Im dritten und letzten Teil der Serie zum interkommunalen Finanzausgleich wollen wir einen Blick auf eine laufende Reform werfen: Im Kanton Schaffhausen befindet sich derzeit eine Teilrevision des Finanzausgleichs und eine damit verbundene Änderung des Steuergesetzes in der Vernehmlassung. Während der Regierungsrat bereit ist, beim Ressourcenausgleich neue Wege zu betreten, um ihn mit besseren Anreizen auszustatten, scheint er bei anderen Fragen in alten Mustern zu verharren.

Zu begrüssen ist die geplante Abschaffung von Steuerfussbindungen im Ressourcen- und Lastenausgleich. Im bisherigen Ressourcenausgleich sind ressourcenschwache Gemeinden nur dann ausgleichsberechtigt, wenn sie einen überdurchschnittlichen Steuerfuss aufweisen. Und im Lastenausgleich werden die Beiträge für jeden Steuerfuss-Prozentpunkt, die eine Gemeinde unter dem Durchschnitt liegt, um 20% gekürzt. Solche Steuerfussbindungen sind längst nicht mehr State of the Art, da sie bei einer direkt beeinflussbaren Grösse (dem Steuerfuss) ansetzen, und entsprechend mit Fehlanreizen verbunden sind (vgl. hierzu Teil 1 der Serie). Beide Bedingungen will der Regierungsrat abschaffen.

Mit Skepsis zu beobachten ist dagegen das Buhlen fast aller Gemeinden um mehr Geld. Was wir an dieser Stelle schon zwischen Bund und Kantonen kritisiert haben, passiert also genauso zwischen Kanton und Gemeinden: Die Gemeinden verlangen eine Erhöhung der Mindestausstattung, eine Reduktion ihres Anteils an die Prämienverbilligungen, einen Anteil der Ausschüttungen der SNB, an der direkten Bundessteuer und an den Erbschafts- und Schenkungssteuern, sowie eine Finanzierung der IT-Infrastruktur durch den Kanton. Sie  ignorieren damit ihre eigene Steuerautonomie, sollten die Einnahmen tatsächlich nicht ausreichen. Der Kanton hat erst vor wenigen Jahren Aufgaben zentralisiert und die Gemeinden entlastet. Dass diese schon nach weiteren Entlastungen rufen und damit ihre Autonomie untergraben, ist ein staatspolitisches Trauerspiel. Hält diese Entwicklung weiter an, wird der Föderalismus nach und nach zersetzt.

Ein neues Experiment beim Ressourcenausgleich?

Auch im Kanton Schaffhausen ist man sich des Problems bewusst, dass ressourcenschwache Gemeinden von einem Anstieg ihrer Steuerkraft nichts haben, weil als Folge davon die Transfers aus dem Ressourcenausgleich im gleichen Ausmass zurückgehen. Um das zu ändern, möchte der Regierungsrat ein Anreizsystem einführen, das solchen Gemeinden über einen gewissen Zeitraum weitere Finanzausgleichszahlungen zusichert. Wie das genau umgesetzt werden soll, ist noch nicht bestimmt. Die Idee geht auf den Freiburger Professor Reiner Eichenberger zurück, der ein Beratungsmandat für die Reform hatte.

Im Kanton Schaffhausen läuft derzeit die Vernehmlassung zu einem neuen interkommunalen Finanzausgleichssystem. (Adobe Stock)

Die Idee ist interessant, aber nicht ohne Probleme. Wenn bei ressourcenschwachen Gemeinden ein Zuwachs an Steuerkraft mit einem Bonus vom Kanton belohnt werden soll, was passiert dann bei einer Abnahme? Ist dann ein Malus zu entrichten? Oder werden nur Zunahmen belohnt, Abnahmen aber nicht bestraft? Falls das der Fall sein soll: Was passiert dann, wenn die Steuerkraft der Gemeinden fluktuiert, also mal steigt, mal fällt, was eher die Regel als die Ausnahme sein dürfte? Diese Fragen lassen sich nur vermeiden, wenn der Bonus nicht für das Ergebnis, sondern für die Bemühung bezahlt wird – also entweder für eine Steuersenkung oder für eine grössere Investition. Wie lässt sich aber rechtfertigen, dass der Kanton Steuersenkungen und Investitionen ressourcenschwacher Gemeinden finanzieren soll, wo doch die schweizerischen Finanzausgleiche in den letzten beiden Jahrzehnten aus guten Gründen genau davon abgekommen sind, effektive Ausgaben oder das Niveau der Steuerbelastung zu berücksichtigen?

