Bei der Analyse der Migrationsströme geht es auf Bundes- wie auch auf Kantonsebene um die «Nettowanderung», den Saldo zwischen Ein- und Auswanderung von Ausländern. Neben der internationalen Wanderung gibt es eine interkantonale Wanderung, die sogenannte Binnenwanderung. Um die gesamten Wanderungsströme pro Kanton zu erfassen, muss man die beiden Wanderungssaldi addieren. Dabei sollte nicht ausser Acht gelassen werden, dass bei der Binnenwanderung Ausländer ihren Wohnort in einen anderen Kanton verlegen, die vielleicht schon seit 20 Jahren in der Schweiz leben, aber nicht eingebürgert sind.
Was bedeutet das konkret? Der Kanton Aargau beispielsweise verzeichnete 2012 eine Nettozuwanderung von 3‘196 Personen aus dem Ausland und von 1‘003 Ausländern aus anderen Kantonen, was einem kumulierten Saldo von 4‘199 Ausländern entspricht. Im Kanton Graubünden lag die Nettozuwanderung aus dem Ausland 2012 bei 329 Personen. Im gleichen Jahr haben aber netto 664 Ausländer den Kanton über die Binnenwanderung verlassen. Somit resultierte unter dem Strich eine Nettoabwanderung von 335 ausländischen Personen.
Unterschiedliche Entwicklung
Die meisten Kantone erlebten seit der stufenweisen Einführung der Personenfreizügigkeit im Jahr 2002 einen Anstieg der Nettozuwanderung aus dem Ausland. Exemplarisch dafür steht der Kanton Zürich, wo seit 2002 netto fast 150‘000 Ausländer zugewandert sind, was in etwa 10% der heutigen Zürcher Bevölkerung entspricht. In den zehn Jahren davor betrug die Nettoeinwanderung mit 48‘000 nicht einmal einen Drittel davon. Berücksichtigt man zusätzlich die Binnenwanderung im Zeitraum 2002 bis 2012, vergrössert sich die ausländische Zuwanderung nochmals etwas, aber nur um rund 5‘200 Personen, was 3,5% der Zuwanderung aus dem Ausland ausmacht (siehe Grafik).
Das Beispiel des Kantons Basel-Stadt zeigt, dass die Binnenwanderung auch gegen den Trend der internationalen Zuwanderung laufen kann. Mit netto rund 28‘000 Personen seit 2002 hat sich die Zuwanderung aus dem Ausland gegenüber den zehn vorhergehenden Jahren mehr als verdoppelt. Im Verhältnis zur kantonalen Bevölkerung macht die Zuwanderung aus dem Ausland seit 2002 fast 15% aus. Da in diesem Zeitraum aber (netto) 7‘600 Ausländer den Kanton in Richtung andere Kantone verlassen haben, reduziert sich dieser Anteil auf 11%. Die Abwanderung in andere Kantone geht vermutlich auf den begrenzten und teuren Wohnraum in Basel-Stadt zurück, worauf auch die hohe interkantonale Wanderung nach Basel-Land deutet, die beinahe 30% der Einwanderung in den Kanton aus dem Ausland ausmacht. Es ist gut möglich, dass ein Grossteil der nach Basel-Land gezogenen, ausländischen Erwerbstätigen weiterhin in Basel-Stadt arbeitet.
In den meisten Kantonen summiert sich die seit 2002 erfolgte ausländische Zuwanderung (internationale und Binnenwanderung) auf weniger als 10% der heutigen Einwohnerzahl. Die Binnenwanderung hat teilweise grossen Einfluss auf diese Zahlen. Die relativ grösste Binnenzuwanderung wies im Zeitraum 2002-2012 der schon erwähnte Kanton Basel-Land (29,5%) auf, gefolgt von Freiburg (20,8%) und dem Aargau (19,8%). In Appenzell Innerrhoden hingegen beträgt diese Quote -53,5%. 100 aus dem Ausland zugezogenen Einwanderern stehen also 54 Ausländer gegenüber, die von Appenzell Innerrhoden in einen anderen Kanton wegzogen. Somit reduziert sich die Nettozuwanderung in Appenzell Innerrhoden von 3,2% auf gesamthaft nur noch 1,5% der gesamten Bevölkerung.
Keine fixen kantonalen Kontingente
Die Kantone sind also ganz unterschiedlich von der Zuwanderung betroffen und weisen eine für die ausländischen Einwanderer unterschiedliche Attraktivität auf. Es wäre aber ein Fehler, auf der Basis dieser Zahlen kantonale Kontingente zu fixieren, um so die derzeitigen Anteile an ausländischen Einwanderern langfristig zu sichern. Und die Wanderung innerhalb der Schweiz müsste bei einer Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative mittels Kontingenten unbedingt berücksichtigt werden, denn nur weil ein Ausländer in einen bestimmten Kanton einwandert, muss er noch lange nicht über längere Zeit an diesem Ort bleiben. Damit sich Ausländer auch in Zukunft an den wertschöpfungsintensiven Standorten frei niederlassen können und innerhalb der Schweiz so mobil wie möglich bleiben, sollte somit bei der Umsetzung der Zuwanderungsinitiative auf jeden Fall auf starre kantonale Kontingente verzichtet werden.