Jüngst schuf das Parlament dank einem typisch schweizerischen Kompromiss die Voraussetzungen für die schnelle Einführung der E-ID. Mit der sperrigen Abkürzung «BGEID» (Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste) wurde ein Grundstein für die digitale Gesellschaft gelegt. Das Gesetz ist das Resultat eines langen politischen Weges, auf dem die grossen Schritte erst noch folgen müssen. Doch prompt wurde ein Referendum angekündigt. Lieber versteigt man sich hierzulande in grundsätzlichen Grabenkämpfen anstatt vorwärts zu machen.
Die Schweiz belegt regelmässig Spitzenränge in diversen Innovationsrankings. Auch wenn diese Ranglisten mit Vorsicht zu geniessen sind, so liefern sie einen wichtigen Überblick. Denn die guten Platzierungen sind keineswegs selbstverständlich. Diese Woche veröffentlichte das WEF seinen neuen «Global Competitiveness Report» für das Jahr 2019. Die Schweiz belegt dabei (nur noch) den fünften Rang – beim Indikator «ICT Adoption» gar Platz 17. Vor der Schweiz liegen im Gesamtranking neu die Niederlande: Sie haben bereits heute eine funktionierende E-ID. Auch die Schweiz hätte mit der Realisierung des ausgehandelten Kompromisses zum BGEID bald eine E-ID. Erneut wird nun eine Chance verpasst, die Wettbewerbsfähigkeit des hiesigen Standortes zu stärken.
Überfällige Einführung
Während in der Schweiz also darüber debattiert wird, wie die Arbeitsteilung zwischen Privaten und dem Staat bei der Schaffung der E-ID aussieht, schreiten andere Länder voran. Es ist anzumerken, dass E-ID ein etwas irreführender Begriff ist. Es handelt sich dabei nicht um einen Pass, sondern um einen sicheren Login, mit dem man sich gegenüber Behörden oder Unternehmen im Internet eindeutig ausweisen kann.
Die Verhinderung des Gesetzes erreicht lediglich, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz nun noch länger auf eine geschützte Anmeldung für onlinebasierte Dienstleistungen warten müssen. Viele werden in der Zwischenzeit die Zutrittskanäle ausländischer Anbieter wie Google oder Facebook verwenden, ohne dass der Schweizer Gesetzgeber darauf Einfluss hätte.
E-ID könnte direkte Demokratie stärken
Das BGEID ist nicht das Ende, sondern der Anfang unzähliger Anwendungen im Internet. Die E-ID wäre zum Beispiel eine Basis für die (rechtsverbindliche) elektronische Unterschrift. Ziel muss es eigentlich sein, dass alle Rechtsgeschäfte der analogen Welt auch in der digitalen abgeschlossen werden können.
Die E-ID hat entsprechend auch das Potenzial, die direkte Demokratie zu stärken. Mit der Möglichkeit der eindeutigen Identifikation stimmberechtigter Bürger im Internet werden die Voraussetzungen geschaffen für E-Collecting, das elektronische Sammeln von Unterschriften für Referenden und Initiativen. Der Druck auf die Bundeskanzlei, Vorkehrungen für die Einführung von E-Collecting zu treffen, wird mit der flächendeckenden Nutzung der E-ID unweigerlich zunehmen. Schliesslich schafft sie die Basis dafür, dass die elektronische Signatur der handschriftlichen Unterschrift ebenbürtig wird.
Unterschriftensammlung würde stark vereinfacht
Zurzeit ist das Unterschriftensammeln ein ressourcenintensives Unterfangen. Die Gestehungskosten einer Stimme belaufen sich zwischen 2 Fr. und 6 Fr. Dank E-Collecting sänken die Transaktionskosten gegen Null, weil Unterschriften über das Internet medienbruchfrei zusammengetragen werden können. Heute schon wird auf den verschiedensten Online-Kanälen um die Aufmerksamkeit für Initiativen und Referenden geworben. Die Unterschriftenbögen müssen aber immer noch erst ausgedruckt, von Hand unterschrieben und dann postalisch eingeschickt werden. Dieser Mehraufwand stellt eine hohe Hürde für die Unterzeichnung von Volksbegehren dar. Der Wegfall dieses Medienbruchs hätte eine grosse Wirkung, da er ein – wenn auch vordergründig kleines – Hindernis aus dem Weg räumt. Wie das Beispiel der Gebührenerhebung auf Plastiksäcke bewiesen hat, können kleine Hürden starke Effekte haben. Seit die Grosshändler beim Einkauf den Betrag von 5 Rp. für einen kleinen Plastiksack verrechnen, verzeichnen sie einen Rückgang der Nutzung um 80 % – beim E-Collecting wäre quasi der umgekehrte Effekt zu erwarten.
Die E-ID würde der Initiative und dem Referendum wieder vermehrt den Charakter des Volksrechts verleihen. Anstatt also die Einführung der E-ID hinauszuzögern, sollten besser ihre künftigen Chancen diskutiert und, wo notwendig, gesetzliche Grundlagen angepasst werden. Im Falle von E-Collecting bedeutet dies beispielsweise eine Erhöhung der Unterschriftenzahl, um den stark erleichterten Möglichkeiten zur Unterschriftensammlung Rechnung zu tragen.