Die Welt schaut heute gebannt nach Washington D.C. Seit Wochen verweist US-Präsident Trump auf den 2. April als Tag der «Tag der Befreiung» (Liberation Day), an dem die USA weitere und weitreichende Zölle ankündigen werden. Grund dafür sind vermutlich eine Vielzahl von Berichten verschiedener US-Behörden, die gestern fällig wurden. Diese hatte Trump bereits am Tag seines Amtsantritts in einem Memorandum in Auftrag gegeben.
Schon in den letzten Wochen haben Zölle und Gegenzölle die Runde gemacht. Gerät nun dieser bereits schwelende Handelskrieg vollends ausser Kontrolle? Und was würde das für die Schweiz bedeuten? Wir haben – wie vor einigen Wochen – die wichtigsten Punkte zur Aktualität zusammengetragen:
1. Mit welchen Entscheiden aus den USA heute zu rechnen ist
Beobachter gehen davon aus, dass das Weisse Haus am 2. April neue Importzölle ankündigen wird. Neben der bereits vergangenen Woche bekanntgegebenen Abgabe von 25% auf Autoimporte (vgl. unten) sind weitere branchenspezifische Zölle denkbar. So könnte eine solche Abgabe auch auf Halbleiter und Pharmazeutika erhoben werden.
Von Einfuhrzöllen könnten zahlreiche Handelspartner betroffen sein. Laut US-Finanzminister Bessent bereitet die US-Regierung neue Zölle auf Gütern von mindestens 15 Handelspartnern – den sogenannten «Dirty 15» – vor. Dazu zählen wahrscheinlich unter anderem die EU, zusammen mit Australien, Brasilien, Indien, China, Kanada, Mexiko, Japan, Korea, das Vereinigte Königreich – und auch die Schweiz.
Um dem in den vergangenen Wochen bemühten Framing des Befreiungstags gerecht zu werden, sind schlagzeilenträchtige Zollerhöhungen möglich. Auch wenn diese vermutlich nicht umgehend in Kraft treten, geht von solchen Ankündigungen stets grosse Unsicherheit aus.
2. Die Spuren des Handelskriegs: Welche neuen Zölle schon in Kraft sind
Seit seinem Amtsantritt im Januar redet Trump zwar viel von Zöllen, bis gestern hat er aber effektiv nur drei Einfuhrzölle in Kraft gesetzt:
- Februar: 10% Zoll auf Importe aus China
- März: zusätzlicher 10% Zoll auf Importe aus China – insgesamt also 20% auf alle Importe
- März: 25% Zoll auf weltweitete Stahl- und Aluminiumimporte – im Gegensatz zu Trumps erster Amtszeit ohne Ausnahmen für einzelne Unternehmen
Heute treten zudem zwei weitere Zölle in Kraft:
- 25% Zoll auf Autoimporte
- Ein pauschaler 25%-Zoll auf dem Handel mit den USA für alle Ländern, die Öl oder Gas aus Venezuela beziehen
Zwei Länder haben die USA bisher mit Gegenzöllen belegt:
- Februar und 10. März: chinesische Gegenzölle in der Höhe von 10–15%, je nach Produkt
- März: kanadische Gegenzölle von 25% auf Stahl und Aluminium
3. Wie die Schweiz betroffen sein könnte
Die Schweiz hat gegenüber den USA zwar ein beträchtliches Handelsdefizit bei Dienstleistungen, aber den elftgrössten Überschuss im Güterhandel. Es ist also möglich, dass das Land zu den «Dirty 15» zählt, auf welche die Trump-Administration ein besonderes Augenmerk legt. Sollte die Schweiz mit Zöllen belegt werden, sind drei Szenarien denkbar:
- Die USA passen ihre Zölle auf das Schweizer Niveau an («symmetrische Anpassung»). Für Schweizer Exporteure würden die Zölle im gewichteten Durchschnitt lediglich um 0,16 Prozentpunkte steigen – ein vernachlässigbarer Wert. Auch das Szenario selbst ist wenig realistisch. Denn die USA müssten ihre Zölle für jene Waren senken, bei denen sie aktuell höhere Einfuhrzölle haben als die Schweiz – wie den Uhren.
