Die jüngste Studie von Avenir Suisse zu den Kantonalbanken hat in den Medien viel Beachtung gefunden – und auch auf den sozialen Netzwerken wurde rege und kontrovers darüber diskutiert. Wir haben die fünf prominentesten Einwände unter die Lupe genommen.

1. Warum behandelt die Studie nur die Kantonalbanken mit expliziter Staatsgarantie?

Wir haben uns bewusst auf die Kantonalbanken und dabei auf jene, mit expliziter Staatsgarantie konzentriert. Hier existieren zum einen klare gesetzliche Grundlagen, an die sich ein Kanton im Krisenfall halten muss. Zum anderen profitieren die meisten Kantonalbanken mit expliziter Staatsgarantie von einem weiteren speziellen Vorteil: Eine mehr oder weniger umfassende Steuerbefreiung. Nur gerade fünf dieser Institute zahlen auf allen Staatsebenen Steuern – so wie private Finanzinstitute oder jene drei Kantonalbanken ohne explizite Staatsgarantie.

2. Wird der Finanzierungsvorteil der expliziten Staatsgarantien mit bis zu 800 Mio. Fr. pro Jahr nicht überschätzt?

Es gibt mehrere Ansätze, den Wert einer Staatsgarantie zu berechnen. So stützen sich gewisse wissenschaftliche Studien auf die Marktpreise von Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps), andere wählen den von uns gewählten Ansatz (Rating-Uplift). Unterschiedliche Methoden ergeben durchaus Sinn, da bei Kantonalbanken, Regionalbanken oder Grossbanken jeweils unterschiedliche (Markt-)Daten verfügbar sind.

Im Detail vergleicht unser Ansatz die Fremdkapitalkosten einer Bank mit und ohne Staatsgarantie. Dabei werden zwei Ratings einander gegenübergestellt: einerseits ein «Stand-alone-Rating» und anderseits ein «Support-Rating», das die garantierte öffentliche Unterstützung berücksichtigt. Die Differenz zwischen diesen Ratings entspricht dem Finanzierungsvorteil durch die Staatsgarantie – und kann in Stufen («Notches») ausgedrückt oder in prozentuale Risikoprämien umgerechnet werden.

In unserer Studie schätzen wir den mittleren Finanzierungsvorteil für die Kantonalbanken mit expliziter Staatsgarantie auf drei «Notches» oder 0,27 Prozentpunkte pro Jahr. Ein Blick in die Literatur zeigt, dass dieser Wert verhältnismässig moderat geschätzt ist. Eine Übersichtsstudie aus dem Jahr 2021 kommt für Grossbanken beispielsweise auf einen mittleren Finanzierungsvorteil von gut 0,5 Prozentpunkten pro Jahr (Buch et al. 2021, vgl. z.B. Abbildung 3). Zu den Kantonalbanken gibt es hingegen nur wenige Untersuchungen: Eine vom emeritierten Bankenprofessor Urs Birchler betreute Masterarbeit schätzt den jährlichen Finanzierungsvorteil auf mindestens 0,6 Prozentpunkte (Pfammatter 2013).

3. Werden im Krisenfall die Kantone ihren Banken nicht auch ohne explizite Staatsgarantie beistehen?

Das ist durchaus möglich – in dem Fall spricht man von einer impliziten Staatsgarantie. Und auch implizite Staatsgarantien verzerren den Wettbewerb. Allerdings ist der Spielraum für Kantone mit expliziter Staatgarantie kleiner, da hier die Garantieleistungen gesetzlich festgeschrieben ist. Zudem sind diese Staatsgarantien meist äusserst weitreichend, decken sie doch den überwiegenden Anteil der Verbindlichkeiten ab – in der Regel über 95% der Bilanzsumme, bei gewissen Instituten sogar 100%.

Im Aargau, in Baselland, Glarus und Zürich ist der Kanton gemäss Verfassung zudem verpflichtet, eine Kantonalbank zu betreiben. Das bedeutet strenggenommen zwar nicht, dass die heutige Bank eine Bestandesgarantie hat – theoretisch könnte ein Kanton seine Bank auch in Konkurs gehen lassen, und dann eine neue Bank gründen. Doch in der Praxis würde das kaum je passieren. Denn ein Konkurs sowie eine Neugründung sind kostspielig und bringen dem Eignerkanton wenig, da er wegen der Staatsgarantie so oder so für den grössten Teil der Verbindlichkeiten aufkommen muss. Im Endeffekt lohnt sich ein Konkurs damit für einen Kanton kaum. Dadurch ergibt sich für die Kantonalbanken der vier genannten Kantone neben der de jure Ausfallgarantie für die Verbindlichkeiten auch eine umfassende de facto Bestandes- und Institutsgarantie.

4. Sind explizite Staatsgarantien nicht etwas Gutes, weil sie von den Kantonalbanken abgegolten werden?

Wie in der Studie detailliert ausgeführt, entrichten die meisten Kantonalbanken im Gegenzug für ihre Staatsgarantie eine Abgeltung an den Kanton oder erfüllen einen Leistungsauftrag. Doch damit sind die Probleme der Garantien nicht aus der Welt geschaffen.

Erstens sind Abgeltungsmodelle kaum je so ausgestaltet, dass die Vorteile und Risiken korrekt aufgerechnet werden. Zweitens eignen sich Leistungsaufträge nicht dafür, die Wettbewerbsverzerrungen durch Staatsgarantien zu kompensieren. Denn auffallend oft beschränken sich diese auf interpretationsbedürftige Formulierungen, aus denen sich mehr schlecht als recht ein monetärer Wert der Kosten ableiten lässt.

Statt die Staatsgarantien der Kantonalbanken abzugelten oder mit Leistungsaufträgen zu sekundieren, sollte vielmehr an der Abschaffung dieser Garantien gearbeitet werden. Zumal diese Staatsgarantien ein enormes Risiko bergen, denn die Bilanzsummen der meisten Kantonalbanken sind weitaus grösser als die jährlichen Budgets ihrer Standortkantone. Wie die Wirtschaftsgeschichte wiederholt gezeigt hat, führen solche Garantien im Krisenfall denn auch zu hohen Kosten für den kantonalen Steuerzahler (vgl. Punkt 3).

5. Soll die Anpassung der Steuerpflicht der Kantonalbanken einfach den klammen Bundeshaushalt sanieren?

Der derzeitige Zustand der Bundesfinanzen ist keine Begründung dafür, die Steuerbefreiungen bei den Kantonalbanken unter die Lupe zu nehmen. Denn ungeachtet der heutigen Finanzlage beim Bund, schafft diese Steuerpraxis gleich zwei Probleme:

    • Erstens führt die steuerliche Ungleichbehandlung unweigerlich zu Wettbewerbsverzerrungen – sowohl im Vergleich zu vollbesteuerten Kantonalbanken als auch zur privatwirtschaftlichen Konkurrenz.
    • Zweitens verzerrt die Steuerbefreiung den nationalen Finanzausgleich. Wenn Kantonalbanken auf Bundesebene steuerbefreit sind, werden ihre Gewinne bei der Berechnung des Finanzausgleichs nicht berücksichtigt. Ihre Eignerkantone werden entsprechend bei der Umverteilung bevorteilt, was weder aus ökonomischer noch föderaler Sicht begründet werden kanns.