Bei den Politikern beliebte Investitionen
F+E-Ausgaben bilden einen wichtigen Aufwandposten im Staatshaushalt eines Landes, und dieser wird bekanntlich weniger nach wissenschaftlichen als nach politischen Kriterien beschlossen. Erblickt man in der Bereitstellung öffentlicher Güter die Hauptaufgabe des Staates, so gäbe es laut Professor Vito Tanzi, einem langjährigen IMF-Direktor, eigentlich keine guten Gründe für Staatsausgaben über 35% des BIP, wenn der Staat längerfristig nicht selbst zu einem Belastungsfaktor für Innovation, Wachstum und damit Wohlstand werden will. Damit ist letztlich gesagt, dass auch F+E-Ausgaben nicht aus dem Verteilungskampf um knappe staatliche Mittel herausgehalten werden können.
Diesen kommt jedoch zugute, dass praktisch alle Politiker Bildung und Forschung für wichtig halten. Die wenigsten wagen es, sogenannte Investitionen in die Zukunft infrage zu stellen, setzten sie doch damit ihre Chancen auf Wiederwahl aufs Spiel. Für die meisten Politiker stellen deshalb allein schon wachsende F+E-Ausgaben einen Leistungsausweis dar, während ein zielorientierter Mitteleinsatz in der Regel weniger wichtig ist. Dabei besteht die ökonomische Kunst nicht in der Maximierung des Inputs, sondern in der Steigerung des Outputs je eingesetzter Einheit.
Wirft man einen Blick auf die internationale F+E-Landschaft, erscheint das 3% Ziel der EU als erstrebenswert, liegt doch der EU-Durchschnitt bei knapp 2% (2012). Es ermuntert einerseits die führenden EU-Mitglieder (Finnland, Schweden, Dänemark, Deutschland) nicht nachzulassen, da die F+E-Intensität ausserhalb Europas zum Teil noch höher liegt. Sie gibt anderseits den schwächeren EU-Ländern einen Anreiz, zu den dynamischeren aufzuschliessen. Darin liegt wahrscheinlich die politische Begründung der drei Prozent, denn eine wissenschaftlich fundierte Erklärung ist ausser Sicht.
Eine entscheidende Frage
Machen solche in Zahlen definierten F+E-Ziele überhaupt Sinn? Es besteht die Gefahr, dass damit einer rein quantitativen Sichtweise Vorschub geleistet wird. Die «Black-Box»-Vorstellung, dass es nur genügend Mittel brauche und sich die erwünschten (Spitzen)-Resultate von selbst einstellten, ist in der Politik häufig anzutreffen. Quantitative F+E-Ziele können aber auch das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer effizienteren Forschungs- und Innovationspolitik stärken und damit Aufholprozesse in Gang setzen. Auch vergleichende internationale F+E-Statistiken können den Blick auf den laufenden Strukturwandel in der weltweiten Wissenswirtschaft schärfen.
Grundsätzlich aber müssten sich höhere F+E-Ausgaben zeitverzögert in der Produktivitätsentwicklung einer Volkswirtschaft niederschlagen. Setzt man die F+E-Quoten der führenden Länder ins Verhältnis zum Global Competitive Index des World Economic Forum, so zeigt dieser zugegebenermassen grobe Vergleich keine stramme Korrelation.
Unzählige andere Faktoren spielen eine Rolle
Die Qualität des Forschungs-und Innovationssystems eines Landes hängt offenbar noch von anderen Faktoren als dem blossen Geld ab. Zu nennen wären etwa:
- Die Autonomie und Qualität der Hochschulen einschliesslich Lehrkörper und Studenten,
- die Fokussierung auf Spitzentechnologie,
- die Kooperationsstruktur zwischen Hochschulen und Wirtschaft,
- der Grad der Beteiligung der Wirtschaft an der Finanzierung von F+E,
- die Arbeitsproduktivität in der forschungsintensiven Industrie,
- die Innovationsintensität der Wirtschaft,
- die Quantität und Qualität von Patenten,
- das Qualitätsniveau der Erwerbstätigen,
- die Verbindung zwischen den Absolventen aus dem Hochschulsystem mit denjenigen aus der dualen Berufsbildung, die Anreizstrukturen für wissenschaftliche und unternehmerische Forschung,
- die Spill-over-Effekte zwischen Entwicklern und Anwendern, vor allem im Bereich der Informations-und Kommunikationstechnologie,
- die Existenz von wissensintensiven Dienstleistungen,
- die Verfügbarkeit von Venture-Kapital,
- die Zahl der Unternehmensgründungen
- oder der Impact der zu-und abwandernden Wissenschaftern, um nur die wichtigsten zu erwähnen.
Geld ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für eine leistungsfähige Forschungs-und Innovationspolitik und damit für wirtschaftlichen Erfolg. Die Politik sollte deshalb der Verbesserung der Rahmenbedingungen für die oben erwähnten Faktoren die gleiche Aufmerksamkeit schenken wie dem finanziellen Mitteleinsatz.