Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin werden nach Ostern in die USA reisen. Der Anlass ist die Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank in der amerikanischen Hauptstadt. Diese Gelegenheit soll auch zu Treffen mit Vertretern der Regierung Trump genutzt werden. Das Ziel dieser Mission ist klar: die für Schweizer Güter eingeführten Zölle von 10% rückgängig zu machen und die drohenden, noch viel höheren Sätze abzuwenden.

Gewiss werden die beiden Bundesräte bei ihrem Besuch darauf hinweisen, dass die Schweiz einer der grössten Auslandsinvestoren in den USA ist. Und dass die Handelsbilanz ziemlich ausgeglichen ist, wenn man den Dienstleistungshandel berücksichtigt. Doch das allein reicht wohl nicht – und überhaupt: Es soll am Ende nicht nur um Zölle gehen, sondern um ein langfristig angelegtes «Back to business» zwischen den beiden Ländern.

In diesem Beitrag haben wir verschiede Vorschläge zusammengestellt, mit denen man diesem Ziel näherkommt. Es geht dabei nicht darum, einer Grossmacht den Hof zu machen. Denn man muss im Auge behalten, dass auch andere Grossmächte darauf schauen, zu welchen Konzessionen die Schweiz bereit ist – das Gefüge zu anderen Ländern darf wegen den USA nicht aus dem Lot geraten.

Vielmehr sollen langfristig tragfähige Lösungen angestrebt werden, welche die (wirtschaftliche) Freiheit der Amerikaner und der Schweizer vergrössern. Vieles ist derzeit in Bewegung, diese Chance sollte genutzt werden. Es gibt Ideen, die sich mit etwas Willen rasch verwirklichen lassen – und solche, die in der Schweiz umstritten sein dürften. Es geht also um «low hanging fruits» und «high hanging fruits», die mehr Zeit brauchen.

Low hanging fruits

1) Zulassung von Medizinalprodukten: Wenn ein Medizinalprodukt in der EU erlaubt ist, darf es auch in der Schweiz in Verkehr gebracht werden. Und wie sieht es mit Produkten aus den USA aus? Das Parlament hat 2022 den Bundesrat beauftragt, auch Produkte zuzulassen, die die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) zertifiziert hat. Dies würde es US-Unternehmen erlauben, ihre Produkte ohne den zusätzlichen Aufwand einer EU-Zertifizierung auf dem Schweizer Markt anzubieten. Zudem würde sich die Versorgungssicherheit der Schweiz mit Medizinalprodukten verbessern. In dieser Sache sollte die Schweiz demnach einen Zacken zulegen.

2) Zölle reduzieren: Hier ginge es um ausgewählte Landwirtschaftsgüter, da die Schweiz auf Industriegütern keine Zölle mehr erhebt. Eine generelle Zollreduktion wäre aus Konsumentensicht zwar wünschenswert, ist aber aus innenpolitischen Gründen unrealistisch. Wenig Sinn ergeben Zölle jedoch besonders auf Agrarprodukten, die gar nicht in der Schweiz gedeihen. So gibt es etwa Zölle auf Orangen, Grapefruits oder Macadamia-Nüssen, die zum Beispiel in Kalifornien oder Florida angebaut werden – das muss selbst aus Sicht der Schweizer Landwirtschaft, und ganz sicher aus Schweizer Konsumentensicht nicht sein.

3) 3000 Lehrlinge pro Jahr: 500 Schweizer Firmen in den USA beschäftigen etwa 500 000 Personen. Diese könnten noch stärker als heute einen kulturellen Beitrag leisten, nämlich im Bereich der dualen Ausbildung. Firmen wie die Industriekonzerne Bühler und Dätwyler sowie Nestlé, Zurich und diverse andere sind bereits mit Lehrlingsprogrammen in den USA unterwegs. Die Schweizer Firmen könnten deshalb zum Beispiel ein Versprechen abgeben: Wir starten jedes Jahr mit 3000 Lehrlingen (macht 9000, wenn das Programm bei einer dreijährigen Lehre voll läuft). Wenn man eine prominente Schirmherrschaft sucht, könnte man Johann Schneider-Ammann und Ivanka Trump fragen. Die Tochter des US-Präsidenten hatte den damaligen Bundesrat 2017 kennengelernt. Damals hatte sie sich sehr für das Schweizer Modell der dualen Ausbildung interessiert.

4) Volle Mobilität für Praktikanten: Am 11. Oktober 2024 haben die Schweiz und die USA einen Vertrag über den Austausch von Praktikanten sowie jungen Berufsleuten vereinbart. Die mögliche Obergrenze auf Schweizer Seite beträgt jährlich 300 Bewilligungen. Dabei handelt es sich um befristete Aufenthalte (12 bis 18 Monate) zur beruflichen Aus- und Weiterbildung. Hier könnte man mehr Freiheit gewähren. Man könnte etwa Praktikantinnen und Praktikanten aus den USA unbeschränkt zu einer vorübergehenden Weiterbildung in der Schweiz zulassen, gerade wenn man das Lehrlingsprojekt unter Punkt 3) in Angriff nimmt.

