Während im europäischen Strommarkt die Nachfrage aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage stagniert, steigt das Angebot durch die staatliche Förderung erneuerbarer Energien und drückt auf die Preise im Grosshandel. An der deutschen Strombörse betrug 2012 der preissenkende Einfluss der subventionierten Energie 9 € – bei einem Durchschnittspreis von 43 €. Doch nicht alle Kraftwerkstechnologien sind von diesem sogenannten «Merit-Order-Effekt» gleich betroffen. Erneuerbare Energien wie Windkraft und Photovoltaik (PV) geraten aufgrund ihrer fluktuierenden Produktion besonders unter Druck. Gerade in jenen Stunden, in denen ihre Ergiebigkeit aufgrund günstiger Witterungsbedingungen gross ist, brechen die Grosshandelspreise wegen des inflationären Angebots ein. Mit anderen Worten: Bei viel Wind oder Sonne ist der Stromabsatz von Windrädern oder PV-Anlagen hoch, aber der am Markt lösbare Preis tief. Mit wachsender Förderung steigt auch der Wertzerfall bei den erneuerbaren Energien. Die angefügte Abbildung illustriert diese Entwicklung für Onshore-Windkraft und PV im deutschen Markt.
Stärkerer Wertzerfall bei der Photovoltaik
Der in der Abbildung dargestellte monatliche «Marktwertfaktor» misst den relativen Wert einer Technologie. Er wird berechnet als Quotient aus dem effektiven Erlös eines technologiespezifischen Produktionsprofils und dem theoretischen Erlös, der aus dem Verkauf als Bandenergie resultieren würde. Die beiden Grössen können voneinander abweichen, da der Wert des Stroms im Spotmarkt je nach Zeitpunkt seiner Produktion bzw. Einspeisung erheblich variieren kann. Ein Marktwertfaktor über 1 zeigt an, dass sich der erzeugte Strom über dem Durchschnittspreis an der Börse vermarkten lässt, etwa weil die Produktion steuerbar ist oder «zufällig» während Hochpreisperioden anfällt. Die PV wies bislang eine überdurchschnittliche Wertigkeit auf, da ihre Produktion mit der hohen Nachfrage während des Tages zusammentrifft. In den Sommermonaten 2008 und 2009 erreichte die PV noch einen Marktwertfaktor von etwa 1,2, doch bis 2013 sank dieser kontinuierlich auf etwa 1.
Der Wertzerfall hängt keineswegs mit allgemein sinkenden Marktpreisen zusammen (schliesslich handelt es sich um eine relative Bewertung). Vielmehr ist er das Resultat der stark angewachsenen PV-Produktion, die just während den sonnigen Mittagstunden die Preise erodieren lässt. Etwas weniger ausgeprägt ist der Wertzerfall bei Onshore-Windkraft. Ihr relativer Marktwert lag allerdings bereits 2008 unter 1. Zwar fällt der grösste Teil der Windenergie während des Winters mit etwas höheren Preisen an, doch trifft die Produktion im Tagesverlauf nicht systematisch mit einer höheren Nachfrage zusammen.
Wachsende Ineffizienz der KEV
Die in der Abbildung dargestellte Werthaltigkeit der erneuerbaren Energien wurde für das Marktgebiet Deutschland-Österreich ermittelt, dennoch lassen sich daraus Schlüsse für die Schweiz ziehen. So kann im Falle der PV davon ausgegangen werden, dass die Entwicklung des Marktwertfaktors ähnlich ist. Schliesslich übernimmt der Schweizer Grosshandel während der Sommermonate (wenn ein Grossteil der PV-Produktion anfällt) üblicherweise den etwas tieferen deutschen Strompreis. Ausserdem dürften schweizerische und süddeutsche PV-Anlagen aufgrund der oft gleichen Wettersituation ein ähnliches Produktionsprofil aufweisen.
Bei der Windkraft ist die Abweichung grösser. Einerseits übernimmt die Schweiz während der Wintermonate, wenn der Wind-Output höher ist, meist das italienische Preisniveau. Anderseits ist die Korrelation zwischen der Windenergieproduktion in Norddeutschland und in der Schweiz weniger ausgeprägt.
Der anhaltende Ausbau der erneuerbaren Energien dürfte zu einer weiteren Werterosion in diesem Bereich führen. Die längerfristige Entwicklung dagegen ist sehr unsicher und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Neben dem weiteren Ausbau des konventionellen Kraftwerkparks und der erneuerbaren Energien gehören dazu in erster Linie die Verfügbarkeit effizienter Speicher und die Flexibilität der Nachfrage. Aufgrund des grenzüberschreitenden Handels spielt zudem die Entwicklung in den Nachbarländern eine bedeutende Rolle – beispielsweise werden die deutschen Exporte vermehrt durch Wind- und PV-Produktion bestimmt.
Die bisherige Förderung erneuerbarer Energien in der Schweiz via Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) berücksichtigt diese Einflüsse nicht. Im Gegenteil: Die KEV wird mit der wachsenden Einspeisung erneuerbarer Energien in der Schweiz und den Nachbarländern immer ineffizienter; der Subventionsbedarf steigt mit dem anhaltenden Wertzerfall. Sinnvollerweise sollte daher nicht die Politik den Ausbau erneuerbarer Energien steuern, sondern ein Markt-Mechanismus, der auch den künftigen Wert des Stroms berücksichtigt.