Nun also auch die Uhrenindustrie. Glaubt man den jüngsten Verlautbarungen der Verbände der Schweizer Uhrenindustrie, befindet sich die traditionsreiche Branche in einer heiklen Lage. Die schlechten Rahmenbedingungen hätten der eigenen Wettbewerbsfähigkeit zugesetzt. Und um die wirtschaftliche Stabilität zu bewahren, sei staatliche Unterstützung gefragt.

Seitdem der Protektionismus im Gewand der Industriepolitik weltweit wiederauflebt, hat hierzulande erstmals eine Exportbranche Politik und Nationalbank zum Eingreifen aufgefordert. Im Fall der Uhrenindustrie macht der Aufruf besonders hellhörig. Ausgerechnet diese Branche hat in der Vergangenheit leidvolle Erfahrungen mit industriepolitischen Eingriffen gemacht.

Während der «Quarzkrise» gingen in den 1970er Jahren Zehntausende Arbeitsplätze verloren. Anders als der Begriff suggeriert, lag der Ursprung dieser Krise allerdings nicht im Aufkommen der Quarz-Technologie, die präzise Uhrwerke ohne komplexe Mechanik ermöglichte. Die Branche litt vielmehr unter den Folgen der über Jahrzehnte aufgezogenen staatlichen Eingriffe, welche die Uhren-Unternehmen schützen sollten.

Die Schweizer Uhrenindustrie litt in der Vergangenheit unter staatlichen Eingriffen, welche die Innovation und die Wettbewerbsfähigkeit hemmten. (Adobe Stock)

Die Schweizer Uhrenindustrie litt in der Vergangenheit unter staatlichen Eingriffen, welche die Innovation und die Wettbewerbsfähigkeit hemmten. (Adobe Stock)

Subventionen erhielt die Branche erstmals in den 1920er Jahren. Damals führte die Aufwertung des Frankens zu einem Umsatzeinbruch und zu massiven Stellenverlusten. Auch die zunehmende Ausfuhr von Uhrwerkbestandteilen zur Montage im Ausland setzte der Branche stark zu.
Zunächst versuchte man, die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland und den Preiszerfall mit einem privaten Kartell zu bekämpfen. Als diesem der Erfolg versagt blieb, beteiligte sich der Bund 1934 daran. Zudem sprach der Bundesrat eine Betriebsbewilligungspflicht sowie ein Exportverbot für Uhrwerkbestandteile aus.

Dieser Strauss an Verboten und staatlichen Kontrollen ist heute unter dem Namen «Uhrenstatut» bekannt. Ursprünglich befristet wurde es vor und nach dem Zweiten Weltkrieg mehrmals verlängert. Die Massnahmen zementierten die Strukturen der Branche auf Jahre hinaus. Darunter litt besonders die Innovationsfähigkeit. Produktionsverfahren und Vertrieb wurden kaum weiterentwickelt. Als Folge verlor die Branche ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit: Lag der Weltmarktanteil 1945 bei 87%, betrug er 1960 noch 42%.

Gewiss, das Uhrenstatut und die aktuellen Forderungen lassen sich nicht tel quel vergleichen. Der Appel der Branchenverbände richtet sich heute primär an die Nationalbank. Doch hinter den Forderungen nach der Abwertung des Frankens verbirgt sich ein klassisches, industriepolitisches Motiv: Demnach seien vor allem Exporte wohlstandsfördernd, daher solle der Staat einen möglichst hohen Exportüberschuss anstreben. Das schaffe gut bezahlte Arbeitsplätze und verbessere die Stellung eines Landes im internationalen Wettbewerb.

Diese Logik, so zeigt die Geschichte, geht fast nie auf. Was staatlich geschützt wird, ist langfristig nicht wettbewerbsfähig. Gerade die Erfahrung mit dem Uhrenstatut macht dies deutlich. Als die vielfältigen Massnahmen 1972 abgeschafft wurden, war die Quarzkrise bereits in vollem Gang. Bis weit in die 1980er Jahre litt die Uhrenindustrie unter den Folgen dieser Strukturbereinigung. Persönlichkeiten wie Nicolas Hayek zeigten dann über die letzten vier Jahrzehnte, was es für Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit wirklich braucht: Unternehmergeist und Innovation.

Dieser Artikel ist am 1. Oktober in den Tamedia-Zeitungen erschienen.