- Die USA erhöhen ihre Zölle auf jenen Gütern, bei denen ihr Satz bislang niedriger war als derjenige der Schweiz – so zum Beispiel Kaffee. Ihre Zölle würden sie im Gegensatz zu Szenario 1 nicht senken. Dies wäre mit einem Anstieg der Zölle für Schweizer Exporteure von durchschnittlich 1,43 Prozentpunkten verbunden.
- Die USA belegen die Schweiz und andere Handelspartner mit einem pauschalen Zollsatz – z.B. 25%.
Szenario 1 und 2 sind für die Schweiz weit weniger einschneidend als Szenario 3. Die Zölle würden also wenig steigen, weil die Schweiz ihre Industriezölle vor kurzem unilateral abgeschafft hat.
Szenario 3 würde die Schweiz ungleich härter treffen: Belegen die USA viele bedeutende Handelspartner mit (hohen) Pauschalzöllen, werden Gegenmassnahmen – und damit ein Eskalieren des bereits schwelenden Handelskriegs (siehe Punkt 2) – wahrscheinlicher. Darunter würde die Schweizer (Export-)Wirtschaft stark leiden, besonders dann, wenn die EU auf US-Zölle ihrerseits mit Schutzzöllen antwortet, die sie auch gegen alle Drittländer verhängt. Diese Gefahr für die Schweiz besteht im Übrigen auch, wenn die USA nur einzelne Handelspartner wie die EU mit pauschalen Zollsätzen belegen.
Pauschale Zölle ohne grosse Differenzierung nach Handelspartner sind nicht nur schädlicher für den Welthandel, sondern sie sind im Vergleich zu Szenario 1 und 2 auch wahrscheinlicher geworden. Denn diese beiden Szenarien wären vergleichsweise mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden, da sie die Erhöhung von zahllosen Zöllen auf zahllosen Produkten aus Dutzenden Ländern erfordern würden. Eine Änderung des US-Zollrechts in diesem Ausmass ist kurzfristig unrealistisch.
4. Was US-Zölle für einzelne Branchen in der Schweiz bedeuten
Wie stark eine Branche von US-Zöllen getroffen wird, hängt wesentlich von zwei Faktoren ab: der Abhängigkeit vom amerikanischen Markt und in welchem Umfang die Firmen die Zölle in Form von Preisaufschlägen auf ihre Kunden in den USA überwälzen können.
Im Handel mit den USA ist die Pharmabranche mit Abstand der wichtigste Exportsektor. Ihre Produkte machen wertmässig 60% aller Schweizer Ausfuhren in die USA aus (vgl. Abbildung). Da es sich bei pharmazeutischen Produkten vielfach um spezialisierte und teilweise um lebensnotwendige Güter handelt, dürfte die Nachfrage relativ wenig auf Preisänderungen reagieren. Entsprechend dürften sich die Zölle hier vor allem in Preiserhöhungen für US-Konsumenten niederschlagen.
Selbst Schweizer Pharmafirmen, die in den USA produzieren, dürften betroffen sein. Denn die Zölle verteuern auch den Bezug von Vorleistungen aus dem Ausland. Dies fällt ins Gewicht, weil es in der Pharmabranche globale Lieferketten gibt. Innovative Medikamente durchlaufen nicht selten ein Dutzend Produktionsschritte in verschiedenen Ländern. Damit könnte ein Produkt mehrfach mit Zöllen belastet werden. Je nachdem wie stark dies der Fall ist, könnte sich eine verstärkte Verlagerung der Produktion in die USA lohnen.
Auch für hierzulande produzierte Uhren, Präzisionsinstrumente und Maschinen sind die USA ein wichtiger Exportmarkt. Während etwa ein Drittel der Pharma-Exporte in die USA geht, sind es bei den Uhren 15%, bei den Maschinen etwa 11% – diese Branchen sind also weniger abhängig von den USA als Absatzmarkt. Allerdings dürfte die Zölle in diesen Branchen schwieriger zu verkraften sein, da die Nachfrage hier stärker auf Preisänderungen reagiert.