«Die Gleichstellung kommt voran.» Das ist die Botschaft, die die Initianten für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub ausrichten liessen, als sie diese Woche ihr Volksbegehren zurückzogen. Für das Initiativkomitee sind die vom Parlament beschlossenen zwei Wochen «ein längst fälliger Schritt». Aber seien wir ehrlich: Beim Vaterschaftsurlaub Schweizer Prägung geht es mehr um «virtue signaling» als um eine Massnahme, die die geschlechterspezifische Arbeitsteilung der Schweizer Haushalte spürbar beeinflussen könnte. Die ersten Lebenswochen mögen für die Neugeborenen entscheidend sein – für das Familienleben sind es die nächsten zwanzig Jahre freilich ebenso.
Dabei hätte es das Parlament im September in den Händen gehabt, einen nachhaltigen, liberalen Beitrag zur Gleichstellung leisten zu können: allerdings beim weit weniger publizitätsträchtigen Dossier der Paarbesteuerung. Hier stand die alte Frage der «Heiratsstrafe» zur Diskussion. Ein Übergang zu einer Individualbesteuerung würde jede Heiratsstrafe sowie jeden Heiratsbonus beseitigen. Wichtiger noch: Sie würde die steuerliche Bestrafung der Zweitverdienerinnen – in 90% sind es eben die Frauen – entscheidend lindern.
Denn die gemeinsame Besteuerung des Haushaltseinkommens führt in der Regel zu einer hohen Grenzbesteuerung des zweiten Lohns. Im Klartext: Derjenige Ehepartner, der aus familiären Gründen während einigen Jahren dem Arbeitsmarkt ferngeblieben ist, wird sofort nach Wiederaufnahme der Berufstätigkeit mit einem hohen Satz – nämlich demjenigen des Ehepartners – besteuert. Der gleiche Effekt wird für diejenigen spürbar, die ihr Arbeitspensum erhöhen, z.B. wenn sie von Teilzeit zu Vollzeit wechseln. Laut Berechnungen von Avenir Suisse liegt der effektive Steuersatz auf gemeinsam besteuerten Zusatzeinkommen im Durchschnitt 50% höher als auf individuell besteuerten Einkünften.
«Waadtländer Modell» – non merci
Doch das Reformprojekt zur Abschaffung der Heiratsstrafe wurde an den Bundesrat zurückgewiesen. Einer der Gründe dafür ist, dass die Regierung dem Splitting-Modell, insbesondere dem sogenannten «Waadtländer Modell» nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt hat. Hätte sie das tun sollen?
Es sei daran erinnert, dass das Waadtländer Modell – nach dem Vorbild des französischen «quotient familial» – weiterhin die gemeinsame Veranlagung eines Ehepaares vorsieht. Bei der Ehegattenbesteuerung à la vaudoise werden die kumulierten Einkünfte durch einen Divisor geteilt, der abhängig ist von der Anzahl der Menschen, die davon leben. Konkret wird das Familieneinkommen eines Paares mit zwei Kindern durch 2,8 (1,8 für die Ehepartner, zweimal 0,5 für die Kinder) geteilt, während das gleiche Einkommen für ein Paar ohne Kinder durch 1,8 geteilt und somit höher besteuert wird.
Die Anhänger des Splittings sehen darin nur Vorteile: Das System beseitige die Heiratsstrafe und bremse die Steuerprogression (wohlverstanden: es bevorzugt überproportional die höchste Einkommensgruppe). Darüber hinaus schaffe es Steuerneutralität in Bezug auf den Lebensentwurf und auf die Rollenaufteilung der Ehegatten. Wie in jedem Splitting-System fällt die Höhe der Steuer unabhängig von der Einkommensverteilung des Paares aus. Für das gleiche Haushaltseinkommen zahlen Einzelverdienerpaare gleichviel wie Paare, die ihre Erwerbsarbeit aufteilen.
Das Modell erscheint somit auf den ersten Blick vernünftig und gerecht. Doch weil es die gemeinsame Veranlagung beibehält und die Zweiteinkommen höher belastet, trägt es nicht zur Beseitigung geschlechtsspezifischer Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt bei. Darüber hinaus erhöht diese Splitting-Variante die Steuerschuld von gleichverdienenden Ehegatten gegenüber einem vergleichbaren Konkubinatspaar. Durch die Division des Paareinkommens durch 1,8 landet jeder einzelne Ehepartner in einer etwas höheren Klasse, als wenn er allein besteuert würde. Ganz anders sieht es für Einverdienerehepaare aus: Die Teilung durch den Quotienten senkt die Steuern deutlich. Das Splitting-Modell subventioniert also die traditionelle Rollenaufteilung im Haushalt. Durch die Erhöhung des Quotienten um 0,5 pro Kind wird diese Rollenverteilung zusätzlich zementiert – insbesondere bei höheren Einkommen.
«Eine Person, eine Steuererklärung»
Doch man darf die Frage der «korrekten» Paarbesteuerung nicht nur aus der Optik der Steuereinnahmen und der Arbeitsmarkteffekte beurteilen. Ein gutes Steuersystem sollte die Lebenspläne möglichst wenig beeinflussen – das gilt auch für die Wahl des Zivilstands. Das wichtigste Argument für die Individualbesteuerung (und gegen die gemeinsame Veranlagung) bleibt ein ideelles: Das Steueramt sollte aufhören, sich Gedanken darüber zu machen, wer in welcher Beziehung mit wem lebt. Es ist an der Zeit, das Prinzip «eine Person, eine Steuererklärung» umzusetzen, sowie das Prinzip «eine Person, eine Stimme» umgesetzt wurde. Jedes Splittingmodell – insbesondere das Waadtländer Modell – sabotiert diese Bemühungen grundsätzlich.