In der Schweiz ist die von den Kantonen und in Ausnahmefällen von Gemeinden erhobene Erbschaftssteuer seit Mitte der 1990er- Jahre auf dem Rückzug. 1995 waren dem Fiskus Erbschafts- und Schenkungssteuern im Betrag von rund 1,5 Mrd. Fr. zugeflossen. 2009 belief sich die Summe noch auf rund 950 Mio. Fr. Diese Erosion des Aufkommens ist gewollt, wurde vom Stimmvolk mit deutlicher Zustimmung gutgeheissen und ist wohlbegründet. Mit dem populären Argument der längerfristigen Sicherung der AHV will die Initiative zur Einführung einer eidgenössischen Erbschafts- und Schenkungssteuer das Rad zurückdrehen. Dazu besteht aus vier Gründen kein Anlass.
- Erstens existiert in der Schweiz neben den kantonalen Erbschafts- und Schenkungssteuern eine zum Teil stark progressive Vermögenssteuer. Darin unterscheidet sich die Schweiz von vielen anderen Ländern. Das Problem der Mehrfachbelastung ist bei uns grösser, das Aufkommen aus den sogenannten Substanzsteuern (Grund-, Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuern) anteilmässig höher als im Durchschnitt der OECD-Länder. Das führt zu Verzerrungen, welche die allokative Effizienz des Steuersystems erheblich beeinträchtigen.
- Zweitens würde eine Bundeserbschaftssteuer die finanzpolitische Autonomie der Kantone untergraben. Das gilt auch dann, wenn ihnen, wie in der Initiative vorgesehen, ein Drittel des Aufkommens zufliessen würde. Das passt jenen ins Konzept, die den Steuerwettbewerb bekämpfen, widerspricht aber dem Steuerföderalismus, also der stark ausgeprägten kantonalen und kommunalen Steuerautonomie. Diese ist mitverantwortlich für den im internationalen Vergleich herausragenden Zustand der öffentlichen Finanzen.
- Drittens fordert die Initiative mit der Erbschafts- und Schenkungssteuer ein zusätzliches Instrument der Mittelbeschaffung, das dem bestehenden, ohnehin schon komplizierten Steuersystem einfach aufgepfropft würde. Eine Kompensation durch die Abschaffung oder Reduktion etwa der direkten Bundessteuer oder der Vermögenssteuer ist nicht vorgesehen. Die Fiskalquotenneutralität wird also verletzt.
- Viertens würde die Berechenbarkeit der schweizerischen Steuerordnung in Frage gestellt. Da fiele ein schiefes Licht auf die Verlässlichkeit der Schweizerischen Finanzpolitik, wenn die Kantone sukzessive von der Erbschaftssteuer abrücken, der Bund aber eine gegenläufige Politik einschlagen würde.
Die Erbschaftssteuer ist also nicht nur aus fundamentalen ordnungspolitischen Gründen, sondern auch im Lichte der Besonderheiten im schweizerischen Steuersystem abzulehnen.
Ein nächster Beitrag zur Erbschaftssteuer erscheint in der kommenden Woche. Der ausführliche Essay zu diesem Thema ist Teil der demnächst erscheinenden Publikation von Avenir Suisse «Steuerpolitische Baustellen» (NZZ Libro).