Ein strukturelles Problem des Schweizer Stiftungssektors ist seine starke Fragmentierung. Es gibt zu viele kleine Stiftungen ohne kritische Masse für eine wirkungsvolle Arbeit und eine vermutlich hohe Zahl inaktiver Stiftungen, die sich nur noch selbst verwalten, statt ihrem Stiftungszweck zu dienen.
Schätzungsweise 80% aller Stiftungen haben keine Mitarbeiter, sondern werden auch operativ von den nebenamtlichen und oft unentgeltlich arbeitenden Stiftungsräten geführt. Gut 85% Aller Stiftungen haben ein Vermögen von weniger als 5 Mio. Fr. Gerade im Niedrigzinsumfeld wird diese schmale Kapitalbasis zum Problem – zumal die meisten Stiftungen konservativ investieren und auf Kapitalerhalt ausgerichtet sind. Derzeit bringen jedoch Anleihen guter Bonität kaum eine Realverzinsung.
Selbst bei optimistisch geschätzten 2% Rendite würden 85% der Stiftungen über ein Jahresbudget von weniger als 100 000 Fr. verfügen. Nach Gebühren, Büromiete und Aufrechterhaltung der Organe bleiben der Mehrheit der Stiftungen kaum Mittel zur Verfolgung ihres eigentlichen Zwecks. Gut ein Viertel der Schweizer Stiftungen hat ein Vermögen von unter 0,5 Mio. Fr. Bei einem Realzins von 2% entspricht dies einem Mikrobudget von unter 10 000 Fr. im Jahr. Es erstaunt daher nicht, dass Koordination und Konsolidierung von Fachleuten als Top-Prioritäten für das Stiftungswesen erachtet werden.
Ein Grund für die Fragmentierung ist der Ehrgeiz vieler Stifter und Stiftungsräte, die eigene Stiftung zu erhalten, selbst wenn dies nicht dem Stiftungszweck dient. Eine weitere Ursache ist die institutionelle Rigidität der Stiftung als Rechtsform. Auf Märkten gibt es für erfolglose Firmen Exit- (z. B. Insolvenz, Übernahme) und für erfolgreiche Firmen Expansionsmechanismen (z. B. Fusionen, Kapitalerhöhungen). Dies gewährleistet die schnelle Verbreitung erfolgreicher Geschäftsmodelle und somit die effiziente Verwendung knapper Ressourcen. Bei gemeinnützigen Stiftungen funktionieren beide Mechanismen nur bedingt, denn die meisten Stiftungen sind auf die Ewigkeit ausgerichtet, und Fusionen sind rechtlich kompliziert. Zudem können selbst kleine Stiftungen lange überleben, indem sie ihre Aktivitäten herunterfahren und sich nur noch selbst verwalten.
Im Durchschnitt der letzten vier Jahre gab es 148 Liquidationen und 11 Fusionen unter gemeinnützigen Stiftungen in der Schweiz (s. Abb.). Das heisst, pro Jahr wurde nur 1% der Stiftungen aufgelöst und weniger als 0,1% fusionierten. Eine solche institutionelle Rigidität hemmt die Verbreitung erfolgreicher «Geschäftsmodelle» im gemeinnützigen Sektor. Zudem gibt es eine relativ hohe Zahl inaktiver Stiftungen bzw. kleiner Stiftungen, denen die kritische Masse für wirkungsvolle Arbeit fehlt. Eine Konsolidierung der fragmentierten Stiftungslandschaft verbunden mit einer klareren Profilbildung und Spezialisierung der verbleibenden Akteure wäre also wünschenswert. Dafür bedürfte es effektiverer Exit- und Konsolidierungsmechanismen.
Mehr zu diesem Thema erfahren Sie im neuen Avenir-Suisse-Diskussionspapier «Schweizer Stiftungswesen im Aufbruch – Impulse für ein zeitgemässes Mäzenatentum.»