Die öffentliche Schule steht unter Beschuss – der Lehrplan 21, das integrative Schulmodell oder der Lehrpersonenmangel sind nur ein paar energiegeladene Stichworte. Gleichzeitig mehren sich Berichte darüber, dass der Unterricht zu Hause und an Privatschulen an Popularität gewinnt. Was ist da dran und was bedeutet dies für die Volksschule?

Quasi-Monopolstellung der Volksschule

Die Schulpflicht, die an den Wohnort gebunden ist, führt zu einer Quasi-Monopolstellung der öffentlichen Schulen. Unzufriedene Eltern haben – abgesehen von einem Umzug in einen anderen Schulkreis – derzeit zwei (legale) Alternativen zur Volksschule:

  • Erstens: Privatschulen. Erziehungsberechtigte können ihre Kinder auf eine Privatschule schicken, welche jedoch mit eigenen Mitteln zu bezahlen ist. Laut der Agentur für Privatschulen kosten diese im Durchschnitt 24’000 Franken pro Kind und Schuljahr, was nur wohlhabende Familien bezahlen können. Somit hat diese Option gegenüber der mit Steuergeld finanzierten Volksschule einen klaren Finanzierungsnachteil – je nach Kanton fliessen 20 bis 35 Prozent der kommunalen und kantonalen Gesamtausgaben in die Bildung.
  • Zweitens: Homeschooling. Erziehungsberechtigte können ihre Kinder zu Hause unterrichten bzw. unterrichten lassen. Diese Alternative ist je nach Kanton mit mehr oder weniger Hürden verbunden. Doch auch dies bedeutet für Familien eine finanzielle Belastung: Entweder verzichtet ein Elternteil während dieser Zeit auf eine bezahlte Erwerbstätigkeit oder es muss eine Drittperson entlöhnt werden.

Die Alternativen zur Volksschule sind somit limitiert und stehen nur Familien mit den entsprechenden Ressourcen offen. Trotzdem haben sie sich halten können, bzw. sind sogar populärer geworden, wie der Blick auf die Statistik zeigt.

Deutlicher Aufschwung beim Homeschooling

In der Schweiz existieren neben der Volksschule zahlreiche Privatschulen. Die Zahl der privaten Bildungsinstitutionen, die zu weniger als 50% durch öffentliche Gelder finanziert werden, ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Während im Schuljahr 2012/2013 noch knapp 300 private Bildungseinrichtungen auf Primarschulstufe existierten, waren es im Schuljahr 2022/2023 deren 400.

Trotz dieses Wachstums ist der Anteil der Schüler in Privatschulen stabil geblieben. Im Schuljahr 2022/2023 lag er schweizweit bei 4,6 Prozent aller Kinder der obligatorischen Schule (vgl. Abbildung). Doch die regionalen Unterschiede sind gross: In Genf besuchen 16 Prozent der Kinder eine Privatschule und in einigen Zürcher Gemeinden ist es fast jedes fünfte Kind. In anderen Kantonen und Regionen hingegen ist der Anteil minim.

Einen deutlichen Aufschwung hat in den letzten Jahren das Homeschooling verzeichnet. Sowohl der Anteil als auch die absolute Zahl der Kinder, die zu Hause unterrichtet werden, haben sich über die letzten fünf Jahre verdoppelt (vgl. Abbildung). Dieser Anstieg setzte vor allem während der Corona-Pandemie ein. Seither hat sich die Quote und die Anzahl der Kinder im Homeschooling stabilisiert. Mit schweizweit rund 4200 Schülern und einer Homeschooling-Quote von gut 0,4 Prozent bleibt diese Schulungsart aber ein Randphänomen.

Doch auch hier gilt: Die Verteilung der Kinder im Homeschooling zeigt deutliche kantonale Unterschiede. Zwei Kantone stechen hervor: Im Schuljahr 2023/2024 wurden im Kanton Bern 1300 Schülerinnen zu Hause unterrichtet, im Kanton Waadt fast 1000. Zusammen kommen diese beiden Kantone auf über die Hälfte aller Kinder im Homeschooling.

