Ein selbstfahrendes Auto begleitet im letzten Film der «Mission Impossible»-Reihe Tom Cruise, während er die Welt rettet. Ganz so weit ist die Realität noch nicht, doch am 1. März tritt in der Schweiz eine Gesetzesrevision in Kraft, die erstmals automatisiertes Fahren erlaubt. Bisher musste der Fahrer jederzeit das Lenkrad mit beiden Händen halten. Neu darf er es bei aktiviertem Autobahnpiloten loslassen. Was in der Öffentlichkeit als technologischer Durchbruch gefeiert wird, könnte sich für Autofahrer allerdings als Trugschluss erweisen.

In die Falle gelockt

Denn wer das Gesetz und die Verordnung genau liest, stellt fest: Der Fahrer ist weiterhin vollständig für die Kontrolle über das Auto verantwortlich, selbst wenn er die Hände vom Steuer nehmen darf. Der Gesetzgeber hat niemand anderes vorgesehen, weder den Hersteller des Autos noch des Autopiloten. Der Fahrer wird durch die Revision in eine Falle gelockt: Das Gesetz erlaubt es dem Fahrer, sein Lenkrad loszulassen, um seine Aufmerksamkeit anderen Dingen zu widmen. Aber nur solange er gleichzeitig aufmerksam die Strasse im Blick behält und jederzeit eingreifen kann.

Das ist ein Widerspruch: Niemand kann gleichzeitig aufmerksam und unaufmerksam sein. Und das zeigt das Problem mit der neuen Gesetzgebung: Wenn ein Mensch gemäss Gesetz etwas tun soll, dann muss er dies de facto auch tun können.

Dieser Widerspruch dürfte vielen nicht bewusst sein, die nun wegen der neuen Regelung vom grossen Durchbruch des automatisierten Fahrens träumen. Den Widerspruch in Gesetz und Verordnung scheint der Bundesrat selbst (zu) spät im Gesetzgebungsprozess festgestellt zu haben. Ende 2024 hat er in den Erläuterungen der Verordnung die erlaubten Nebenbeschäftigungen beim automatisierten Fahren stark eingeschränkt. Wenn der Fahrer die Strasse im Blick behalten soll, darf er de facto höchstens die Hände auf den Schoss legen oder kurz in der Nase grübeln.

Damit entsteht ein Dilemma: Entweder verzichte ich als Fahrer (fast komplett) auf die Vorteile des automatisierten Fahrens. Oder ich lasse mich als Fahrer durch das Gesetz zu anderen Tätigkeiten am Steuer verlocken, werde dann aber bei einem Unfall für meine Unachtsamkeit bestraft, sollte ich im Notfall nicht schnell genug eingreifen können.

Cockpit eines autonomen Autos: Ein Fahrzeug im Selbstfahrmodus, während eine Fahrerin entspannt ist.

Der Fahrer dürfte erst von seiner Verantwortung befreit werden, wenn die Technologie nicht mehr auf ihn angewiesen ist. (Adobe Stock)

Verkehr wird gefährlicher

Unter diesem Dilemma leidet nicht nur die Rechtssicherheit. Vielmehr wird auch der Strassenverkehr gefährlicher. Der Bundesrat sieht als Hauptziel der Einführung automatisierten Fahrens die Erhöhung der Verkehrssicherheit, weil viele Verkehrsunfälle menschlichem Fehlverhalten geschuldet sind. Derzeit ist die Technologie aber schlicht noch nicht so weit.

In der Folge wird das Ziel des Bundesrats unterminiert, denn durch den gesetzlichen Widerspruch wird das Sicherheitsrisiko vom automatisierten Fahrzeug auf den Fahrer abgewälzt. Die Verkehrsteilnehmer werden dabei zu Versuchskaninchen einer nicht durchdachten Gesetzgebung.

Der Wunsch, durch das neue Gesetz Unsicherheiten beim automatisierten Fahren zu beseitigen, schafft in diesem Fall ein falsches Gefühl von rechtlicher Sicherheit. Der Fahrer dürfte erst von seiner Verantwortung befreit werden, wenn die Technologie nicht mehr auf ihn angewiesen ist – aufgrund der raschen Entwicklung der Technologie gilt es, sich ab jetzt über eine Strafbarkeit des Herstellers für automatisiertes Fahren Gedanken zu machen.

Und die Welt aus einem automatisierten Auto retten? Das bleibt vorerst Hollywood-Fiktion. Wer es dennoch versuchen will, sollte das nicht beim Autofahren machen und die Hände am Lenkrad lassen – automatisiertes Fahren ohne Verantwortungsdilemma ist heute noch eine «mission impossible».

Dieser Beitrag ist in der «NZZ» vom 26. Februar 2025  erschienen.