Das neue Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetz (HFKG) ist seit dem 1. Januar 2015 in Kraft. Es wird in zwei Etappen umgesetzt. Die neu geschaffenen Organe – die Schweizerische Hochschulkonferenz, die Rektorenkonferenz der Schweizer Hochschulen und der Schweizerische Akkreditierungsrat – haben ihre Aktivitäten im 2015 aufgenommen. Per 2017 werden dann auch die Bestimmungen über die Finanzierung der Hochschulen in Kraft treten.
Viele ungelöste Fragen
Mehr als 10 Jahre haben die verschiedenen hochschulpolitischen Gremien über der Entstehung des HFKG gebrütet, von den parlamentarischen Vorstössen, den Expertenarbeiten, der Abstimmung über die Bildungsverfassung und den Gesetzgebungsprozess bis hin zur praktischen Umsetzung. Man würde deshalb erwarten, dass das HFKG eine Antwort auf die grossen hochschulpolitischen Fragen dieser Zeit gibt. Dazu gehören die Differenzierung zwischen Universitäten und Fachhochschulen (FH), die Bereinigung des Portfolios der Studiengänge und Fachbereiche zwischen Universitäten und FH, die Stellung der FH beim Nationalfonds und die Verleihung des Doktorats an FH. Weitere wichtige Probleme betreffen die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die Studienfinanzierung, der Zugang von Gymnasiasten zu FH, die Matura als Zeugnis der Studierfähigkeit und die Positionierung der Schweizer Hochschulen im globalen Wissens- und Forschungssystem. Zu einigen dieser Fragen hat sich auch Avenir Suisse immer wieder mit fundierten Studien geäussert.
Hochschulpolitische Reformvorschläge von Avenir Suisse
2004 veröffentlichte der Think Tank die Studie «Hochschule Schweiz – Ein Vorschlag zur Profilierung im internationalen Umfeld» unter dem Motto: Profilierung nach oben, statt Nivellierung nach unten. Als Weg dazu schlug Avenir Suisse ein dreigliedriges System vor mit globalen Hochschulen, die Spitzenqualität in Lehre und Forschung auf höchstem internationalen Niveau anbieten, europäischen Hochschulen mit dem Schwerpunkt auf praxisorientierter Lehre und Forschung, sowie nationalen Hochschulen mit regionalem Charakter. Dadurch sollte ein innovativer Rahmen geschaffen werden für die Umsetzung der damals anstehenden Bologna-Reform. Zudem sollte den Bedürfnissen der Studierenden mit einer Abkehr von der Angebotsfinanzierung besser Rechnung getragen werden.
In diesem Zusammenhang ist interessant, dass Deutschland 2005/6 die sogenannte Exzellenzinitiative lancierte, die über die drei Förderlinien Graduiertenschule, Exzellenzcluster und Zukunftskonzepte zu einer Differenzierung der Hochschulen geführt hat. Damit verbunden ist auch eine bessere finanzielle Ausstattung der ausgewählten Hochschulen. Vor allem die medizinische Forschung habe dadurch stark profitiert.
Ebenfalls 2004 erschienen die gemeinsamen Vorschläge von Avenir Suisse und economiesuisse «Neue Wege zur Hochschulfinanzierung», die Modelle für massvolle Studiengebühren mit sozialverträglichen Finanzierungsdarlehen aufzeigen mit dem Ziel, hervorragende Lehr- und Betreuungsverhältnisse an den Universitäten sicherzustellen.
2010 präsentierte Avenir Suisse die Studie «Die Zukunft der Lehre. Die Berufsbildung in einer neuen Wirklichkeit», die neben der Aufwertung der Berufsbildung u.a. die Idee eines dualen Studiums auf Tertiärstufe vorschlägt. Damit soll vor allem den Gymnasiasten ein verbesserter Zugang zu den FH eröffnet werden. Duale Hochschulen, die aus einem wissenschaftlichen, anwendungsorientierten Studienteil und einer praktischen Ausbildung in einem externen Unternehmen bestehen, gibt es in einigen deutschen Bundesländern bereits seit einiger Zeit. Diese haben sich bewährt und erfolgreich zwischen Universitäten und FH positioniert. In der Schweiz sind Versuche in diese Richtung nicht über einen Pilotversuch für ein praxisintegriertes Bachelorstudium hinausgekommen.
Schliesslich überraschte Avenir Suisse 2013 mit der Idee eines Bildungskontos für alle Auszubildenden. Dabei würde jedem Jugendlichen ein persönliches Bildungskonto eingerichtet, und zwar von 250 000 Franken für die ersten 11 Schuljahre, von 330 000 Franken für einen FH-Abschluss und von 350 000 Franken für universitäre Studierende. Die Vorteile des Bildungskontos wären eine völlige Transparenz der Geldströme im Bildungssystem, die Gleichbehandlung aller Studiengänge sowie der Anreiz für alle Kontoinhaber, sich vermehrt über die Verwendung ihres Guthabens Gedanken zu machen.
HFKG als blosses Rahmengesetz
Heute muss man ernüchtert feststellen, dass die meisten der grossen hochschulpolitischen Fragen und Problemen noch nicht gelöst sind. Das HFKG ist im Wesentlichen ein Rahmengesetz, das die Gremien, Instrumente und Entscheidungsmechanismen auf nationaler Ebene für die Steuerung der Hochschullandschaft bestimmt. Seine Ausarbeitung beanspruchte offenbar alle daran beteiligten Gremien derart, dass für die eigentlichen Probleme des Hochschulsystems kaum noch Zeit übrig blieb.
So weiss man heute immer noch nicht recht, was hinsichtlich der Universitäten und der FH «gleichwertig, aber andersartig» bedeutet. Noch immer sind alle Fachhochschultypen trotz grossen Unterschieden dem gleichen gesetzlichen Leistungsauftrag unterstellt. Die Integration der FH in das Nationalfonds-System ist unbefriedigend gelöst. Über höhere Studiengebühren nachzudenken, widerspricht der «political correctness». Und die Hochschulen sind trotz gestärkter Autonomie bis heute nicht in der Lage, wenigstens das Problem des mangelnden wissenschaftlichen Nachwuchses in eigener Regie zu lösen. Dass sich jetzt das Parlament anschickt, die wissenschaftlichen Karrierestrukturen an den Hochschulen – wie fast meistens über mehr finanzielle Mittel – zu lösen, stellt den Universitäten ein schlechtes Zeugnis aus. Vor diesem Hintergrund versteht es sich von selbst, dass die Reformvorschläge von Avenir Suisse bei der Hochschulpolitik für Unruhe sorgten.
Das Hochschulsystem muss reformfähig bleiben
Es ist unbestritten, dass das Schweizer Hochschulsystem im internationalen Vergleich immer noch sehr gut positioniert ist. Hinsichtlich der für die Qualität des Systems wichtigen vertikalen und horizontalen Durchlässigkeit in den Bildungsverläufen sind zudem beachtliche Fortschritte erzielt worden. Eine zukunftsfähige Hochschulpolitik darf sich jedoch nicht auf Spitzenplätzen in internationalen Rankings ausruhen. Erfolg macht nur allzu häufig träge und er führt zu nachlassendem Eifer und zum Müssiggang. Bislang haben die auf Vergangenheitsdaten basierenden Ranglisten kaum zur Lösung der aktuellen Herausforderungen beigetragen. Doch soll die Bildungs-und Forschungspolitik auch in Zukunft einen wichtigen Pfeiler der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Schweiz bilden, muss auch die Hochschulpolitik ihren Part dazu beitragen.