Die Debatte über Teilzeit- und Vollzeitarbeit ist nicht nur in der Schweiz ein heisses Thema. Ein Blick nach Österreich zeigt, dass dort auch eigenartige Ideen diskutiert werden, um den Trend zur Teilzeitarbeit zu bremsen. Zum Beispiel: Eine Prämie von 1000 Euro für all jene, die ihren Beschäftigungsgrad auf 100% erhöhen. Braucht es so etwas auch in der Schweiz?
Die Schweiz als positives Beispiel
Wie die Abbildung zeigt, steht die Schweiz im OECD-Vergleich noch gut da – zumindest, wenn man sich auf die (negativen) steuerlichen Anreize bezieht, die aus der Belastung der Löhne mit der Einkommenssteuer und den Sozialversicherungsbeiträgen resultieren. Die Ausweitung der Arbeitszeit aus der Teilzeit wird vergleichsweise wenig bestraft.
Betrachten wir zum Beispiel den Fall einer alleinstehenden Person, in Zürich wohnhaft, die den (schweizweiten) durchschnittlichen Bruttostundenlohn verdient und von einem 50%-Pensum auf 75% erhöht. Die Erhöhung des Bruttolohns um 50% führt zu einer Erhöhung des Nettolohns um 46%. Verdoppelt man das Pensum von 50% auf 100%, so steigt das Einkommen nach Steuern um 88%. Nur in Ungarn, wo die Löhne proportional besteuert werden, ist die Progression flacher. Ganz im Unterschied zu Belgien: eine Verdoppelung des Arbeitspensums führt dort zu einer Erhöhung des Nettolohnes um lediglich 50%.
Die Tabelle ist bei der Diskussion um die Arbeitsanreize jedoch mit Vorsicht zu geniessen. Sie bildet nur Effekte bei den Einkommenssteuern ab – und das nur für das Durchschnittseinkommen. Das bedeutet, dass einerseits für andere Einkommensgruppen das Bild anders ausfallen kann. Andererseits sind aus ökonomischer Sicht auch andere Aspekte bedeutend, ob sich eine Pensumserhöhung lohnt oder nicht. So können etwa Vergünstigungen im Bereich der Krankenkassen (IPV) oder Subventionen bei der Kinderbetreuung wegfallen. Eine umfassende Analyse der Arbeitsanreize müsste diese Punkte selbstredend berücksichtigen.
Zudem ist bei der Tabelle zu beachten: Eine flache Progression der Einkommenssteuer im mittleren Bereich bedeutet nicht, dass die Gesamtsteuerbelastung gering wäre. Manche Länder, die in der abgebildeten OECD-Rangliste Toppositionen erzielen, schneiden in einem anderen entscheidenden Punkt schlecht ab: bei der Mehrwertsteuer. So haben Frankreich, Dänemark und Ungarn Mehrwertsteuersätze von 20%, 25% bzw. 27%. Diese Länder bremsen also die zusätzliche Arbeit verhältnismässig wenig ab (insbesondere im Mittelstand, da die Analyse auf den Durchschnittslohn beschränkt ist), jedoch pressen sie die Steuerzitrone deutlich stärker aus als die Schweiz, wo der reguläre Mehrwertsteuersatz bei 8,1% liegt.
Wo noch Verbesserungspotenzial besteht
Und weil ein Steuersystem nicht mit einer einzigen Kennzahl beurteilt werden kann, muss auch die gute Position der Schweiz in der Abbildung qualifiziert werden. Denn eine wichtige Gruppe, die unter der aktuellen Steuerstruktur stärker leidet, sind verheiratete Frauen. Aufgrund der gemeinsamen Besteuerung der Einkommen von Ehepaaren haben sie in der Schweiz grundsätzlich höhere Grenzsteuersätze als unverheiratete Personen. Dies kann dazu führen, dass der finanzielle Anreiz, das Arbeitspensum zu erhöhen, für verheiratete Frauen geringer ist, vor allem wenn der Ehepartner einen höheren Lohn erzielt.
Diese systematische Benachteiligung liesse sich einerseits durch eine Einführung der Individualbesteuerung beheben, wie sie derzeit auf Bundesebene diskutiert wird. Andererseits würde auch eine flachere Progression das Problem beheben, etwa mit einer Flat-Rate-Tax, wie sie beispielsweise einige Kantone oder Ungarn bereits kennen. Beides wäre ein Schritt in die richtige Richtung, um sowohl eine gerechtere Verteilung der Steuerlast zu erreichen als auch die Arbeitsanreize weniger zu verzerren.