Konsum oder Einkommen? Welche dieser beiden Grössen stellt die bessere Steuerbasis dar? Immer wieder plädierten die Ökonomen für einen Übergang von der aktuellen Einkommenssteuer zu einer umfassenden Besteuerung des Konsums. Weil das Einkommen entweder konsumiert oder gespart wird, entspricht Konsum dem Einkommen abzüglich der Ersparnisse. Deshalb belastet eine Steuer auf dem Konsum die Ersparnisse nicht. Das fördere die Investitionen und das Wachstum, sagen die Befürworter.
Zahlreiche Reformen für den Übergang zur Konsumbesteuerung sind inzwischen diskutiert worden. Den bekanntesten und zugleich radikalsten Vorschlag stellte wohl die «Flat Tax» der amerikanischen Ökonomen Alvin Rabushka und Robert Hall dar. Diese verzichtete gänzlich auf die Besteuerung der Ersparnisse und versprach eine grundlegende Vereinfachung des Steuersystems: Für die Steuererklärung hätte eine Postkarte gereicht.
Wie viele umfassende Reformvorschläge wurde die «Flat Tax» aber als unrealistisch abgekanzelt. Weil der ursprüngliche Vorschlag eine proportionale Konsumbesteuerung vorsah, wurde sie als «unsozial» taxiert – auch wenn grosszügige Freibeträge für die Einkommensschwachen ein wichtiger Bestandteil der Reform gewesen wären. So blieb es weitgehend still um den Traum von einer umfassenden Konsumsteuer – abgesehen von einem kleinen Zirkel von Finanzwissenschaftern und einigen Ländern in Osteuropa, die eine verwässerte Version der «Flat Tax» tatsächlich einführten.
Doch der Schein trügt. Beim zweiten Hinschauen ist nämlich auch in der Schweiz ein stiller Übergang zur Konsumbesteuerung im Gange. Die Gründe: der Vormarsch der Mehrwertsteuer und – wichtiger noch – die wachsende Bedeutung der individuellen Altersvorsorge. Inzwischen legen die Schweizer gut 20% ihres Einkommens für die private und berufliche Altersvorsorge zurück. Für viele Haushalte macht das angesparte Rentenkapital den grössten Teil ihres Vermögens aus (siehe Abb.).
Diese Ersparnisse und ihre Zinsen werden erst beim Bezug der Renten besteuert, im Falle der Sparen 3-Guthaben frühestens fünf Jahre vor der Pensionierung. Bis dahin bleiben die Guthaben unversteuert; in der Steuererklärung werden sie vom steuerbaren Einkommen abgezogen. In dem Umfang, in dem die Renten dann der Finanzierung des Konsums im Rentenalter dienen, entspricht dieses System somit einer Konsumbesteuerung.
Mindestens in diesem Punkt sind wir also der «Flat Tax» näher gekommen. Wie wir in einem weiteren Beitrag zeigen werden, ist sogar der umstrittenste Aspekt der «Flat Tax», die proportionale Besteuerung, in manchen Kantonen der Schweiz schon fast Realität geworden. Aus Sicht der Volkswirtschaft wäre es allerdings besser (und gerechter), wenn nicht nur das Alterskapital sondern auch weitere Ersparnisformen den gleichen Steuervorteil geniessen könnten. Dennoch, im Stillen hat die Schweiz ihre Steuerrevolution bereits eingeleitet.
Lesen Sie hierzu auch: «Nach der Pensionierung in die Romandie – Wie die alternde Gesellschaft das Steuersystem zur Änderung zwingt».