Der internationale Vergleich fällt für die Schweiz überaus positiv aus: In Europa und den USA sind die Staatsschulden in den letzten Jahren geradezu explodiert. In mehreren Staaten sind Staatsbankrotte inzwischen eine reale Gefahr.
In der Schweiz dagegen reduzierte sich die Staatsverschuldung – gemessen am Bruttoinlandprodukt (BIP) – seit 2003 von 55 Prozent auf rund 35 Prozent. Damit gelang der Schweiz eine beeindruckende Trendwende, denn noch in den 1990er Jahren lag die Schuldenquote der öffentlichen Haushalte stetig über 50 Prozent.
Die Erfolgsgeschichte begann 2001. Damals wurde in einer Volksabstimmung die Einführung einer Schuldenbremse mit 85 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Damit entschied sich die Schweiz als erstes Land überhaupt für eine konstitutionell verankerte Schuldenbremse. 2003 trat sie in Kraft. Deren Grundregel ist einfach: Über einen ganzen Konjunkturzyklus hinweg dürfen die Ausgaben nicht höher sein als die Einnahmen. In wirtschaftlich schlechten Jahren darf es zwar zu einem Defizit kommen. In guten Jahren muss das Defizit allerdings wieder durch Überschüsse kompensiert werden. Dank der dadurch erzwungenen Haushaltskonsolidierung noch während einer Wachstumsphase gelang es der Schweiz, selbst in den Krisenjahren Haushaltsüberschüsse zu erwirtschaften.
In vielen anderen Industrieländern dagegen ist die Staatsverschuldung selbst in konjunkturell guten Zeiten weiter gewachsen. Und als die Krise kam, gerieten die öffentlichen Haushalte gänzlich ausser Kontrolle. In den USA stieg die Staatsverschuldung in nur vier Jahren von 11 auf 16 Billionen Dollar (2009 – 2012). Auch die durchschnittliche Schuldenquote in der Eurozone schnellte von 66 Prozent (2007) auf 87 Prozent (2011) empor. Es wird vermutlich eine ganze Generation dauern, um die Schulden eines einzigen, wenn auch durch eine schwere Krise geprägten Konjunkturzyklus abzutragen.
Angesichts dieser explodierenden Staatsverschuldung in Europa und den USA entwickelt sich die Schuldenbremse zum Exportschlager der Schweiz. Deutschland verankerte sie 2009 im Grundgesetz. Auch Polen, Spanien, Ungarn und Bulgarien führten nationale Schuldenbremsen ein. Alle Länder der Eurozone haben sich diesen Sommer im Rahmen des Fiskalpaktes ebenfalls dazu verpflichtet.
Toxische Defizite
Inzwischen haben die meisten Industrieländer den sogenannten keynesianischen Endpunkt erreicht. Bei der Verschuldung jenseits dieses Schwellenwertes – Ökonomen schätzen ihn auf rund 90 Prozent Staatsschulden relativ zum BIP – entfalten weitere Defizite eine toxische Wirkung:
Erstens kommt es zu einer Spirale zwischen Zinslasten und Neuverschuldung. So zahlte in Deutschland 2010 alleine der Bund 37 Milliarden Euro Zinsen, nur um vergangene Schulden zu bedienen. In normalen Jahren fliesst die Neuverschuldung also quasi direkt in den Schuldendienst. Zweitens steigen die Risikoprämien für Staatsanleihen rasant an, wie derzeit etwa in Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien. Drittens antizipieren Haushalte und Firmen wirtschaftliche Schwierigkeiten und höhere Steuern. Sie drosseln den Konsum und die Investitionen und neutralisieren so den Nachfrageimpuls höherer Staatsausgaben.
Eine verbindliche Schuldenbremse ist darum nicht nur ein geeignetes Instrument, um Erwartungen zu stabilisieren und diesen Teufelskreislauf zu durchbrechen. Sie scheint auch unabdingbar, um Regierungen zu einem nachhaltigen Haushalten zu zwingen.
Die kurzfristige Orientierung der Politik sorgt nämlich dafür, dass sich die Befürworter antizyklischer Fiskalpolitik immer nur während der Abschwungphasen zu Wort melden. Wenn die Wirtschaft wieder wächst, wird das Prinzip des Antizyklischen rasch vergessen, um weitere Schulden aufzutürmen. So gab es beispielsweise in Frankreich und Deutschland in den letzten 30 bis 40 Jahren über alle Konjunkturzyklen hinweg keine ausgeglichenen Staatshaushalte – von Überschüssen in guten Zeiten ganz zu schweigen. So hat die Politik immer wieder kurzfristige Wahlgeschenke auf Kosten zukünftiger Generationen finanziert.
Dieses strukturelle Problem lässt sich nur durch nationale Schuldenbremsen – oder aber durch einen wirklich wasserdichten Fiskalpakt auf europäischer Ebene – lösen. Die Schweiz hatte das Glück, dieses Instrument bereits vor der Krise einzuführen, und ihre hervorragende fiskalische Situation verdankt sie auch diesem Schritt.
Dieser Artikel erschien im Bulletin 6/2012 der Credit Suisse.