sich Finanzstabilität überhaupt definieren lässt und wie sie operativ erreicht werden kann. Leider gibt es dafür bis heute kein klares, eigenständiges Konzeptwie etwa in der Geldpolitik. Grundsätzlich spricht man von Finanzstabilität dann, wenn ein Finanzsystem seine gesamtwirtschaftliche Funktion der effizienten Allokation von Kapital und Risiko jederzeit erfüllt und sich gegenüber exogenen Schocks als widerstandsfähig erweist.
Man wird kaum behaupten können, dies sei ein klar fassbares, leicht anwendbares Ziel-Mittel-Konzept für die Regulierung. Und diese Unschärfe hat zwei ernst zu nehmende Konsequenzen: Zum einen verdeckt sie Zielkonflikte und zum andern fördert sie vermutlich die regulatorische Feinsteuerung.
Der aktuelle Zielkonflikt besteht darin, dass man von Banken verlangt, die Wirtschaft ausreichend mit Krediten zu versorgen, aber gleichzeitig weniger Risiken einzugehen.
Die Tendenz zur Feinsteuerung zeigt sich in einer immer schneller drehenden Regulierungsspirale. Die Instanzen, die schon für Basel I und II verantwortlich waren, stehen auch für deren Weiterentwicklung wieder in der Verantwortung.
Kaum eine Bank kommt mehr ohne den eigenen Revisionspezialisten aus
Da die bisherigen Regulierungen bekanntlich sowohl gewisse krisenverschärfende Transaktionen begünstigt als auch entsprechende Verhaltensweisen gefördert haben, sind die Regulatoren versucht, es mit Feinsteuerung besser machen zu wollen. Denn ein Scheitern des aktuellen Regulierungsansatzes werden die Regulatoren wohl kaum einfach eingestehen. Dieses Verhalten hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, dass die Politik bei Regulierungsvorhaben kurz nach einer Krise stets dazu neigt, sich allzu stark auf die künftige Vermeidung des gerade erlebten Krisentypus zu konzentieren.
Der Finanzmarkt gehörte schon vor Beginn der aktuellen Krise zu den relativ stark regulierten Bereichen der Wirtschaft. Allerdings konzentrierte sich die Aufsicht auf die einzelnen Institute, während potenziell systemische Risiken nach einhelliger Ansicht zu kurz kamen. Die Regulierung der Finanzinstitute ist so ausgeprägt, dass heute in vielen Banken fast permanent Kontrolleure und Revisionsspezialisten anwesend sind, was grosse administrative Kosten verursacht. Zudem stärkt es wahrscheinlich die Selbstverantwortung der Banken nicht, weil diese versucht sein könnten, sich allzu sehr auf die Regulatoren zu verlassen.
«Banking is risk taking» und es wäre wohl naiv zu glauben, durch eine immer anspruchsvollere Regulierung liessen sich sowohl die Risiken des Bankgeschäfts als auch das Systemrisiko endgültig bannen. Das Finanzsystem gegen alle Risiken absichern zu wollen, widerspräche seiner grundlegenden Funktionsweise. Es bräuchte dann eigentlich gar keine Banken mehr, die Kreditvergabe könnte ebenso gut von der Nationalbank oder der Finma betrieben werden. Wir müssen auch in Zukunft mit Ungleichgewichten, Ansteckungen und endogenen Systemrisiken leben.Eine «kluge» Finanzmarktregulierung versucht deshalb, die Fähigkeit des Finanzsystems über den regulatorischen Rahmen zu stärken, ohne jedoch die Marktaktivitäten unnötig zu verbieten oder einzuschränken.