Es war eine Ablösung mit Ansage. Seit Jahren werden neue Firmen in der Schweiz eher als GmbH denn als AG gegründet. Dennoch ist die Aufholjagt über die vergangenen Jahre eindrücklich. So gab es Anfang 2006 mit knapp 90’000 nur halb so viele GmbH wie Aktiengesellschaften. Jetzt hat sich das Blatt gewendet und die GmbH hat mit über 230’000 Firmen die AG als beliebteste Rechtsform abgelöst.
Wo ein politischer Wille ist…
Der Ursprung des GmbH-Gründungsboom dürfte primär in zwei Revisionen des Gesellschaftsrechts liegen. Erst durch Inkrafttreten des revidierten Aktienrechts 1992 und des revidierten GmbH-Rechts 2008 wurde die Rechtsform populär; seither hat sie massiv an Bedeutung gewonnen. Ende 1992 gab es knapp 3000 GmbH, bis heute hat sich dieser Bestand mehr als versiebzigfacht.
Was ist bei diesen beiden Revisionen passiert? Im Zuge der Revision des Gesellschaftsrechts Anfang der 1990er Jahre wurde unter anderem das Mindestkapital für Aktiengesellschaften von 50’000 auf 100’000 Fr. angehoben und das Obligatorium einer unabhängigen Revisionsstelle durchgesetzt. Die AG wurde damit relativ unattraktiver, was dazu führte, dass die Rechtsform der GmbH für kleinere Unternehmen an Beliebtheit gewann.
Die Revision des Gesellschaftsrechts in den Nullerjahren führte derweil zu bedeutenden Anpassungen im GmbH-Recht: Die GmbH wurde als Einpersonengesellschaft zugelassen und die Stammkapitalbeschränkung von 2 Mio. Fr. sowie die subsidiäre Solidarhaftung der Gesellschafter in der Höhe des Stammkapitals wurde aufgehoben. Zudem kam es zu weitreichenden Änderungen im Revisionsrecht, u.a. mit der Einführung des «Opting-outs» bei der Revision für Kleinunternehmen.
Rechtsformen für Unternehmen sind also nicht einfach gottgegeben. Vielmehr bestimmt die Politik massgeblich, wie diese zentralen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft gestaltet sind. Sie prägt damit nachhaltig die Schweizer Firmenlandschaft. Vieles deutet nun darauf hin, dass hier die Digitalisierung weiteres Verbesserungspotenzial geschaffen hat, das die Politik noch nicht ausgeschöpft hat.
Wo bleibt der nächste Schritt?
So ist es in den meisten Ländern der Welt heute möglich, eine Kapitalgesellschaft ohne nennenswertes Mindestkapital zu gründen. Während 2004 noch 124 Länder ein festgelegtes Mindestkapital bei der Unternehmensgründung vorschrieben, hat sich diese Zahl bis 2019 halbiert. Das aus gutem Grund, denn wie die Weltbank vor zwei Jahren in einem Bericht unmissverständlich festgehalten hat: «Once viewed as a way to provide security to creditors, paid-in minimum capital requirements proved to be inefficient.»
Kritiker von gesetzlichen Gründungskapitalvorschriften betonen denn auch, dass in der Schweiz weit mehr verlangt wird als im Ausland. Das führe zu unverhältnismässig hohen Eintrittsschwellen für Startups und damit zu einem Standortnachteil. Verschiedene Studien kommen zum Schluss, dass Mindestkapitalvorschriften bei der Gründung das Unternehmertum hemmen können. Diese Einstiegshürde kann besonders in Bereichen ein Nachteil sein, in denen ohnehin wenig Kapital eingesetzt werden muss, z.B. bei (digitalen) Dienstleistungen.
Dessen ungeachtet werden die hohen Gründungsanforderungen in der Schweiz weiterhin kaum je in Frage gestellt. Das erstaunt. Zumal sich mit einer Anpassung gleichzeitig die Chance böte, die Digitalisierung der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Staat voranzutreiben. Wie mit einer neuen Rechtsform das Unternehmertum gefördert und die Modernisierung des Handelsregisterwesens angestossen werden könnte, hat Avenir Suisse jüngst aufgezeigt.
Die entsprechende Studie finden Sie hier: «Eine digitale Mini-GmbH für die Schweiz».
Weitere Hintergrundinformationen und zusätzliche Daten zur Firmendemografie in der Schweiz können Sie der kürzlich publizierten Analyse «Über den Lebenszyklus von Firmen» entnehmen.
Datenquelle: Auditorstats