Die SRG wird vorläufig weiterhin keine Werbung auf ihren Online-Plattformen aufschalten können. Auf den ersten Blick sind das gute Nachrichten für private Verlage. Denn durch den faktischen Ausschluss der SRG nimmt die Intensität des Wettbewerbs im Online-Werbemarkt ab. Dies ist umso bedeutender, als es sich bei der SRG um einen gewichtigen Player handelt. So wird etwa die Homepage des Schweizer Fernsehens deutlich häufiger aufgerufen als die Newsportale von Tagesanzeiger oder NZZ. Der tatsächliche Vorteil für die privaten Verlage muss jedoch relativiert werden. Schliesslich wird deren möglicher Online-Werbeumsatz in erster Linie durch die Nutzerzahlen bestimmt. Und diese wiederum sind von der Attraktivität des Angebots abhängig. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass zusätzliche Werbung von den Nutzern eher als störend wahrgenommen wird. Natürlich ist dies auch eine Frage der Dosis: Während ein relativ geringes Ausmass etwa an Bannerwerbung noch unproblematisch erscheint, beeinträchtigen sogenannte Pop-ups – bei denen ein separates Fenster geöffnet wird – die Nutzer wesentlich stärker, weshalb diese vermehrt Pop-up-Blocker verwenden.
Relativ bescheidener Online-Werbemarkt
Mit dem bundesrätlichen Entscheid werden die Websites der SRG auch künftig werbefrei bleiben und damit für die Nutzer tendenziell attraktiver sein als die News-Seiten privater Anbieter. Natürlich lässt sich argumentieren, das geringere Einnahmepotenzial beeinträchtige umgekehrt den Umfang und die Qualität des Online-Angebots der SRG – was wiederum einen Vorteil für die privaten Verlage darstellen würde. Diese These ist jedoch gewagt, denn bei genauerem Hinsehen stellt das im wesentlichen gebührenfinanzierte Modell der SRG einen bedeutenden strategischen Vorteil gegenüber den privaten Verlagen dar. Nach wie vor ist das Ertragspotenzial im Online-Bereich eher beschränkt. So lag im ersten Halbjahr 2012 der Anteil der Online-Werbung im gesamten schweizerischen Werbemarkt bei lediglich etwa 7% – dabei wird neben der klassischen Display-Online-Werbung auch die inzwischen bedeutendere Suchmaschinenwerbung eingerechnet (vgl. Abbildung).
Es ist daher für die Verlage schwierig, ihr publizistisches Angebot allein über die Erträge aus dem Netz zu finanzieren. Faktisch werden die Online-Inhalte durch das Print-Angebot mitfinanziert. Doch im Falle eines schrumpfenden klassischen Geschäfts im Printbereich wird dies immer schwieriger. So zeigt eine US-Studie, dass die amerikanischen Zeitungen in den vergangenen Jahren den Umsatzschwund im Printbereich lediglich zu einem Siebtel durch Mehreinnahmen im Internet kompensieren konnten.
Anhaltender Ausbau des SRG-Online-Angebots
Aufgrund der mehrheitlichen Gebührenfinanzierung muss dagegen die SRG keine grundlegende Erosion der Erträge im Kerngeschäft fürchten, die wiederum das Online-Angebot tangieren würde. Auch ist die SRG weniger den Launen der Konjunktur ausgesetzt. Während die Werbeerträge eng mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung korrelieren, bleiben die Gebührenerträge davon unberührt. Vielmehr profitierte die SRG in den vergangenen Jahren von stetig (real) steigenden Gebühreneinnahmen – erstens wegen der real steigenden Tarife und zweitens wegen der wachsenden Anzahl Haushalte. Sollte die Politik zudem die «fehlenden» Online-Werbeerträge durch zusätzliche Gebühren kompensieren, könnte der SRG aus dem bundesrätlichen Entscheid sogar noch ein strategischer Vorteil erwachsen. Eine solche Entwicklung ist nicht ausgeschlossen. Immerhin hat der Bundesrat zeitgleich mit dem Verbot der Internetwerbung angekündigt, dass er der SRG im Internet mehr publizistische Möglichkeiten einräumen will. Dabei soll vor allem jene Regelung gelockert werden, wonach die Online-Angebote auf Radio- und TV-Programme bezogen sein müssen. Im Gegenzug soll die Anzahl Zeichen pro Artikel begrenzt werden. Ein Feilschen ist dabei vorprogrammiert: Während der Bundesrat von 1000 Zeichen redet, fordern die Verlage 800 und die SRG 1500 – dieser Online-Beitrag umfasst übrigens etwa 5700 Zeichen (inkl. Leerzeichen).
Doch derartige punktuelle Regulierungen werden längerfristig das Problem der immer grösser werdenden Wettbewerbsverzerrungen im Medienmarkt nicht lösen können. Die privaten Verlage sind nicht nur mit sinkenden Umsätzen im klassischen Geschäft konfrontiert, sondern auch mit der wachsenden Konkurrenz durch ein immer breiteres gebührenfinanziertes Angebot. Vor dem Hintergrund der wachsenden Konvergenz der Medien, wo Texte, Audio und Visio vermehrt gemeinsam und vor allem komplementär im Internet angeboten werden, ist das besonders kritisch. Die neuen technischen Gegebenheiten im Rundfunkmarkt und die veränderten Präferenzen der Konsumenten machen daher eine grundsätzliche Neuordnung des Service public bei den elektronischen Medien nötig. Avenir Suisse hat im Buch «Mehr Markt für den Service public» Vorschläge dazu gemacht.