Diese Überlegungen zeigen, dass es wohl sinnvoller wäre, über eine reguläre Massnahme – z.B. über den im Teil 2 dieser Serie beschriebenen zweistufigen Ressourcenausgleich – zu verhindern, dass allzu viele Gemeinden vom Problem der hohen Grenzabschöpfungsquoten betroffen sind.

Transfers über zwei Staatsebenen hinweg

Nicht minder interessant ist die vorgesehene Änderung des Steuergesetzes. Im Kanton Schaffhausen erhalten die Gemeinden einen Teil des kantonalen Anteils an den direkten Bundessteuern. Eingeführt wurde dieser Transfer im Rahmen der Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF), die der Schweizer Souverän im Jahr 2019 angenommen hat. In Erwartung von kommunalen Steuerausfällen entschied der Kanton, den ihm zusätzlich zufliessenden Anteil an der direkten Bundessteuer an die Gemeinden weiterzureichen. Die eine Hälfte sollte proportional zu den damaligen Einnahmen der Gemeinden aus der Unternehmensbesteuerung verteilt werden, die andere Hälfte proportional zu den Steuerausfällen. Nun haben sich aber gesamthaft in der Folge keine Steuerausfälle ergeben, weshalb die zusätzlichen Mittel heute fast ausschliesslich anhand der Einnahmen verteilt werden. Das macht bisher reiche Gemeinden noch reicher.

Dieser Missstand zeigt gut auf, warum solche Kompensationen meist unsinnig sind. Sie sollen einen Status Quo zementieren, weil jede Gebietskörperschaft sich berechtigt fühlt, nicht hinter diesen zurückzufallen. Aber sie ignorieren dabei, dass sich die Welt ohnehin dauernd im Wandel befindet, Dinge sich anders entwickeln als erwartet, und der schweizerische Föderalismus mit kommunaler und kantonaler Steuerautonomie eigentlich gute Instrumente zur Hand hätte, um mit diesen Unvorhersehbarkeiten umzugehen.

Ein Fusionshemmnis folgt auf Fusionsbemühungen

Wie der Kanton diesen Missstand zu beheben gedenkt, ist ernüchternd. Die Bundessteueranteile an die Gemeinden sollen nicht etwa aufgehoben werden, sondern neu in Abhängigkeit der Einwohnerzahl an diese verteilt werden. Und zwar nicht etwa proportional, sondern degressiv. Das heisst: Gemeinden mit geringer Einwohnerzahl sollen pro Kopf mehr Geld erhalten als grössere Gemeinden.

In den letzten beiden Jahrzehnten hat der Kanton einiges unternommen, um Fehlanreize gegen Gemeindefusionen zu beseitigen, und er hat sogar zwei (dann gescheiterte) Neustrukturierungen der Gemeindelandschaft angestrebt. Und nun will er ein Instrument einführen, dass Bestrebungen für Gemeindefusionen offensichtlich unterminiert. Das ist widersinnig.

Dabei wäre es eigentlich einfach: Direkte Bundessteuern haben auf Gemeindeebene nichts verloren, denn der Schweizer Föderalismus basiert auf der Idee, dass jede Staatsebene ihre eigene Steuerautonomie hat und entsprechend ihre Ausgaben aus eigenen Steuereinnahmen bestreiten soll. Selbst bei Einnahmeausfällen gäbe es – abgesehen von politischem Opportunismus – keinen Grund, die Gemeinden an den direkten Bundessteuern zu beteiligen, und ohne diese Ausfälle gibt es sogar in doppelter Hinsicht keinen Grund. Der Kanton sollte diese Transfers also ersatzlos streichen, statt mit ihnen einen neuen Fehlanreiz zu verursachen.

Teil 1: Interkommunaler Finanzausgleich: Das Labor Föderalismus wirkt
Teil 2: Aargau und Solothurn: Neue Vorbilder beim inter­kommunalen Finanzausgleich