Seit der Einführung der Neuen Spitalfinanzierung im Jahre 2012 dürfen die Kantone ihre Spitäler nicht mehr selbst finanzieren. Stationäre Leistungen werden neu für alle Spitäler, ob privat oder öffentlich, über leistungsbezogene Fallpauschalen vergütet.
Zur Sicherstellung der Forschung und der universitären Lehre und zur Aufrechterhaltung von Spitalkapazitäten aus regionalpolitischen Gründen dürfen die Kantone aber gemeinwirtschaftliche Leistungen (GWL) ausrichten. Das Spektrum der GWL, die aus «regionalpolitischen Gründen» gesprochen werden, ist allerdings im Gesetz nicht näher umschrieben. In der Praxis können GWL etwa die Finanzierung eines lokalen Rettungsdienstes oder die Vorhalteleistungen für Notfälle und Geburtshilfe abdecken. Die Kantone nutzen diesen Definitionsspielraum sehr unterschiedlich aus.
Eklatante Unterschiede zwischen den Kantonen
GWL sind per Definition nicht fallbezogen, sondern allgemeiner Natur. Um den Vergleich der absoluten Ausgaben zwischen den Kantonen zu vereinfachen, ist der Bezug zur Bevölkerungsgrösse oder zum Spitalbettangebot zu erstellen. Dabei sind beträchtliche Unterschiede in der Ausschüttungspraxis von GWL zwischen den Kantonen zu beobachten (siehe Tabelle). Zwischen den tiefsten und höchsten ausgeschütteten GWL pro Einwohner besteht ein Faktor von 120. Während die GWL im Schweizer Durchschnitt bei 214 Fr. pro Einwohner liegt, beträgt dieser Wert in neun Kantonen (z.B. Appenzell Ausserrhoden und Zug mit je 8 Fr.; oder im Wallis mit 23 Fr.) nur ein Drittel davon oder weniger. Die Praxis dieser Kantone zeigt, dass die Spitalversorgung auch ohne extensiven Einsatz von GWL möglich ist.
Andere Kantone sind aber viel grosszügiger in deren Abschüttelungspraxis. Genf schafft den Rekord mit 947 Fr. pro Einwohner, gefolgt von Basel-Stadt (784 Fr.) und Waadt (595 Fr.). Die ausgeschütteten GWL pro Einwohner sind also in diesen Kantonen mehr als doppelt so hoch wie im Schweizer Durchschnitt. Diese drei Kantone verfügen zwar je über ein Universitätsspital, was allenfalls mit höheren Ausgaben für Forschung und Lehre einhergehen könnte. Ein Blick auf die Kantone Bern und Zürich, die beide auch ein Universitätsspital betreiben, zeigt jedoch, dass es auch anders geht: Die GWL pro Einwohner liegen in Zürich bei 116 Fr. und in Bern bei 128 Fr., deutlich unter dem Schweizer Durchschnitt.
Marktverzerrungen durch intransparente Subventionen
Unterschiedliche Abgeltungsformen durch die Kantone sind nicht grundsätzlich problematisch, «…wenn die Vergütung nach objektiven und transparenten Kriterien erfolgt und der Kanton die Leistungen explizit einkauft. Problematisch wird die Vergütung erst dann, wenn der Verwendungszweck und der bezahlte Beitrag nicht genau erkennbar sind…». Ist der Verwendungszweck von GWL nicht klar, kann eine indirekte Subvention für ineffiziente öffentliche Spitäler nicht ausgeschlossen werden. Damit besteht die Gefahr, dass Strukturen erhalten werden, die im System der Fallpauschalen effizienter werden müssten oder ganz verschwinden sollten.
Die Transparenz und die Vergleichbarkeit der GWL zwischen den Kantonen ist heute nicht gegeben. Eine Studie im Auftrag des BAG zeigt, dass keine einheitliche Definition der GWL, bzw. keine klare Abgrenzung zwischen OKP-Leistungen und GWL bestehen. Auch innerhalb eines Kantons ist die Definition der GWL nicht immer eindeutig. In einer Antwort auf ein parlamentarisches Postulat musste der Regierungsrat des Kantons Neuenburg den Verwendungszweck der bezahlten Kantonsbeiträge für das Kantonsspital HNE offenlegen. Dabei konnten für das Jahr 2017 nur 42 Mio. Fr. der insgesamt ausgerichteten 64 Mio. Fr. einem Verwendungszweck zugeteilt werden. 22 Mio. Fr. wurden für Leistungen ausbezahlt, die noch zu identifizieren waren («contributions versées à l’HNE pour des prestations restant à identifier» (sic.)
Problematisch ist es auch, wenn manche Spitäler durch die Abgeltung von gemeinwirtschaftlichen Leistungen bevorzugt werden. 2016 flossen laut Felder et al. 97% der öffentlichen Gelder für GWL an öffentliche und subventionierte Spitäler. Privatspitäler erhielten gerade einmal 3% der schweizweit ausgeschütteten GWL. Dies kann die Konkurrenz zwischen privaten und öffentlichen Einrichtungen verzerren.
Um solche Verzerrungen zu vermeiden, muss der Vergabeprozess der gemeinwirtschaftlichen Leistungen transparenter und fairer gestaltet werden (siehe «Gesunde Spitalpolitik»), zum Beispiel durch die explizite Zustimmung der kantonalen Parlamente. Es steht zudem den Kantonen frei, alle oder einzelne gemeinwirtschaftliche Leistungen möglichst in regelmässigen Abständen (z.B. alle fünf Jahre) auszuschreiben. Damit kann ein (lokaler) Marktpreis für die bestellte Leistung ermittelt werden und allfällige Vorwürfe wegen versteckter Subventionierung bestimmter Spitäler verpuffen.