Das Thema Raumplanung hat den Think-Tank Avenir Suisse bis 2015 oft beschäftigt. Ein veraltetes und von den Kantonen nicht konsequent vollzogenes Raumplanungsgesetz (RPG) führte zu deutlich zu grossen und zudem fehlplatzierten Bauzonen. Noch dazu war die Gemeindelandschaft stark fragmentiert und es wurde zu selten in funktionalen Räumen gedacht. Das alles trieb den Flächenverbrauch und die Zersiedelung voran. Der Unmut darüber führte 2012 zur überraschenden Annahme der Zweitwohnungsinitiative und half 2013 wohl auch bei der Annahme der RPG-Revision, die verbindlichere Regeln zur Steuerung der Siedlungsentwicklung mit sich brachte. 2012 wurde zudem das Raumkonzept Schweiz verabschiedet. Das verleitete unseren ehemaligen langjährigen Autor Daniel Müller-Jentsch 2014 zur hoffnungsvollen Frage: Zeitenwende in der Schweizer Raumplanung?

Ende 2021 hat der Bund die neue, nunmehr vierte Arealstatistik (AS 2013/2018) publiziert. Unterdessen sind also erste Daten verfügbar, um diese Frage beantworten. Und die Antwort lautet überraschender- und erfreulicherweise: Ja!

In den zwölf Jahren zwischen der zweiten (AS 1992/97) und dritten Arealstatistik (AS 2004/09) hatte sich die Siedlungsfläche schweizweit noch um 9,6% ausgedehnt, während die Zahl der Einwohner und Arbeitsplätze (=Raumnutzer, vgl. Methodik) bloss um 6,7% stieg. In den neun Jahren zwischen der dritten und vierten Arealstatistik kehrte sich das Verhältnis um: Die Siedlungsfläche nahm um bloss 5,9% zu, während die Anzahl Raumnutzer um 10,9% stieg. Die Siedlungsdichte erhöhte sich also deutlich. Heute sind 3271 der 41’285 km2, also 7,9% der Schweiz besiedelt. Darauf finden 8,31 Mio. Einwohner und 3,95 Mio. Arbeitsplätze Platz (gerechnet in Vollzeitäquivalenten).

Die Verdichtungsprozesse dürften allerdings nicht erst durch die besagten Reformen angestossen worden sein. Die seit Ende 2021 verfügbare vierte Arealstatistik deckt nämlich die Jahre 2012 bis 2019 ab – der Überflugszyklus dauerte also nicht weniger als acht Jahre, und auch die Auswertung der Luftbilder braucht seine Zeit. Interessant ist der Vergleich der 26 Kantone – dargestellt in der 3D-Grafik. Als Indikator für den Verdichtungserfolg je Kanton kann dabei die Höhe des jeweils kleinen Quaders dienen. Sie entspricht dem Quotienten aus dem Zuwachs von Raumnutzern und dem Zuwachs an Siedlungsfläche.

Die grösste Verdichtung schafften die drei städtischen Kantone ZH, GE und BS – wobei die Zahlen für BS nicht wirklich aussagekräftig sind, da der Stadtkanton ohnehin grossteils aus Siedlungsfläche besteht und hier ein Zuwachs schon lange nur noch sehr beschränkt möglich ist. Der Verdichtungserfolg ergibt sich hier daher fast nur aus der Veränderung der Anzahl Raumnutzer. Zwischen 1994 und 2005 sank diese, was BS in jener Periode zum Schlusslicht machte, zwischen 2005 und 2014 stieg sie wieder an, was BS jetzt an die Spitze katapultiert. Gesamthaft hat BS heute etwas weniger Raumnutzer auf geringfügig mehr Siedlungsfläche als im Jahr 1994. Von Verdichtung kann also unterm Strich hier nicht gesprochen werden.

Diese schafften hingegen zweifellos die Kantone GE und ZH, deren hypothetische Siedlungsdichte für die neuen Areale bei beinahe 20’000 Flächennutzern pro km2 liegt. Mit deutlichem Abstand folgt der boomende Kanton ZG, in dem eine Zunahme der Flächennutzer von 16% zwischen 2007 und 2016 einem Siedlungsflächenwachstum von bloss 6,9% gegenübersteht. Im vorderen Mittelfeld befinden sich mit Siedlungszuwachsdichten zwischen 4900 und 7300 Raumnutzern die Kantone VD, AG, BL, SZ, LU, TI und NE. In all diesen Kantonen übertraf der Zuwachs an Flächennutzern prozentual deutlich das Siedlungsflächenwachstum – was eine steigende Siedlungsdichte bedeutet.

