Der neue US-Handelsbeauftragte Jamieson Greer hat amerikanische Unternehmen aufgefordert, unfaire Handelspraktiken anderer Staaten zu melden. Damit ist auch die Schweiz ins Visier der neuen Administration geraten.

Was man in Washington unter unfairen Handelspraktiken versteht, hatte das Weisse Haus bereits in einem Memorandum vom 13. Februar erläutert. Darin erklärt US-Präsident Donald Trump, dass er nicht reziproke Handelsbeziehungen mit Zöllen ausgleichen will.

Den USA geht es dabei wohl nicht nur um Zölle aus protektionistischen Gründen. Zumindest hat der ehemalige Handelsbeauftragte Trumps, Bob Lighthizer, Zölle immer als Instrument gesehen, um andere Faktoren wie Steuervergünstigungen oder (künstlich) niedrige Löhne auszugleichen.

Die Handelsbeziehungen der USA sollten daher auf folgende Punkte überprüft werden:

  • Zölle auf US-Produkte
  • Unfaire Steuern auf US-Unternehmen, Arbeitern und Konsumenten (inkl. Mehrwertsteuer)
  • Nichttarifäre Handelshemmnisse wie Subventionen und übermässige Regulierung
  • Währungsmanipulation
  • Weitere Handelspraktiken, die den Marktzugang unfair einschränken

Die Schweiz wird wahrscheinlich wegen ihres Handelsbilanzüberschusses bei Gütern kritisiert werden. Denkbar ist auch, dass die Trump-Administration die Währungspolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zum wiederholten Mal ins Visier nimmt.

Wir haben daher die wichtigsten Punkte zusammengestellt, wie die Schweiz auf mögliche Vorwürfe reagieren soll:

1) Nicht in Panik verfallen.

Da die Schweiz bisher nicht im Fokus der neuen Trump-Administration steht, gilt es Ruhe zu bewahren und im Hintergrund auf die Vorteile der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen hinzuweisen (vgl. nächste Antwort). Wir sollten «good television» im Scheinwerferlicht auf jeden Fall vermeiden und stattdessen auf einen «good deal» im Hintergrund setzen.

2) Klarstellen, dass die Schweiz für die USA eine faire Handelspartnerin ist.

Die Schweiz hat mehrere gute Argumente, um ihre positive Bedeutung für die US-amerikanische Volkswirtschaft zu unterstreichen. So unterstützen Schweizer Direktinvestitionen in der Höhe von 300 Milliarden Dollar direkt eine halbe Million Arbeitsplätze in den USA. Schweizer Unternehmen sind zudem die siebtgrössten ausländischen Arbeitgeber in den USA – und sie zahlen die höchsten Durchschnittslöhne aller ausländischen Unternehmen. Darüber hinaus haben die USA einen beträchtlichen Handelsüberschuss bei Dienstleistungen mit der Schweiz. Im Jahr 2022 betrug dieser rund 21 Milliarden Franken.

Auch der Vorwurf der Währungsmanipulation liesse sich ausräumen, sollte die Trump-Administration die Schweiz wie im Dezember 2020 erneut für ihre Währungspolitik kritisieren. Seit 2015 untersuchen die USA ihre wichtigsten Handelspartner auf unfaire Eingriffe in den Devisenmarkt. Die angewandten Kriterien (Überschuss im Warenhandel, Leistungsbilanzüberschuss, Interventionen der Nationalbank) werden den Besonderheiten vieler Länder allerdings nicht gerecht.

In der Vergangenheit haben insbesondere die Devisenkäufe der SNB in Washington den Verdacht geweckt, die Schweiz wolle sich einen Wettbewerbsvorteil im Aussenhandel verschaffen. Dabei dienten diese Interventionen nur einem Zweck: der Erfüllung des Mandats der Preisstabilität. Zwischen Januar und Oktober 2024 hat die SNB Devisenkäufe im Umfang von 1,1 Milliarden Franken getätigt. Um den aktuellen Grenzwert des US-Finanzministeriums zu überschreiten, müsste dieser Wert für das ganze Jahr aber bei über 16 Milliarden Franken liegen (2% des BIP). Auch mit Blick auf die teilweise deflationären Tendenzen in der jüngeren Vergangenheit sind hier gute Argumente auf der Hand.

3) Von anderen Ländern lernen.

Falls die Schweiz plötzlich im politischen Scheinwerferlicht steht, ist es wichtig, die Trump-Administration gut dastehen zu lassen. Das hat Mexiko kürzlich vorgemacht. Sie haben Zugeständnisse gemacht, die zwar aus Dingen bestanden, die sie bereits taten. Aber die US-Regierung konnte das dennoch als grossen Gewinn verkaufen. Die Schweiz könnte in einem solchen Fall beispielsweise die Abschaffung der Industriezölle oder den Kauf der F-35 betonen.