5) Investitionspläne der Pharma und anderer Industrien: Noch wurde die Pharmaindustrie nicht mit Zöllen belegt. Um gegenzusteuern oder spätere Zölle zu parieren, könnten die betroffenen Firmen ihre Ausbaupläne in den USA quantifizieren. Novartis hat soeben angekündigt, über fünf Jahre 23 Mrd. $ in Amerika zu investieren. Es könnte generell hilfreich sein, wenn grosse Schweizer Firmen ihre provisorischen Investitionspläne gegenüber dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) signalisieren würden. Das Bundesrats-Duo könnte diese Zahl dann ihren amerikanischen Partnern präsentieren – wenn auch nur als grober Richtwert.

6) American Swiss Foundation: Bei dieser Stiftung handelt sich um ein Netzwerk von Politikerinnen, Firmenlenkern und Nonprofit-Vertretern beider Länder. Im Vorstand ist etwa der frühere Botschafter der USA in der Schweiz, Edward McMullen. Der ehemalige Schweizer Botschafter in Washington, Jacques Pitteloud, wurde unlängst von der Stiftung ausgezeichnet. Von amerikanischer Seite sind Republikaner und Demokraten dabei.

Eine Selbstvergewisserung der gegenseitigen Wertschätzung wäre im jetzigen Stadium sicher nicht verkehrt. Von den hochkarätigen Persönlichkeiten und den paar Hundert, die der Stiftung verbunden sind, könnte ein Aufruf ergehen, das gute Verhältnis der beiden Länder weiter zu vertiefen. Eine Veröffentlichung des Aufrufs in amerikanischen und Schweizer Medien sowie auf Social Media würde der Aktion die nötige Sichtbarkeit geben.

High hanging fruits

1) Bei Gentech-Food auf den Konsumenten setzen: Die Hürden zur Einfuhr gentechnologisch veränderter Lebensmittel sind in der EU und auch der Schweiz hoch – obwohl es nun Jahrzehnte lange Erfahrung damit gibt, ohne dass Schäden ruchbar geworden wären. Hier sollte künftig vermehrt auf die Konsumentensouveränität gesetzt werden. Entsprechend würde eine Deklarationspflicht genügen, damit jede und jeder im Restaurant sowie im Laden selber entscheiden kann, was auf den Teller kommt. Das käme einer nontarifären Handelsliberalisierung für die USA gleich, da diese bei der grünen Gentechnik führend sind.

2) Willkommenskultur für Amerikaner: In diesem Jahr können bis zu 8500 qualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten, darunter die USA, für den Schweizer Arbeitsmarkt rekrutiert werden. Ganz im Sinne von mehr Freiheit, könnte die Schweiz die Hürden für hochqualifizierte Arbeitnehmende aus den USA einseitig abbauen. Die Schweiz würde damit nicht nur Top-Fachkräfte erhalten, sondern könnte auch ein Signal aussenden: Amerikanerinnen und Amerikaner sind in der Schweiz willkommen. Diese zuvorkommende Behandlung müsste auch der US-Regierung gefallen – und längerfristig wäre generell über ein stärker nachfrageorientierte Zulassungspraxis für Hochqualifizierte aus allen Drittstaaten nachzudenken.

3) Verhandlungen über ein «Horizon USA/GB/CH»: Horizon Europe ist eine Initiative der EU, die in der Spitzenforschung ein grosser Erfolg ist. Die Schweiz könnte Impulse für eine ähnliche Initiative für das Trio USA, Grossbritannien, Schweiz geben. Eine solche Allianz würde die drei Länder vereinen, die die Top-20 der weltweit besten Hochschulen in den QS World University Rankings dominieren. Mit der ETH Zürich und der EPFL sind auch zwei Schweizer Hochschulen in der Weltspitze. Der Austausch unter den «best of the best» könnte ganz im Sinne der neuen Administration sein, die gerne Superlative verwendet – wäre aber auch über Trumps Amtszeit hinaus sinnvoll. Mit Swissnex Boston und San Francisco ist die Schweiz an den Hotspots der amerikanischen Forschungswelt bereits aktiv.

Mit diesen neun Vorschlägen könnten langfristig sowohl die USA als auch die Schweiz profitieren. Die Schweiz hätte somit einiges anzubieten. Die Frage ist allerdings, was die Trump-Regierung überhaupt will. Das ist bis dato alles andere als klar – die Politik ist sehr erratisch. Geht es der neuen US-Regierung ausschliesslich um einen Abbau des Aussenhandelsdefizites mit anderen Ländern, dann sind die beiden Bundesräte wohl schon fast auf einer «mission impossible».