Zusammen mit der Schweizerischen Management-Gesellschaft (SMG) lud Avenir Suisse zu einer Abendveranstaltung unter dem Titel «Erfolgsmodell Miliz – heute und morgen». Nach Vorträgen von Avenir-Suisse-Projektleiter Patrik Schellenbauer und Riet Cadonau, dem CEO der Kaba Holding, diskutierten Ulrich Bremi, ehemaliger VR-Präsident unter anderem der Swiss Re und der NZZ sowie langjähriger Nationalrat, und Helmut Maucher, der während 20 Jahren als CEO und Verwaltungsratspräsident Nestlé geprägt hat, das Thema. Moderiert wurde der Abend von Carolina Müller-Möhl (Vorstand SMG /Stiftungsrat Avenir Suisse) und Avenir-Suisse-Direktor Gerhard Schwarz.
Gerhard Schwarz eröffnete die erste Veranstaltung in den neuen Büros von Avenir Suisse mit einem Blick in die Vergangenheit und einem in die Zukunft: Das Milizsystem, in dem der Staat von engagierten Bürgern, und nicht, wie in den Nachbarländern, von Beamten getragen wird, habe entscheidend zum Erfolg der Schweiz beigetragen. Diesen «typisch helvetischen Erfolgsfaktor» gelte es zu erhalten, denn «Zukunft braucht Herkunft». Auch Carolina Müller-Möhl betonte in ihrer Begrüssung die Vorteile des «freiwilligen Engagements jenseits persönlichen Vorteils», denn «weder personell noch finanziell könnten wir uns unsere Schweiz sonst leisten».
Nur mehr jeder Dritte engagiert sich
Die grosse Bedeutung des Milizsystems wurde von allen Teilnehmern des Diskussionsabends hervorgehoben. Im täglichen Leben aber dürften weite Teile der Bevölkerung anderer Meinung sein, denn die Zahl der Menschen, die sich im Milizsystem engagieren, hat rapid abgenommen. 1997, so Patrik Schellenbauer, engagierte sich noch jeder Zweite für eine öffentliche Sache, heute sei es nur noch jeder Dritte. Natürlich sei der wahre Umfang der Freiwilligenarbeit nur schwer zu quantifizieren, aber dass das Interesse des Einzelnen an der Allgemeinheit nachlasse, sei eindeutig. Die Gründe dafür sind zahlreich: Die Individualisierung der Gesellschaft, die globalisierte Arbeitswelt, der Trend zum städtischen Leben, ein immer attraktiveres Freizeitangebot sowie die Professionalisierung vieler Bereiche des öffentlichen Lebens. Da der Milizgedanke auch in der Armee an Glaubwürdigkeit eingebüsst hat, plädierte Avenir Suisse 2013 in dem Buch «Ideen für die Schweiz» für den Ersatz der nur noch von einem Sechstel der Bevölkerung wahrgenommenen Wehrpflicht durch einen «Bürgerdienst für alle», für Männer und Frauen, für Schweizer und niedergelassene Ausländer – nicht zuletzt, um den Milizgedanken in der Gesellschaft neu zu befeuern.
Früher sorgte das Militär für Erdung
Riet Cadonau thematisierte unter anderem die starke «Kohäsionsfunktion», die die Schweizer Armee früher hatte. Im Militär mussten Menschen aus allen Schichten und Regionen zusammenleben und -arbeiten, was zu einer gewissen «Erdung» geführt habe. Obwohl das Arbeitsleben heute globalisierter und damit oft mit einer hohen Reisetätigkeit verbunden sei, dürften sich Milizarbeit, d.h. eine freiwillige, nebenberufliche Tätigkeit, und Führungsaufgaben nicht ausschliessen. Aber das Bewusstsein für die Bedeutung des gesellschaftlichen Engagements sei leider zu wenig entwickelt. Die Wirtschaft sei gefordert, ihren Teil dazu beizutragen, dass Milizarbeit künftig wieder zum guten Ton gehöre.
Es sei sehr wohl Aufgabe der Wirtschaft, gute Mitarbeiter z.B. zum Engagement in der Politik zu ermutigen, sagte Helmut Maucher. Letztlich profitiere ein Unternehmen davon, denn eine gute Führungsperson brauche einen breiten Horizont. «Wer sich als Führungskraft nicht für allgemeine Fragen einsetzt, wird auch schlechter führen.» Im Unternehmen selbst müsse sich eine Kultur durchsetzen, in der gesellschaftlich Engagierte in keiner Weise einen Nachteil in der Firma haben.
Sich zur Politik bekennen
Alt-Nationalrat Ulrich Bremi meinte, dass sich heute auch deswegen weniger Führungskräfte in der Politik engagierten als früher, weil viele die zunehmende Exponiertheit in den Medien nur schlecht vertrügen. Dass es heute sehr viel mehr Politiker gibt, die den Hauptteil ihres Einkommens aus der Politik beziehen und nur noch zu einem kleinen Teil einem angestammten Beruf nachgehen, bedauerte er. Das Engagement von Kaderangehörigen in der Politik sei auch ein Mittel, um die Bodenhaftung nicht zu verlieren bzw. wieder zu gewinnen. Und gewiss könne man nicht von allen Führungskräften einen Einsatz in der Politik verlangen, Interesse aber schon. Es gehe letztlich darum, das Feld nicht den politischen Gegnern zu überlassen. Seine Devise lautete deshalb: «Interessiert Euch!»
In der anschliessenden Diskussionsrunde mit dem Publikum wurde nach Möglichkeiten gesucht, wie wieder mehr Menschen – von der Generation Y bis zu den Rentnern – für Milizarbeit gewonnen werden könnten. Und wenn es unter den vielen Debattenbeiträgen einen gemeinsamen Tenor gab, dann war es wohl der: Es braucht mehr Anerkennung – von der Gesellschaft als Ganzes, aber auch von den Unternehmen selbst – für jede Art von Engagement für die Gemeinschaft, nicht zuletzt aber für die politische Arbeit.