Sollte die Schweiz tatsächlich mit Zöllen belegt werden, steht es ihr natürlich frei, gemäss den Regeln der Welthandelsorganisation Ausgleichsmassnahmen zu ergreifen. Wie hier optimalerweise vorgegangen werden soll, gilt es vertieft zu prüfen. Auch hier gibt es Anschauungsunterricht aus dem Ausland. Interessant ist zum Beispiel, wie China auf die Zölle während der ersten Trump-Präsidentschaft reagiert hat: Sie haben die Zölle zwar ausgeglichen, aber nicht vollumfänglich, sondern etwas weniger, was deeskalierend gewirkt hat. Gleichzeitig konnten sie der eigenen Bevölkerung signalisieren, dass sie sich nicht einschüchtern lassen.

4) Bei den US-Exportbeschränkungen für KI-Computerchips auf die Hinterbeine stehen.

Zur Erinnerung: Die im Januar angekündigte Regelung sieht drei Länderkategorien vor, wobei die Exportobergrenzen von der jeweiligen Kategorie abhängen. Damit sollen mögliche Schlupflöcher für Drittländer minimiert werden, die China nutzen könnte, um an Chips zu gelangen, auf die es sonst keinen Zugriff hätte. Die Schweiz wurde im Gegensatz zu Deutschland, Frankreich oder Grossbritannien nicht als «trusted country» eingestuft.

Solche Exportbeschränkungen stellen gerade für einen Innovationsstandort wie die Schweiz ein Problem dar. Bleibt die Schweiz herabgestuft, müssten hierzulande ca.16’500 KI-Chips pro Jahr reichen. Diese müssen wiederum zwischen Grossunternehmen, Start-ups und Forschung aufgeteilt werden. Dass dies Unsicherheit auslöst, bedarf keiner Erklärung.

Die endgültige Umsetzung ist jedoch noch offen. Zum einen könnten US-amerikanische Unternehmen im Ausland in den Genuss von Sonderbewilligungen kommen. Zum anderen durchlaufen die Regelungen zurzeit eine viermonatige Kommentierungsphase – selbstredend, dass die Schweiz als historische «Sister Republic» der USA diese intensiv nutzen soll, um künftig zum Kreis der vertrauenswürdigen Länder zu gehören.

Im Übrigen stammt die Massnahme noch von der Vorgängerregierung. Sie lässt sich in einen grösseren Trend einordnen, bei dem sich Sicherheits- und Wirtschaftspolitik zunehmend vermischen. Bereits 2023 haben die USA bestimmte Schlüsseltechnologien wie Halbleiter zu «Critical and Emerging Technologies» ernannt und entsprechende Investitionskontrollen verschärft.

5) Beim Freihandel mit den USA auf sektorielle Abkommen setzen.

Freihandelsabkommen (FTA) sind nicht nur mit den USA begrüssenswert, sondern mit allen Handelspartnern. Solche Handelserleichterungen erhöhen den volkswirtschaftlichen Nutzen für beide Seiten. Natürlich gilt es für die Schweiz dabei jeweils die lokalen politischen Gegebenheiten bei ihrem Vorgehen zu berücksichtigen.

Ein umfassendes FTA mit den USA wird heute einen schweren Stand haben. Die Schweiz müsste etwa im landwirtschaftlichen Bereich Konzessionen eingehen, die innenpolitisch kaum mehrheitsfähig sind. Gegebenenfalls wären jedoch wie während Trumps erster Amtszeit Liberalisierungsschritte in einzelnen denkbar.

Eine Wiederaufnahme explorativer Gespräche zu Handelserleichterungen wäre jedenfalls zu begrüssen. Nicht nur aus wirtschaftspolitischer Sicht. Sie wären auch ein Zeichen dafür, dass sich die USA – entgegen den gegenwärtigen Signalen – der regelbasierten Ordnung nicht verschliesst. Für eine kleine, exportorientiere Volkswirtschaft wie die Schweiz wäre das von besonderem Wert.

6) Kollateralschäden beachten.

Die Schweiz muss aber auch die Gegenmassnahmen der EU im Auge behalten. Sollten diese Gegenzölle gegen alle Drittstaaten verhängt werden, wäre auch die Schweiz betroffen. Dies war bereits 2018 der Fall, als die USA und die EU über Zölle auf Stahl und Aluminium stritten. Im Sinne der Stabilisierung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs sollte die Schweiz bei der EU darauf drängen, von diesen Gegenmassnahmen ausgenommen zu werden.