Gemäss neuem Bundesrecht müssen öffentlich-rechtliche Pensionskassen innert 10 Jahren vollkapitalisiert werden, d.h. einen Deckungsgrad von 100% ausweisen. Eine Ausnahme ist nur möglich, falls sie bis Ende 2013 ausdrücklich eine Staatsgarantie erhalten. Dann müssen sie lediglich bis 2052 einen Deckungsgrad von 80% erreichen. Man spricht von einer Teilkapitalsierung. Diese wird primär in der Romandie angestrebt, allerdings wird sie auch in anderen Kantonen wie Basel-Stadt, Bern, Solothurn oder Zug als Option diskutiert. Vorderhand scheint die Teilkapitalisierung günstiger, da die gesetzliche vorgeschriebene Finanzierungslücke kleiner ist. Dieser Eindruck aber trügt.
In Raten zahlen kommt teurer
Wer einen schicken Fernseher mit Ratenzahlungen kauft, weiss es: Spätestens beim Ablauf der Vertragsdauer muss er nicht nur den vollen Preis, sondern auch Kreditzinsen zahlen. Auch wenn Rentenversprechen sich mit Elektrogeräten nicht vergleichen lassen, ist die Finanzierungsanalogie durchaus vertretbar. Eine Kasse mit einem Deckungsgrad von 80% verspricht Leistungen von 100%, hat aber nur 80% der nötigen Mittel. Spätestens in 40 Jahren, wenn der heutige jüngste Versicherte auch in Pension geht, wird seine Rente, und damit die letzte Ratenzahlung von 20%, fällig. Das System der Teilkapitalisierung ist deshalb nicht günstiger. Am Schluss müssen ja die versprochenen Leistungen in vollem Umfang beglichen werden. Aus Sicht eines kantonalen Finanzdirektors, der sein jährliches Budget ausgleichen muss, ist ein Anzahlungskonzept durchaus vorteilhaft. Dank einer Teilkapitalisierung können die öffentlichen Finanzen in der mittleren Frist geschont werden. Der Steuerzahler hingegen spart dabei keinen Franken, im Gegenteil: Eine Kasse in Unterdeckung hat weniger Kapital, das an den Finanzmärkten investiert werden kann. Dadurch sind die Erträge des «Dritten Beitragszahlers», samt Zinseszinsen, geringer und müssen durch zusätzliche Lohn- oder Sanierungsbeiträge kompensiert werden.
Finanzierung und Leistungen abstimmen
Eine Vollkapitalisierung aller öffentlich-rechtlichen Pensionskassen ist teuer und wird auf 50 Mrd. Fr. geschätzt. Das ist eine beträchtliche Zahl, die für den Einzelnen kaum fassbar ist. Plastischer wird sie, wenn man sie auf die einzelnen Versicherten (Aktive und Rentner) umrechnet. Im Schweizer Durchschnitt ist der Fehlbetrag pro Versicherten 63‘000 Fr., wobei erhebliche regionale Unterschiede festzustellen sind (Abbildung). Während in Appenzell (AI, AR) und in Obwalden die Renten bereits vollfinanziert sind, fehlt für jeden Genfer Staatangestellten 173‘000 Fr. In der gesamten lateinischen Schweiz (FR, GE, JU, NE, TI, VD, VS) sind es im Schnitt 115‘000 Fr. Bei solchen Beträgen ist es legitim, nicht nur über die Finanzierung, sondern auch über die Leistungen nachzudenken. Im Kanton Genf wird deshalb neu das Rentenalter 64 eingeführt, in der Waadt ist eine Erhöhung von 60 auf 62 Jahre vorgesehen. Aus Sicht der betroffenen Mitarbeiter ist es verständlich, dass eine Erhöhung des reglementarischen Rentenalters bekämpft wird. Verständlich ist aber auch die Empörung der jüngeren Steuerzahler, die Finanzierungslücke in Milliardenhöhe finanzieren und selber dereinst bis zum 65. Lebensjahr arbeiten müssen. Diese Empörung ist vor allem dann gross, wenn eine Teilkapitalisierung angestrebt wird, sprich, wenn die zukünftigen Renten auch nach der Sanierung nicht vollständig vorfinanziert werden, und wenn Privilegien wie Vorpensionierungen ohne Leistungskürzungen bestehen bleiben. Eine solche Reaktion darf nicht als Votum gegen die Staatsangestellten verstanden werden, sondern ist lediglich ein Ruf nach mehr Fairness und nach gleichen Regeln für alle in der zweiten Säule.