Ebenfalls eine – wenn auch teilweise nur leichte – Erhöhung der Siedlungsdichte schafften die in der Rangliste folgenden acht Kantone TG, SG, NW, FR, OW, SH, VS und SO. Schlusslichter bilden die Kantone BE, AR, GL, GR, AI, JU und zuallerletzt UR. Ihnen gelang auch in einer Periode, in der die Schweiz sehr dynamisch wuchs, keine Erhöhung der Siedlungsdichte. Aber immerhin verzeichneten alle Kantone für die Periode zwischen dritter und vierter Arealstatistik eine deutliche Verbesserung gegenüber der Vorperiode: In 25 der 26 Kantonen verlangsamte sich das Siedlungsflächenwachstum (knappe Ausnahme: GL) – obwohl in 21 Kantonen die Zahl der Raumnutzer während der neuen Periode schneller stieg als während der alten (Ausnahmen: SZ, NW, ZG, AI, TI).

In allen 26 Kantonen liegt die hypothetische Siedlungsdichte des Siedlungszuwachses zwischen dritten und vierten Arealstatistik somit deutlich über jener der davorliegenden Periode. Das lässt auf gewisse Fortschritte in der Raumplanung der Kantone schliessen und macht Hoffnungen, dass auch eine 10-Millionen-Schweiz, die schon 2030 Realität werden könnte, keine hoffnungslos zersiedelte Schweiz sein muss.

Methodik

Für die Siedlungsfläche wurden die Auswertungen der vierten Arealstatistik (2013/18) und der dritten Arealstatistik (2004/09) – Kategorie «Siedlungsfläche» – verwendet. Die Auswertungen basieren auf Luftbildern, deren Entstehung (Überflugszeiten) sich pro Ausgabe schweizweit auf nicht weniger als sechs Jahre erstreckt. Um für die Zahl der Einwohner und Arbeitsplätze das richtige Referenzjahr pro Kanton heranzuziehen, wurden die Überflugszeiten je Kanton berücksichtigt und jeweils ein gewichteter Schnitt ermittelt und gerundet.

  • Für die Arealstatistik 2013/2018 ergeben sich folgende Referenzjahre: AG 2016, AI 2017, AR 2017, BE 2014, BL 2014, BS 2014, FR 2013, GE 2012, GL 2018, GR 2019, JU 2013, LU 2016, NE 2014, NW 2016, OW 2016, SG 2017, SH 2016, SO 2014, SZ 2016, TG 2017, TI 2017, UR 2016, VD 2013, VS 2014, ZG 2016, ZH 2016.
  • Für die Arealstatistik 2004/2009 ergeben sich folgende Referenzjahre: AG 2007, AI 2008, AR 2008, BE 2005, BL 2005, BS 2005, FR 2004, GE 2004, GL 2008, GR 2008, JU 2005, LU 2007, NE 2005, NW 2007, OW 2007, SG 2008, SH 2007, SO 2005, SZ 2007, TG 2008, TI 2008, UR 2007, VD 2004, VS 2005, ZG 2007, ZH 2007.
  • Daraus resultiert für die meisten Kantone ein 9-Jahres-Intervall. Für GE sind es 8 Jahre, für GL 10 Jahre und für GR 11 Jahre.

Die Anzahl Raumnutzer ergibt sich aus der Addition der Einwohnerzahl des Referenzjahres gemäss BFS-Statistik und 50% der Arbeitsplätze (Vollzeitäquivalente) gemäss der Statistik der Unternehmensstruktur (Statent) bzw. der Betriebszählung (BZ) des BFS. Die Arbeitsplätze wurden also nur zu 50% gewichtet, da ihr mittlerer Flächenverbrauch (pro Einheit) im Schnitt deutlich geringer ist als jener eines Einwohners. Für Jahre ohne Daten (2004, 2006, 2007) wurden die Werte auf Basis der nächstvorhandenen Angaben interpoliert.