Zusammengefasst zeigt der Blick auf die Homeschooling- und Privatschulquoten: Trotz teils deutlicher regionaler Unterschiede bleibt die öffentliche Schule die dominante Bildungsinstitution. Rund 95 Prozent der Kinder besuchen weiterhin die Volksschule in ihrer Wohngemeinde.

Behörden ziehen die Zügel an – besonders beim Homeschooling

Der Anteil alternativer Angebote zur Volksschule wird vor allem von zwei Faktoren getrieben: Zum einen spielt die sozioökonomische Zusammensetzung der Bevölkerung eine zentrale Rolle – beispielsweise sind International Schools besonders bei hochqualifizierten ausländischen Familien beliebt.

Zum anderen beeinflussen die behördlichen Rahmenbedingungen die Entwicklung der Homeschooling- und Privatschulquoten massgeblich. Weil Privatschulen nicht mit Steuergeldern bedacht werden, haben sie gegenüber öffentlichen Schulen einen Finanzierungsnachteil. Dieser kann sich bei steigenden öffentlichen Bildungsausgaben für die obligatorische Schule noch verstärken.

Forderungen nach einem Ausgleich des Finanzierungsnachteils von Privatschulen gegenüber der Volksschule stiessen in der Vergangenheit auf wenig Unterstützung. Der Kanton Basel-Land hat in diesem Sinne eine jährliche Pauschale von 2500 Franken gestrichen, die zuvor an Erziehungsberechtigte von Privatschülern gezahlt wurde. Anders verhält sich der Kanton Zug: Dort soll die Unterstützung für Privatschulen erhöht werden. Dies jedoch nicht gestützt auf bildungspolitische Argumente, sondern um die Standortattraktivität trotz der OECD-Mindeststeuerreform zu gewährleisten.

Im behördlichen Umgang mit Homeschooling zeigen sich deutliche kantonale Unterschiede: Während die einen Kantone Homeschooling verunmöglichen, herrscht in anderen Kantonen lediglich eine Meldepflicht. Doch wegen der erhöhten Nachfrage infolge der Corona-Pandemie ziehen diverse Kantone die Zügel an.

Ein aktuelles Beispiel sind die Kantone Luzern und Schaffhausen. Seit dem Schuljahr 2023/2024 verlangen sie für das Homeschooling neu ein Lehrdiplom. Die Auswirkungen sind beträchtlich: In Schaffhausen brach die Zahl der Kinder im Heimunterricht innert kürzester Zeit von 50 auf 7 Kinder ein. In Luzern ging sie innert zweier Jahre von 170 auf 106 Kinder zurück – der Rückgang dürfte sich fortsetzen, da eine Übergangsfrist für bereits eingeschulte Homeschooling-Kinder gilt.

Natürlich muss zum Wohle der Kinder sichergestellt werden, dass im Homeschooling eine qualitativ hochwertige Bildung gewährleistet wird. Wenn jedoch in der Volksschule vermehrt Lehrpersonen ohne Diplom eine Klasse unterrichten dürfen, während dies im Homeschooling generell verboten ist, wirft dies Fragen auf.

Alternativen zur Volksschule als Labor nutzen

Homeschooling und Privatschulunterricht sind derzeit die einzigen Alternativen zur öffentlichen Schule. Doch aufgrund des Finanzierungsnachteils bleiben sie vor allem finanzkräftigen Familien vorbehalten – solange keine Stipendien oder Bildungsgutschriften zur Verfügung stehen. In den letzten Jahren hat die Politik zudem die Hürden zum Homeschooling weiter erhöht. Doch eine Zementierung der Quasi-Monopolstellung der Volksschule macht sie noch nicht zukunftsfähig.

Normalerweise fungiert der Föderalismus als Labor für Ideen und Lösungen – im Schulwesen hat er durch die Harmonisierung zwischen den Kantonen jedoch an Innovationskraft eingebüsst. Das ist eine bedenkliche Entwicklung. Umso wichtiger ist es, alternative Gefässe für Innovationen zuzulassen und daraus zu lernen. So bieten Privatschulen oft innovative Lehrmethoden und organisatorische Ansätze, die auch der öffentlichen Schule wertvolle Impulse geben können. Der Wettbewerb um die Schülerinnen und Schüler sollte also nicht gefürchtet, sondern als Chance zur Weiterentwicklung der Volksschule begriffen werden.